
Am Donnerstag hatte die AOK angekündigt, die Finanzierung des Neubaus am Klinikum Mitte juristisch überprüfen zu lassen. Die Krankenkasse vermutet, dass sie den Bau indirekt mitfinanziert, obwohl eigentlich der Steuerzahler dafür aufkommen müsse.
Die finanzpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Gabi Piontkowski, fordert nun eine rasche Aufklärung. Sie erwarte in der kommenden Sitzung der Gesundheitsdeputation am 23. August einen umfassenden Bericht der neuen Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD). Die Senatorin solle vor allem darlegen, wie sich der Klinikverbund Gesundheit Nord sowie seine einzelnen Häuser und Neubauprojekte entwickelt haben.
Linke sieht rechtlichen Verstoß
Für die Linke ist der Verstoß gegen geltendes Recht bereits erwiesen. „Alle wissen seit Jahren, was Sache ist: Das Land Bremen entzieht sich beim Klinikum-Neubau Mitte konsequent seiner rechtlichen Pflicht, für Krankenhaus-Investitionen aufzukommen“, erklärt der gesundheitspolitische Sprecher Peter Erlanson. Seiner Auffassung nach gehe das letztlich auch zulasten der Beschäftigten im Klinikum.
Bereits am Donnerstag hatten die Bremer Krankenkassen AOK und hkk ihre Skepsis bezüglich der Finanzierung des Klinikums Mitte geäußert. AOK-Vorstandschef Norbert Kaufhold stellt klar, nichts gegen den Bau eines neuen Klinikums zu haben. Doch sollen dafür die Beitragszahler der Kassen aufkommen? Das jetzige Modell basiert auf Kreditaufnahme durch den Klinikverbund Gesundheit Nord und einer Bürgschaft der Stadt. Kaufhold kündigt an, dies juristisch überprüfen zu lassen.
Der AOK-Chef beruft sich auf das Krankenhausfinanzierungsgesetz, nachdem Kommune oder Land - sprich: der Steuerzahler - Neu- und Ausbau der Kliniken zu finanzieren haben. Im Fall des Klinikums Mitte aber, argumentiert Kaufhold, werde der Neubau durch Überschüsse aus dem Krankenhaus-Betrieb finanziert. Das aber hat Konsequenzen für die Schecks, die die Krankenkassen den Kliniken jährlich schicken. Die Rechnung ist kompliziert: Einmal im Jahr handeln Kassen und Krankenhäuser nämlich den sogenannten Landesbasisfallwert aus. Daraus werden dann die Kosten errechnet, die den Kliniken von den Kassen pro Patient erstattet werden.
Landesbasisfallwert könnte steigen
Fließen die wirtschaftlichen Überschüsse des Klinikums in die Tilgung des 230-Millionen-Kredits für den Neubau statt in die Wirtschaftlichkeitsreserven, rechnet Kaufhold vor, steigt der Landesbasisfallwert höher, als er steigen müsste - und die Kassen müssen den Kliniken entsprechend mehr pro Patient zahlen. So finanzieren die Beitragszahler der Kassen den Neubau des Klinikums Mitte.
"Wir müssen aber auf Einhaltung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes bestehen", sagt Kaufhold: Die Kassen finanzieren das tägliche Geschäft in den Kliniken, Neu- und Ausbau der Kliniken aber bezahlen die Steuerzahler (sprich: Kommunen und Land). Denn schon jetzt liege Bremen mit seinem Landesbasisfallwert weit über dem Bundesdurchschnitt. 2011 wird für jeden Patienten in Bremen 3004,85 Euro veranschlagt. Nur im Saarland und in Rheinland-Pfalz liegen die Werte höher. Auf Dauer sei diese Situation nicht hinnehmbar, denn sie zehre an der Finanzkraft der Bremer Kassen. 2010 hat die AOK Bremen/Bremerhaven den Krankenhäusern über 215,8 Millionen Euro überwiesen. Dazu kommen noch diverse Euro durch die AOK Niedersachsen.
Auf jeden Fall will die AOK den Finanzierungsweg des Klinikums Mitte von einer Anwaltskanzlei juristisch überprüfen lassen. "Schon jetzt aber gehen wir davon aus, dass unsere Sichtweise richtig ist", zeigt sich Kaufhold überzeugt, "wir wollen erst aber auf friedlichem Weg versuchen, das Problem zu lösen."
Die Handelskrankenkasse Bremen (hkk) denkt nicht an juristische Prüfungen, denn für sie, sagt Pressesprecher Holm Ay, sind die maßgebenden Gesetze eindeutig: "Investitionskosten der Krankenhäuser sind im wesentlichen über den Weg der öffentlichen Förderung aufzubringen, während die Krankenkassen nur die erbrachten Leistungen für die Patienten bezahlen." Der Bremer Senat aber habe sich seiner gesetzlichen Finanzierungsverpflichtung entzogen - "zu Lasten der Krankenkassen, Privatzahler und nicht zuletzt der Beschäftigten in den kommunalen Kliniken."
Systemwechsel in der Finanzierung
Die hkk pocht jedenfalls auf ein "gesetzeskonformes Vorgehen" bei der Finanzierung des Klinikneubaus und ist zu jeder konstruktiven Diskussion bereit, sagt Sprecher Ay. "Vor einer Konfliktlösung steht aber erst einmal die Erkenntnis, dass ein Problem besteht. Dies ist bislang nur auf Seiten der Krankenkassen erkennbar." Tatsächlich zeigt sich die senatorische Behörde gelassen. Gesundheits-Staatsrat Joachim Schuster meint: "Unsere Argumentation ist sauber." Er bestreitet, dass sich Bremen ganz aus Investitionen in Kliniken zurückgezogen hat: Jährlich fließen 29 Millionen Euro aus dem Etat als Pauschalförderung an alle Bremer Kliniken.
Außerdem sieht Schuster einen Systemwechsel bei der Krankenhausfinanzierung: Mussten die Kassen früher alle Kosten der Kliniken decken, werden jetzt Abrechnungswerte pro Patient vereinbart. Deshalb könnten die Kliniken jetzt auch Gewinne (aber auch Verluste!) machen, wenn sie entsprechend wirtschafteten. Und diese Gewinne könnten auch für Investitionen in die Kliniken verwandt werden. Und das, meint Schuster, sei bundesweite Praxis. Wobei ihm klar ist, dass enorme Anstrengungen im Klinikverbund Nord notwendig seien, um Zinsen und Tilgung für den Krankenhausneubau aufzubringen.
Wie geht's weiter im Konflikt zwischen Senat und Krankenkassen? Staatsrat Schuster zeigt Gesprächsbereitschaft. Nein, eine Konfrontation mit den Kassen wolle er nicht, ist andererseits aber auch gespannt auf die angekündigte juristische Prüfung der Neubaufinanzierung.
Und die Kassen? Ihnen ist bewusst, dass die Konsequenzen einer alternativen Finanzierung des Klinikums Mitte dramatisch sein könnten: Zahlt der Steuerzahler, steigt die Verschuldung Bremens. Mit allen Folgen für die Einhaltung der Schuldenbremse. Doch AOK-Chef Kaufhold will andererseits nicht einsehen, warum denn Krankenkassen und Beitragzahler die Neubauten zahlen sollen - zumal dieser Weg nach seiner Einschätzung mit geltendem Recht kollidiert.
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