Eine Situation wie im Jahr 2015 darf es nicht noch einmal geben. Diesen Satz wiederholen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mit ihr viele weitere Politiker immer wieder. Gemeint ist damit der Umgang mit den knapp 900.000 Flüchtlingen, die vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind, und die vielerorts nur in Zeltstädten und Turnhallen untergebracht werden konnten – auch in Bremen.
Mittlerweile haben die meisten Städte die Situation in den Griff bekommen, es kommen deutlich weniger Geflüchtete nach Deutschland. Doch das könnte sich bald ändern. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat vor einigen Tagen vor einer erneuten Zuspitzung der Flüchtlingskrise in Europa gewarnt. Dieses Mal geht es vor allem um die vielen Geflüchteten, die die gefährliche Reise von Afrika übers Mittelmeer wagen, um nach Italien zu gelangen. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 95.000 Migranten in das Land.

Im ehemaligen Baumarkt in Oslebshausen müssen noch Tische, Stühle, Betten und Bettzeug für 350 Flüchtlinge ausgepackt werden.
Falls sich Europa auf eine solidarische Verteilung der Menschen einigt, könnten auch Bremen wieder mehr Geflüchtete erreichen. Wäre die Stadt auf so eine Situation vorbereitet? Ja, sagt die Sozialbehörde. Im Vergleich zu 2015 hätte sich die Lage grundlegend verändert. Damals erreichten mehr als 10.000 Menschen das Bundesland, die Stadt musste binnen kürzester Zeit Notunterkünfte aus dem Boden stampfen und war vor allem auch auf das Engagement der Bevölkerung angewiesen.
Zwei Jahre später gibt es nach Angaben der Behörde 38 Unterkünfte für Geflüchtete in der Stadt, darunter 34 Übergangswohnheime und die Erstaufnahmeeinrichtungen. „Notunterkünfte sind schon seit einer ganzen Weile nicht mehr darunter“, sagt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde. Neben Sozialpädagogen gebe es mittlerweile für jede Unterkunft einen eigenen Wohnraumvermittler. Die Situation im Jahr 2015 sei historisch einmalig gewesen. Mittlerweile hätte man ausreichend Strukturen geschaffen, um einen erneuten Anstieg von Zuzügen bewältigen zu können.

Flüchtlingsunterkünfte - Notunterkünfte für Flüchtlinge - Winterfeste Zelte am Kaffeequartier, Übergabe an Träger -
Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) hat zu der Situation im Mittelmeer eine klare Meinung: „Man muss Fluchtursachen bekämpfen. Eines der Probleme ist die Ausbeutung Afrikas durch die Konzerne. Man braucht einen „Marshallplan Afrika“ für Bildung, saubere Umwelt, Gesundheit und Arbeit“, sagt sie. „Aber auf der anderen Seite kommen Flüchtlinge in Europa an, vor allem in Italien. Es kann nicht sein, dass Länder die Vorteile der Wirtschaftsunion in Anspruch nehmen, ohne sich als soziale Einheit zu verstehen. Die Länder müssen sich auch an den Herausforderungen beteiligen. Da muss die Kommission entschiedener auftreten.“
Selbst wenn sich die Länder auf eine faire Umverteilung der Menschen einigen würden, glaubt die Behörde nicht, dass die Zahl der Geflüchteten noch einmal so stark steigen wird wie vor zwei Jahren. Im laufenden Jahr sind bisher knapp 900 Geflüchtete nach Bremen gekommen. Hinzu kommen etwa 870 Familiennachzüge. Für den Notfall hält die Sozialbehörde noch einige Flächen und Gebäude in der Hinterhand, die im Zweifelsfall schnell bezugsfertig gemacht werden könnten. Gleiches gilt für eingelagertes Mobiliar. „Die Sachen bleiben aber nur so lange angemietet, bis die Verträge auslaufen“, sagt Bernd Schneider. „Falls dann kein konkreter Mehrbedarf besteht, werden die Verträge nicht verlängert.“
In den Wohnheimen ist noch Platz
Nach Angaben der Sozialbehörde leben aktuell etwa 3500 Menschen in den Übergangswohnheimen der Stadt. Nicht alle Unterkünfte seien ausgelastet, was den Trägern eine gewisse Flexibilität im Falle einer erneuten Flüchtlingskrise erlaube. Das bestätigt auch die Arbeiterwohlfahrt (Awo), die für 13 Übergangswohnheime und die Erstaufnahme zuständig ist. Die Unterkünfte seien zu etwa 60 Prozent belegt, so Uwe Eisenhut, Leiter des Asylbereichs. Dadurch könne man einen möglichen Anstieg der Flüchtlingszahlen zwar bewältigen. Der Fachbereichsleiter lässt aber auch durchblicken, wie schwer es für den Träger ist, nicht zu wissen, ob noch einmal mehr Menschen nach Bremen kommen oder nicht. „Das belastet die Personalplanung ungemein“, sagt er.

Ankunft Syrischer Flüchtlinge, in den frühen Morgenstunden des 7.09.2015 im Bremer Hauptbahnhof
Eigentlich sei der Bund dazu verpflichtet, die Länder und Kommunen regelmäßig darüber zu informieren, mit welchen Flüchtlingszahlen man für das Jahr rechne. Dieser Rechtspflicht komme der Bund jedoch schon seit zwei Jahren nicht mehr nach, heißt es aus der Sozialbehörde. „Es ist natürlich auch nicht leicht, Bilder von völlig überfüllten Behelfsunterkünften in anderen Teilen Europas zu sehen, während wir hier freie Plätze haben“, sagt Awo-Vertreter Eisenhut.
Mit ausreichend Unterkünften allein sei es jedoch nicht getan, meint der Flüchtlingsrat Bremen. „Es fehlen auch in Bremen Schulplätze, Ausbildungsplätze und vor allem bezahlbarer Wohnraum“, sagt Sprecher Marc Millies. Zudem seien die Container-Standorte, die mittlerweile als Übergangswohnheim zählen, aus Sicht des Flüchtlingsrates nicht optimal. „Das ist kein privater Wohnraum“, sagt Millies. Ähnlich sieht das auch der Bremer Caritasverband, sagt dessen Sprecherin Simone Lause: „Die wahre Herausforderung beginnt, wenn die geflüchteten Menschen angekommen sind.“