Bremen und Niedersachsen wollen die Kosten für Pflegebedürftige in Heimen deckeln. Die Eigenanteile steigen seit Jahren, dieser Entwicklung wollen die Bundesländer einen Riegel vorschieben. Ab diesem Mittwoch tagen die Arbeits- und Sozialminister bei einer Konferenz in Rostock, dort soll ein entsprechender Beschluss für eine Begrenzung zur finanziellen Eigenbelastung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen gefasst werden, wie aus der Agenda hervorgeht. Bremen hatte sich bereits Anfang dieses Jahres einer Bundesratsinitiative Hamburgs angeschlossen, die eine Deckelung des Eigenanteils fordert.
„Ein steigender Anteil an Rentnerinnen und Rentnern mit einer guten durchschnittlichen Rente kann die Kosten für die Pflege im Alter nicht mehr aus eigenen Mitteln aufbringen. Immer mehr Menschen müssen den Gang zum Amt für Soziale Dienste antreten“, sagt Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) dem WESER-KURIER. Dies zeige, dass die individuellen Kosten für Pflege im Verhältnis zu den Renten in eine Schieflage geraten seien. Stahmann: „Ich weiß nicht, wie ich das den alten Menschen erklären soll, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, und am Ende müssen sie doch Sozialleistungen beantragen. Ich halte das für einen Irrweg in der Pflegeversicherung.“
1891 Euro aus eigener Tasche
Wie berichtet, müssen Heimbewohner oder ihre Angehörigen nach Daten des Verbands der Ersatzkassen (VDEK) bundesweit im Schnitt 1891 Euro monatlich aus eigener Tasche zahlen. Die gesamten Pflegekosten setzen sich aus den Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Investitionen und dem Pflegesatz zusammen, der von Heimbetreibern, Pflegekassen und Kommunen verhandelt wird. Die Pflegeversicherung trägt diesen Satz aber nicht komplett, sodass Pflegebedürftige allein dafür durchschnittlich 693 Euro selbst zahlen müssen. In Bremen und Niedersachsen ist dieser Pflegesatz vom Vorjahr um knapp 30 Prozent auf jeweils 556 und 487 Euro gestiegen. Dazu kommt: Der Betrag, den die Pflegeversicherung zahlt, ist gedeckelt. Sämtliche Erhöhungen werden damit auf die Bewohner umgelegt.
„Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass die Pflegeversicherung in ihrer derzeitigen Form nicht aufrecht zu erhalten sein wird. Gute Pflege muss für die Betroffenen bezahlbar bleiben und gleichzeitig gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und faire Löhne bieten“, sagt Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD). Mit dem derzeitigen System sei beides auf Dauer nicht finanzierbar. Reimann fordert „eine schnelle Deckelung des Eigenanteils und einen Zuschuss zur Pflegeversicherung aus Steuermitteln“. Niedersachsen werde bei der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister dafür werben, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „mit dem klaren Ziel einer zeitgemäßen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ einzusetzen.
Reichen Rente und finanzielle Reserven nicht aus, sind Pflegebedürftige auf das Sozialamt angewiesen, um die Kosten für die Pflege im Heim zahlen zu können. In Bremen waren 2018 nach Angaben der Sozialbehörde knapp 2000 Bewohner von Pflegeheimen Empfänger von Sozialleistungen, das entspreche 29 Prozent. „Es kann doch nicht gewollt sein, dass immer mehr Menschen Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, wenn sie alt und pflegebedürftig werden“, sagt Bremens Sozialsenatorin.
Wohlfahrtsverbände befürchten, dass die Zahl der Heimbewohner, die Sozialhilfe beziehen, bei weiter steigenden Pflegekosten deutlich zunehmen wird. „Es besteht dringender Handlungsdruck, das System der Pflegefinanzierung zu reformieren“, sagt der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände in Bremen, Arnold Knigge. Ein Grund für den Anstieg sei das Pflegestärkungsgesetz, es solle dafür sorgen, dass mehr Pflegekräfte in Heimen arbeiteten und diese besser bezahlt würden. Knigge: „Da der Eigenanteil nach oben offen, der Beitrag der Pflegeversicherung aber gedeckelt ist, führt die notwendige Qualitätsverbesserung in den Einrichtungen dazu, dass diese allein von den Pflegebedürftigen gezahlt wird. Aus diesem Grund muss die Finanzierung reformiert werden.“ Bestandteil dieser Reform müsse die Deckelung des Eigenanteils für die Pflegebedürftigen in den Heimen sein, so der Sprecher.
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