Neuer Ländervergleich, bekanntes Ergebnis: Bremens Neuntklässler landen in den Fächern Mathematik, Chemie und Biologie auf dem letzten Platz, in Physik sind sie Vorletzter. In allen Fächern liegen sie etwa zwei Jahre hinter den Neuntklässlern in Sachsen zurück – dem großen Gewinner der Studie. Bremens Bildungssenatorin Eva Quante-Brandt zeigte sich enttäuscht – und will nun vor allem bei der Unterrichtsqualität ansetzen.
Keinesfalls möchte sie den Eindruck erwecken, irgendetwas am Ergebnis des jüngsten Bildungs-Ländervergleichs beschönigen zu wollen, sagte Bildungssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) gestern Mittag, als sie die neuen Befunde vorstellte. Die Ergebnisse seien enttäuschend. Das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hatte die Kompetenzen von Neuntklässlern in den Fächern Mathematik, Chemie, Biologie und Physik ermittelt. Grundlage waren die von den Kultusministern beschlossenen gemeinsamen Bildungsstandards für das Ende der Sekundarstufe I. 2390 Bremer Schüler aus zufällig ausgewählten 62 Schulen hatten an den Tests teilgenommen.
Bei bisherigen Vergleichsuntersuchungen – ob bei den Pisa-Untersuchungen oder den Erhebungen des IQB – hatte Bremen immer schlecht abgeschnitten und das Schlusslicht der Bundesländer gebildet. Hoffnungen, dass man sich verbessern könnte, erfüllten sich nicht. Bremen liegt bei den Leistungen der Neuntklässler in Mathematik, Chemie und Biologie auf dem letzten Platz im Ländervergleich. Im Bereich Physik-Fachwissen teilt es sich den vorletzten Platz mit Hamburg und konnte immerhin Nordrhein-Westfalen hinter sich lassen.
Dabei liegen die Bremer Schüler teils deutlich unter dem gesamtdeutschen Schnitt. Als Mittelwert wird in der Untersuchung dafür ein Wert von 500 Punkten angenommen – und Bremen erreicht in Mathematik lediglich einen Wert von 471. Legt man die Faustformel zu Grunde, dass 25 bis 30 Punkte dem Lernfortschritt eines Schuljahres entsprechen, liegt Bremen also ein Jahr hinter dem Bundesschnitt. Gegenüber dem Spitzenreiter Sachsen mit 541 Punkten sind es sogar zwei Jahre Rückstand. In den getesteten Naturwissenschaften erreicht Bremen beim Fachwissen in Biologie 481, in Chemie 477 und in Physik 482 Punkte.
„Ich hatte gehofft, dass wir vorankommen“, sagte Bildungssenatorin Quante-Brandt. „Das ist uns aber nicht in dem Umfang gelungen, wie wir uns das vorgenommen haben. Wir brauchen jetzt eine offene Auseinandersetzung und müssen Antworten auf die Frage finden: Wie können wir besser werden?“
Die Senatorin sieht dabei mit den Maßnahmen der Schulreform einen ersten wesentlichen Schritt getan, um einem Problem zu begegnen, das in ganz Deutschland nach wie vor akut und von dem Bremen besonders betroffen ist: dem Zusammenwirken von sozialem Hintergrund und Bildungserfolg. In ganz Deutschland erreichen Schüler aus sozial bessergestellten Elternhäusern bessere Ergebnisse. Auch wie bildungsfern ein Elternhaus ist oder ob es einen Migrationshintergrund gibt, spielt eine Rolle. In Bremen gibt es besonders viele solcher Schüler.
Die jetzige Erhebung, so erklärte Quante-Brandt, berücksichtige die eingeleiteten strukturellen Reformmaßnahmen noch nicht. Unabhängig davon gelte es nun, die Unterrichtsqualität ins Zentrum zu stellen. Zusammen mit den Schulen und den Akteuren wolle man daran arbeiten. Dazu sollen die Ergebnisse des Ländervergleichs intensiv ausgewertet werden. Bremer Lehrer sollen ermutigt werden, anspruchsvollen Unterricht zu gestalten, außerdem soll die Schulaufsicht die Schul- und Unterrichtsentwicklung enger begleiten. Zugleich wolle man den im Vergleich zu anderen Bundesländern hohen Anteil an fachfremd erteiltem Unterricht verringern – zumindest über Fortbildungen.
Auch ein weiterer Ausbau von Ganztagsschulen wird nun offenbar wieder erwogen. Bislang ist im kommenden Doppelhaushalt nur die Einrichtung einer neuen Ganztagsschule in Bremen vorgesehen. „Uns ist klar, dass wir bei der Weiterentwicklung der Ganztagsschulen Fahrt aufnehmen müssen“, sagte Quante-Brandt gestern. Darüber diskutiere die Politik derzeit.
Dabei gebe es – gerade im naturwissenschaftlichen Bereich – durchaus gute Modelle, die an der Praxis orientiert seien und auf Kooperationen setzten, betonte Eberhard Dobers vom Schulzentrum Rübekamp, den die Senatorin zur Vorstellung der Ergebnisse eingeladen hatte. „Im Unterricht muss es einen Ruck geben“, sagte er, „an einigen Schulen gab es diesen Ruck – und dort gibt es auch Erfolge.“
Bislang seien dies allerdings nur „Inseln der Exzellenz“, räumte Quante-Brandt ein, „und es ist uns noch nicht gelungen, das systematisch in die Breite zu tragen“. Genau dies müsse nun aber eine der Aufgaben sein.
Mehr Ganztagsschulen verlangt
Enttäuschte Reaktionen auf das Abschneiden Bremer Schüler beim Leistungsvergleich
Es war weniger Überraschung als Enttäuschung, die die Reaktionen auf das Bremer Abschneiden beim jüngsten Ländervergleich dominierte. „Natürlich ist es enttäuschend, dass man keine Fortschritte sieht und sich der Rückstand zu den anderen Ländern offenbar nicht verringert“, erklärte etwa Andrea Spude, Vorstandssprecherin des Zentral-Elternbeirats. Besonders alarmierend sei die hohe Zahl der Schüler, die nicht einmal den Mindeststandard erreichten. Sie begrüßte die Ankündigung von Bildungssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD), ein verstärktes Augenmerk auf die Unterrichtsqualität zu legen. „Was wir nun nach der Reform in den Schulen haben, muss so ausgestattet sein, dass sich Qualität auch entwickeln kann – auch mit Ressourcen“, sagte Spude. Doch darüber hinaus müsse der Senat – auch im Bereich der frühkindlichen Bildung – einen Schwerpunkt setzen.
Der Landesvorstandssprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Christian Gloede, forderte: „Bremen muss die Grundbedingungen von Lernen und Lehrern verbessern – das heißt kleinere Klassen, mehr qualifiziertes Personal und mehr Fort- und Weiterbildungen für die Lehrkräfte.“
„Bremen ist bildungspolitisches Sanierungsland“, sagte Kristina Vogt, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bürgerschaft. Auch sie forderte kleinere Klassen, weniger Unterrichtsausfall, mehr Sprachförderung und weniger fachfremden Unterricht. Zudem müsse der Ganztagsausbau weiter vorangetrieben werden. Außerdem müsse regelmäßig auf Landesebene untersucht werden, welche Konzepte sich bewährten und welche nicht. In diesem Punkt war sich Vogt einig mit Thomas vom Bruch (CDU). „Um die Schulen fit für die Zukunft zu machen, bedarf es einer umfassenden Evaluation und gezielteren Ursachenforschung“, sagte er. Nötig seien ein Masterplan Bildung und eine Verzahnung von Bildungs- und Sozialpolitik. Die Qualität des Unterrichts müsse höchste Priorität haben – und dafür brauche es eine Verbesserung und Verstetigung der personellen Ausstattung.
Auch Thomas vom Bruch forderte einen Ausbau der Ganztagsschulen – und offenbar ist dies unter den Parteien in Bremen inzwischen Konsens. Denn auch die Vertreter der rot-grünen Regierungskoalition plädieren dafür.
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mustafa Güngör, zeigte sich ebenfalls enttäuscht von den Ergebnissen des Ländervergleichs. „Bremen hat weiterhin einen erheblichen Nachholbedarf“, sagte er. Ein erster Schritt müsse nun sein, die Daten der Schulen genau auszuwerten. Angesichts der Testergebnisse müsse geprüft werden, ob Sprachförderangebote auch auf ältere Schüler ausgeweitet werden sollten. Die Ergebnisse des Vergleichs seien als klare Handlungsaufforderung zu verstehen – für einen konsequenten weiteren Ausbau der Ganztagsschulen. Ähnlich äußerte sich die Grüne Sülmez Dogan. Auch sie plädierte für eine schulgenaue Betrachtung und dafür, konzeptionell zu prüfen, wie man die Koppelung von Herkunft und Bildungserfolg abmildern kann. „Wir müssen deshalb auch sehen, wie der Ganztagsausbau weiterhin gelingen kann“, sagte Dogan. „Die Ergebnisse des Vergleichs haben gezeigt, wie wichtig das gerade in Bremen ist.“
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Sehr spürbare Besoldungskürzungen, Nachsitzen und Extrastunden wäre das einzige geeignete Mittel gegen dieses Versagen zum lebenslangen Nachteil der Schülerinnen und n Schüler vorzugehen!
Falsch! Konsequenz ist das abschneiden bei PISA.
Aber das Abschneiden bei PISA bleibt ohne (wirksame) Konsequenz.
Liebe SPD: Danke für 60 Jahre katastrophale Bildungspolitik!!!