Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der EU mit einem neuen Massenandrang von Flüchtlingen gedroht: „Seit der Stunde, in der wir unsere Grenzen geöffnet haben, hat die Zahl derjenigen, die sich nach Europa aufmachen, mehrere Hunderttausend erreicht. Und es werden noch mehr werden. Bald wird man von Millionen sprechen“, sagte er am Montag in Ankara.
Die Zahlen derer, die an der Grenze warten oder sie überschreiten, variieren je nach Quelle stark. Nach UN-Angaben harren rund 13.000 Migranten auf der türkischen Grenzseite zu Griechenland aus. Viele wollen weiterziehen, etliche nennen Deutschland als Ziel. Griechische Sicherheitskräfte gingen erneut mit Blendgranaten und Tränengas gegen Hunderte Migranten vor. Diese hatten versucht, die Grenze bei Kastanies zu passieren, um auf EU-Gebiet zu gelangen.
Bremens Landesregierung zeigt sich bereit, neue Flüchtlinge aufzunehmen. „Wir brauchen einen Schulterschluss von EU-Staaten, die bereit sind, ein Teilkontingent aufzunehmen“, sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) dem WESER-KURIER. Aber man könne damit nicht warten, bis sich alle EU-Staaten geeinigt haben. Bremen habe noch Kapazitäten: „Die städtischen Aufnahmeeinrichtungen sind zu rund 75 bis 80 Prozent ausgelastet.“ Insgesamt stünden derzeit rund 4500 Plätze zur Verfügung. „Ich will nicht sagen: Weil wir möglicherweise keine optimale Versorgung bieten können, bieten wir lieber gar keine“, betonte Stahmann.
15.000 Flüchtlinge seit 2015 aufgenommen
Dabei weiß sie das rot-grün-rote Regierungsbündnis hinter sich. Unter dem Motto „Evakuiert die Inseln!“ veranstalten die Koalitionspartner an diesem Dienstag um 13 Uhr eine Veranstaltung auf dem Bremer Marktplatz. „Wir fordern: Schritte zur Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln sofort einleiten und Kontingente für die Aufnahme der Geflüchteten zur Verfügung stellen.“ Bremen hat seit 2015 rund 15.000 Flüchtlinge aufgenommen.
Die Bundesregierung warnt hingegen Flüchtlinge und Migranten in der Türkei vor einem Aufbruch Richtung Europa. „Wir erleben Flüchtlinge und Migranten, denen von türkischer Seite gesagt wird, der Weg in die EU sei nun offen, und das ist er natürlich nicht“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Auf die Frage, ob der Satz der Kanzlerin weiter gelte, dass sich 2015 nicht wiederholen werde, sagte er: „Der hat seine Gültigkeit.“ Ausdrücklich sprach er von „Flüchtlingen und Migranten“ – nicht jeder werde nach der gültigen Definition Flüchtling sein. Außenminister Heiko Maas (SPD) warnt davor, Flüchtlinge zu instrumentalisieren: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Flüchtlinge zum Spielball geopolitischer Interessen gemacht werden. Egal wer das versucht, der muss immer mit unserem Widerstand rechnen.“
Die AfD will, dass Deutschland wegen der nach Europa drängenden Migranten und Flüchtlinge die nationalen Grenzen dichtmacht. „Griechenland und Bulgarien müssen von uns volle finanzielle und logistische Unterstützung für den erforderlichen robusten Außengrenzenschutz erhalten“, schrieb Parteichef Jörg Meuthen auf Facebook.
In einem Flüchtlingspakt mit der EU von 2016 hat die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land. An diesem Dienstag will der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, den EU-Ratschef Charles Michel und den Europaparlamentspräsidenten David Sassoli an der griechischen Landgrenze zur Türkei treffen.
Die europäische Grenzschutzagentur Frontex stellte Hilfe in Aussicht. Auf Bitten Griechenlands habe er eine rasche Intervention auf den Weg gebracht, teilte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri mit. Derzeit hänge die Arbeitsweise noch vollständig von den EU-Mitgliedstaaten ab. Diese könnten auf einen Stab mit 1500 Einsatzkräften sowie auf Ausrüstung zugreifen. Die EU-Staaten hätten fünf Tage Zeit, Personal zu schicken – und zehn Tage für die Ausrüstung.