
Seit 112 Jahren stellt Gestra in seinem Werk in Findorff Armaturen und Regeltechnik für Kraftwerke her. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen mit seinen rund 400 Beschäftigten vor Ort Weltmarktführer in diesem Bereich. Das Werkgelände mit Bürohäusern und Produktionshallen erstreckt sich über 16 000 Quadratmeter – mitten in dem eng bebauten Stadtteil. Für Expansion ist da kein Platz. Eine Erweiterung aber wäre dringend nötig, sagt Gestra-Chef Oelsner. „Die neuen Maschinen werden immer größer.“ Schon jetzt gebe es Probleme bei der Montage von Großteilen. Oelsner: „Die Situation wird immer angespannter.“
Dabei glaubte er vor sechs Jahren, schon auf einem guten Weg zu sein. Die Konzernleitung der US-Mutter Flowserve hatte Plänen für einen Umzug in einen Neubau zugestimmt. Ein passendes Grundstück beim Technologiepark an der Bremer Uni – doppelt so groß wie das Firmengelände jetzt – war schnell gefunden. Doch dann geriet alles ins Stocken. Zunächst zog die Muttergesellschaft ihre Zustimmung zurück, weil die Investitionskosten höher ausfallen sollten, als zunächst kalkuliert. Dann wurde die Verwertung des bisherigen Firmengrundstücks zwischen Hemmstraße und Münchner Straße infrage gestellt. Bei Bodenproben waren Schadstoffe gefunden worden, die – wie sich herausstellte – auch das Grundwasser verunreinigen (wir berichteten).
Die Frage nach dem Verursacher war nicht leicht zu beantworten. „Es wurden unzählige Bohrungen im Stadtteil gemacht“, berichtet Oelsner. Untersuchungen der Proben hätten schließlich bestätigt, dass eine chemische Reinigung, die es vor Jahrzehnten an der Hemmstraße gab, die Schadensquelle war und nicht die hundert Jahre lange Metallverarbeitung bei Gestra. „Diesen Nachweis konnten wir erbringen und damit waren wir raus“, sagt Oelsner. Das bestätigt auch die Umweltbehörde. Die Ermittlungen gegen Gestra seien eingestellt worden. „Allein die Umweltuntersuchungen haben uns zwei Jahre gekostet“, so Oelsner.
Nun hätte endlich der Weg für das Bauprojekt frei sein können. Doch es kam anders. In der Zwischenzeit wurde die Konzernleitung bei Flowserve ausgetauscht. Neue Manager haben jetzt dort das Sagen. Oelsner spricht von einem Strategiewechsel: „Es wird alles noch mal genau hinterfragt und geprüft, wofür man Investitionsmittel ausgeben will. In dieser Phase sind wir gerade.“ Für ihn heiße das: „Wir sind jetzt erst mal wieder zum Warten verdammt.“
In der Belegschaft gebe es inzwischen „einige, die den Glauben ein bisschen verloren haben, dass aus der neuen Fabrik noch etwas wird“. Mehr noch: Es gibt sogar Befürchtungen, dass der Standort Bremen ganz auf der Kippe stehen könnte. Das hält Oelsner allerdings „für ziemlich ausgeschlossen“. Solche Signale gebe es aus dem Konzern bisher nicht. „So wie ich das sehe, wird es nur eine Entscheidung zwischen altem und neuem Werk, nicht aber für oder gegen den Standort Bremen geben“, sagt der Gestra-Chef.
Die Entscheidung für ein neues Domizil wäre aus Sicht der Arbeitnehmervertretung „schon ein klareres Zeichen, wo es mit dem Unternehmen hingehen soll. Auf jeden Fall würde es die Zukunftssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens eher stärken als ein Verbleib am alten Standort“, meint die Betriebsratsvorsitzende Katja Pilz. Die Produktionsabläufe ließen sich in einem neuen modernen Gebäude effizienter gestalten. Auch verbesserte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, etwa im Bereich Klima- und Lärmschutz, könnten mit einem Neubau leichter umgesetzt werden.
Bis zu einer Entscheidung des US-Konzerns brauchen nun alle Beteiligten weiter Geduld: Nicht nur die Belegschaft und die Geschäftsleitung, auch die Stadtentwickler, die sich schon einiges für das Areal im Herzen Findorffs überlegt hatten. Und nicht zuletzt die Investoren, die die neue Fabrik errichten lassen wollen, um sie dann an Gestra zu vermieten. „Alle wollen Klarheit“, sagt Oelsner. Wenn die Entscheidung für den alten Standort falle, sei das auch in Ordnung. „Dann wissen wir wenigstens, wo wir dran sind.“ Aber über Jahre dieses Leben „zwischen Baum und Borke“; Jahre, in denen die Instandhaltung und Investitionen für den Standort auf das Nötigste beschränkt worden seien, weil man nicht wisse, in welche Richtung es geht – „das“, so meint Oelsner, „ist Gift für ein Unternehmen“.
◼ „Wir haben ein schwieriges Jahr hinter uns“, berichtet Gestra-Chef Lutz Oelsner. Die Bilanz weist für 2013 einen Umsatz von gut 75 Millionen Euro sowie einen Gewinn vor Steuern von 11,4 Millionen Euro aus und ist damit unter den Ergebnissen des Vorjahres geblieben. Ein Grund ist laut Oelsner „die große Verunsicherung im Energie- und Kraftwerkmarkt. Viele Kraftwerke können nicht mehr profitabel betrieben werden, dementsprechend wenig wird noch in die Instandhaltung investiert“.
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