
„Die Zahlen sagen Nein.“ So sieht er das und macht sich wenig Hoffnungen. Clubs und Kneipen dürften in der Corona-Pandemie wohl erst dann wieder öffnen, wenn ein großer Teil der Menschen geimpft sei, meint Johannes Ziegler. Der Inhaber des Lokals „Schwarzer Hermann“ ist trotz dieser düsteren Aussichten nicht im Keller der Gefühle, er lacht viel, macht Scherze – und packt an. Seit Wochen werkeln Ziegler und seine Kollegen in ihrem Biergarten herum, entstanden ist eine Palettenlandschaft mit Bänken, Tischen und einer Lounge. Dazu kommt später eine Art Laubengang. Und dann ist da ja auch noch die Holzbude zur Straße hin – blöde Geschichte, Pech gehabt.
„Wir haben sie im Winter aufgebaut, um Glühwein zu verkaufen“, erzählt Ziegler. Ein paar Tage lang sei das gut gelaufen, die Gäste hätten sich an die Regeln gehalten, seien auf Abstand gegangen, alles bestens. Woanders aber nicht. „Im Viertel gab's Probleme“, weiß der Wirt. Die Folge war ein Ausschankverbot, der Senat musste handeln. „Nach einer Woche haben wir die Bude wieder geschlossen.“ Sie bleibt stehen, der Platz dafür ist da. „Vielleicht machen wir so etwas wie einen Kiosk daraus, bieten Eis an und Softdrinks, irgendwann sicher auch wieder Glühwein.“
Ziegler schraubt an den Paletten herum, an seiner Seite steht Andreas Freuchen und hilft ihm. Er ist der Betriebsleiter im „Schwarzer Hermann“. Eine harte Zeit, sagt Freuchen: „Ich bekomme zwar Kurzarbeitergeld, aber das ist für uns Gastroleute zu wenig, weil wir normalerweise zu einem beträchtlichen Teil vom Trinkgeld leben.“ Für ihn und seine Familie werde es jetzt langsam eng. Er sagt das nüchtern, eine Feststellung, und dann wird auch schon wieder geflachst zwischen den beiden. „Wir waren lange im Winterschlaf und haben Frust geschoben, jetzt geht's aber wieder.“ Für Freuchen ist die Arbeit am Biergarten fast wie eine Therapie, sagt er. „Das hat auch eine psychologische Komponente. Arsch hoch, was tun.“ Und dann sehe man ja auch, dass es schön wird, das motiviere enorm.
Zuletzt sind Steine geliefert worden, nun soll es auch noch eine Terrasse geben. Die Arbeit hört gar nicht mehr auf, Freunde und Stammgäste stoßen dazu und unterstützen die Wirte. Vieles ist jetzt möglich, was die Behörden vorher nicht gerne gesehen haben. Ausnahmezustand, aber kein Wildwuchs, sondern geregelte Bahnen: Im Bauressort sind bislang mehr als 120 Anträge eingegangen. Alle zielen darauf, gastronomische Außenflächen neu einzurichten oder schon vorhandene zu vergrößern. So hat es der Senat nach einer Kleinen Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion mitgeteilt. Im vergangenen Sommer waren die Bestimmungen für Cafés, Kneipen und Restaurants gelockert worden, das machen sich die Betreiber jetzt zunutze. Gut die Hälfte der Anträge stammt aus der Altstadt und dem Viertel.
Schön und gut, dass aus Politik und Verwaltung Unterstützung kommt, doch was nützt es, wenn die Tische und Stühle leer bleiben müssen? Eine fatale Situation vor allem für Saisonbetriebe. Das „Bloom“ zum Beispiel, Restaurant und Café im Rhododendronpark, kann nur dann über die Runden kommen, wenn es im Frühjahr und Sommer so richtig brummt. „In der Zeit machen wir zwei Drittel unseres Jahresumsatzes“, sagt Amon Rayat, geschäftsführender Gesellschafter des Lokals. Seine Hauptmonate seien April und Mai, klar, weil dann die meisten Rhododendren blühen. Rayat hat rund 250 Außenplätze, innen sind es 60. Ein Gut-Wetter-Geschäft. Nun läuft dem Wirt die Zeit davon. „Vergangenes Jahr war es ja auch schon nichts.“
Vom neunköpfigen Team des „Bloom“ sind Rayat und zwei Auszubildende übrig geblieben. Für die anderen wurde Kurzarbeit angemeldet. „Wir haben innen und außen alles auf Vordermann gebracht, teilweise auch neu gestaltet“, erzählt der Inhaber. Die Tische auf der Terrasse seien jetzt zum Beispiel alle neu lackiert: „Als die Gäste noch kommen durften und wir jedes Mal die Flächen mit Desinfektionsmittel abgewischt haben, kratzte das logischerweise am Anstrich.“
Die Hygiene: Das „Bloom“ hat die Außenplätze um die Hälfte reduziert, damit der Abstand von 1,50 Metern gewahrt bleibt. Die Gäste, wenn sie denn wieder zugelassen sind, müssen sich die Hände desinfizieren und werden danach zu ihren Plätzen geleitet. Der „Schwarze Hermann“ setzt darüber hinaus auf Aufklärung, in einer Art wie diese kultige Kneipe nun mal ist: „Listen to the Neinhorn“, steht an der Eingangstür, „Pandemie vorbei? Nein! Ohne Maske rein? Nein! Nase rausschauen? Nein!“
Enorm geholfen, sagen die Gastronomen, hätten die staatlichen Hilfen im November und Dezember, als 75 Prozent des Vorjahresumsatzes ausgezahlt wurden. Mit dem aktuellen Überbrückungsgeld gebe es lediglich einen Ausgleich für die laufenden Fixkosten. „Damit kann ich aber immerhin 90 Prozent meiner Pacht bezahlen“, sagt Amon Rayat. Ein Trost, mehr nicht, denn wenn jetzt die Rhododendren zu blühen anfangen und der Park von vielen Menschen bevölkert ist, hat das „Bloom“ schon ein zweites Mal nichts davon.
Klage vor der Entscheidung
„Sich draußen anzustecken, ist schier unmöglich“, sagt Andreas Freuchen von der Kneipe „Schwarzer Hermann“. Er kann nach seinen Worten zwar gut verstehen, dass alles getan werden muss, um die Pandemie einzudämmen, vermisst aber die Gleichbehandlung: „Nichts gegen die Friseure, denen gönne ich das, trotzdem ist es komisch, wenn mir jemand eine halbe Stunde am Kopf herumfuhrwerkt, in meinem Biergarten aber niemand sitzen darf.“
Das ist der Grund, weshalb drei Gastronomiebetriebe Mitte März per Eilantrag Klage gegen die Bremer Corona-Verordnung eingereicht haben. Sie sind stellvertretend für die Bremer-Gastro-Gemeinschaft vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) gezogen. Kläger sind das „Café Engel“ aus dem Viertel, das „Bloom“ im Rhododendronpark und das „Café Unique“ an der Universität. Im ersten Schritt wollen sie nach eigenen Angaben erreichen, dass die Außengastronomie wieder geöffnet werden darf, und zwar sofort. Ein OVG-Sprecher teilte auf Anfrage mit, dass demnächst mit einer Entscheidung zu rechnen sei.
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