
Christian A. Pongratz kennt sich aus in der Unternehmenswelt. Der österreichische Firmenberater und Kabarettist hat schon viele Betriebe untergehen sehen. Für alle, die so richtig gut auf der Misserfolgsspur unterwegs sein möchten, hat er nun eine „Anleitung zum Scheitern mit Stil“ als Buch herausgebracht. Timo Sczuplinski sprach mit Pongratz über Erfolglosigkeit im Job, Haare in der Suppe und Menschen, die mit ihren Hunden sprechen.
Herr Pongratz, Sie führen gleich zwei Doktortitel in Ihrem Namen, so ein Experte in Sachen Erfolglosigkeit können Sie doch gar nicht sein, oder?
Christian A. Pongratz: Das hängt von der Definition ab. Sicherlich hat es in meinem Leben erfolgreiche Zeiten gegeben und auch weniger erfolgreiche. Wie bei jedem anderen vermutlich auch.
Wann haben Sie denn mal so richtig danebengelegen?
Ich bin schon ordentlich durch Uni-Prüfungen gerasselt. Einer der Höhepunkte war aber gewiss auch eines meiner ersten Seminare, das ich leiten sollte. Manager wollten praktische Tipps für eine bessere Teamführung haben. Ich bot ihnen Theorie, Theorie und nochmals Theorie. Das war vergleichbar mit einer Lieferung Frischfleisch für Vegetarier. Es war eine Katastrophe. Am Ende war jeder froh, als das Seminar vorbei war.
Kein Scheitern mit Stil also.
Nein, gewiss nicht.
Wie macht man‘s dann – mit Stil?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Der Klassiker ist natürlich die Person, die einen exklusiven Sportwagen fährt, Havanna-Zigarren raucht und Schampus trinkt, aber eigentlich längst Konkurs ist. Das ist die höchste Vollendung. Das ist ein Scheitern mit Statussymbolen im Glanzlicht. Aber mit nur einem einzigen Misserfolg ist man nicht gleich grandios gescheitert. Wer richtig scheitern will, der muss schon deutlich mehr als einen Fehler machen. Am Scheitern muss man arbeiten, sonst wird das nichts, denn der Erfolg lauert überall.
In der Öffentlichkeit sehen viele Leute so erfolgreich aus. Gibt es mehr Schein als Sein?
Also jemand, der zum Beispiel im Skiweltcup gewinnt, der ist definitiv erfolgreich. Das kann man messen. Da wird die Zeit gestoppt. Da kann man sagen: Der war schneller, der ist der erfolgreichere. Aber auch wenn man einmal ausscheidet, ist man noch nicht gescheitert. Wenn man aber gar kein Rennen beendet, die Ski schon falsch herum anzieht und die Startnummer vergisst, dann kommt man der Sache schon näher. Außerhalb des Sports ist Erfolg und Misserfolg aber in der Tat nicht immer so deutlich zu unterscheiden.
Ist Scheitern ein Tabuthema in unserer Gesellschaft? Gerne redet wohl niemand drüber.
Ich erkenne nicht, dass es ein Tabuthema ist. Wenn man die Zeitung aufschlägt, liest man doch täglich davon, dass Menschen ihre Ziele nicht erreicht haben. Firmen sind pleite gegangen. Ich glaube eher, dass wir in der heutigen Zeit viel zu schnell als gescheitert wahrgenommen und abgestempelt werden. Wenn man sich die Biografien von Leuten anschaut, die große Taten vollbracht haben, sieht man schnell, dass sie nicht immer und ausschließlich große Taten vollbracht haben. Auch Sie hatten ihre erfolglosen Zeiten.
Pro Jahr gibt es rund 25.000 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland. Wie kommt solch ein Misserfolg zustande?
Viele Entscheidungsträger stellen sich die Wirklichkeit so vor, wie sie gar nicht ist. Das ist wie bei Leuten, die mit ihrem Hund diskutieren. Ich garantiere, es wird nicht klappen. Ich nenne das die Schurti-Position.
Das müssen Sie genauer erklären.
Die Menschen überlegen sich einen Plan, programmieren ihr eigenes Navigationsgerät, mit dem es in Richtung Erfolg gehen soll. Und wenn sie diesen Plan umsetzen wollen, dann bleiben sie in dieser Position, egal was kommt und wie viel auch falsch läuft.
Lernen diese Menschen zu wenig aus ihren Fehlern?
Ich nehme noch mal das Bild vom Navigationsgerät. Man glaubt, in Berlin zu sein, befindet sich aber in Wien. Das klingt ähnlich, ist aber ganz was anderes. Menschen in der Schurti-Position würden knallhart beim Straßenplan von Berlin bleiben, um sich zu orientieren, obwohl sie ganz woanders sind.
Die brauchen dann auch keine Anleitung zum Scheitern mehr?
Nein, die sind auf dem besten Weg. Das ist eine Grundhaltung, die Könner von den Anfängern unterscheidet. Diese Menschen sind nicht in der Lage, zu sagen: Ich habe mich getäuscht: Sie bleiben bei ihrer Ansicht und suchen knallhart nach dem Alexanderplatz in Wien.
Sind Misserfolg und Scheitern auch durch zu großen Erfolgsdruck bedingt?
Man konzentriert sich in unserer Gesellschaft doch vor allem auf die kleinsten Fehler. Das beginnt schon in der Schule. Wenn man beim Rechnen eine Aufgabe falsch gelöst hat, schreibt der Lehrer drunter: Eine Aufgabe falsch. Das ist unser System. Es wird nicht gesagt: 99 Aufgaben sind richtig, gratuliere. Es wird gesagt: ein Fehler.
Sind wir zu pessimistisch?
Ich glaube ich würde es nicht pessimistisch nennen. Der Fokus liegt auf dem Negativen. Gibt es irgendetwas zum Ankreiden? Das kleinste Haar in der Suppe wird gesucht, dann wird es so aufgeblasen, als hätte man eine ganze Perücke in der Suppe. Das hat mit Pessimismus nichts zu tun. Es ist eine Frage, worauf man sich konzentriert.
Muss man erst erfolglos sein, um erfolgreich zu werden?
Schwer zu sagen. Es wird wohl auch Menschen geben, die eine unglaubliche Serie von Erfolgen nachweisen können. Ich kenne da allerdings nur wenige Beispiele. Aber die meisten haben auf dem Weg zum Erfolg aus Fehlschlägen gelernt. Ich behaupte ja, der Erfolg macht dumm. Aus Erfolg kann man kaum lernen. Man hat ihn und man sagt sich. Ja super, und jetzt geht‘s ab. Das ist sehr gefährlich. Eine Erfolgsfalle. Es funktioniert und funktioniert, und plötzlich funktioniert es nicht mehr, und man ist gar nicht auf eine solche Situation vorbereitet. Es gibt gewisse Autofahrer, die sagen: Ich fahre 500.000 Kilometer unfallfrei. Da werde ich dann zum Beispiel eher nervös, als bei jemandem, der Misserfolg bereits kennt.
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