
Patrick Öztürk gilt als Schlüsselfigur im Skandal um den Sozialleistungsbetrug in Bremerhaven und die SPD wusste bereits 2013 von unerfreulichen Gerüchten über ihn — man wollte sie aber nicht glauben.
Bei den Sozialdemokraten wusste man bereits vor mehr als drei Jahren von unerfreulichen Gerüchten über ihren damaligen Abgeordneten Patrick Öztürk. Man glaubte sie aber nicht oder wollte sie nicht glauben. Das geht aus Unterlagen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) hervor, der die Hintergründe des mutmaßlichen massenhaften Sozialleistungsbetrugs in Bremerhaven ausleuchten soll. Öztürk, der die SPD-Bürgerschaftsfraktion vor einigen Wochen verlassen hat, gilt als eine der Schlüsselfiguren in diesem Skandal.
Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug. Patrick Öztürk war Vorstandsmitglied des Vereins „Agentur für Beschäftigung und Integration“ (ABI), der im Verdacht steht, massenhaft Migranten aus Südosteuropa nach Bremerhaven gelotst zu haben. Zwischen 2012 und 2015 bezogen dort zeitweilig mehr als 1000 Menschen ergänzende Sozialleistungen auf der Grundlage von Scheinarbeitsverträgen mit ABI. Einen Teil dieser staatlichen Zahlungen sollen sie bei ABI wieder abgeliefert haben.
Fraktionsmitarbeiter sind Gerüchten nachgegangen
Der WESER-KURIER konnte einige der PUA-Unterlagen einsehen. Ihnen ist zu entnehmen, dass Bremerhavener Wohlfahrtsverbände bereits im Frühjahr 2013 Gerüchte über Patrick Öztürk an die SPD-Bürgerschaftsfraktion herantrugen. Sie besagten, dass Öztürk Immobilien in der Seestadt besitze und dort Schwarzarbeiter beschäftige, die als Hilfesuchende bei ABI registriert waren. Fraktionsmitarbeiter erhielten daraufhin den Auftrag, den Gerüchten nachzugehen. Bei einer Internetrecherche stießen sie auf eine Web-Visitenkarte einer Firma namens „Citibrokers“, die Patrick Öztürk als Geschäftsführer auswies.
Öztürk wurde daraufhin mit den Gerüchten und den SPD-internen Rechercheergebnissen konfrontiert. In dem Gespräch mit dem damaligen Fraktionsgeschäftsführer und dem Pressesprecher seiner Fraktion soll Öztürk angegeben haben, bei dem Firmenauftritt im Netz habe es sich lediglich um einen „spielerischen Layout-Versuch“ gehandelt. Die Firma „Citibrokers“ existiere in Wahrheit gar nicht. Renovierungsarbeiten in seinen Bremerhavener Immobilien seien stets von örtlichen Firmen gegen Rechnung ausgeführt worden.
In einer mehrseitigen Erklärung legte Öztürk einige Tage später den Sachverhalt rund um ABI aus seiner Sicht dar. Darin hebt Öztürk hervor, dass allein sein Vater als 1. Vorsitzender des Vereins „die Verantwortung für alle Geschäftsvorgänge trägt“. In einer weiteren Passage seines Schriftsatzes nimmt Patrick Öztürk bereits Vorwürfe vorweg, die erst viel später öffentlich laut wurden – dass nämlich ABI bei seinen Klienten abkassiere. Öztürk junior nimmt seinen Vater gegen solche Vorwürfe in Schutz.
Gremium interessiert sich für Zusammenhänge
Dieser sei den Migranten aus Südosteuropa stets behilflich gewesen und habe sie in Alltagsdingen unterstützt, beispielsweise im Schriftverkehr mit Behörden. Patrick Öztürk: „Laut Auskunft meines Vaters nimmt er für diese Hilfestellungen eine kleine Aufwandsgebühr“, insgesamt vielleicht 10 bis 20 Euro pro Fall, und selbst die würden häufig nicht gezahlt. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion schenkte diesen Erklärungen aus dem Sommer 2013 nach eigener Darstellung Glauben.
Unterdessen hat Bürgerschaftspräsident Christian Weber das Bundesarbeitsministerium schriftlich aufgefordert, dem Untersuchungsausschuss Akten des Jobcenters Bremerhaven unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Das Ministerium hatte angekündigt, das angeforderte Material nur dann zu liefern, wenn es als „streng geheim“ behandelt werde. Als Begründung wurde der Sozialdatenschutz angeführt. In seinem Brief an Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) weist Weber darauf hin, dass dem Untersuchungsausschuss nichts an einzelnen Sozialdaten liege. Das Interesse des Gremiums gelte „bestehenden Zusammenhängen und einem etwaigen Systemversagen“.
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