
An Arbeit mangelt es nicht, das ist schon mal klar. „Wir haben keine Probleme, Dächer zu finden, die wir decken sollen“, sagt Katrin Detring-Pomplun. Die Chefin des Dachdeckerbetriebs Friedrich Schmidt Bedachung steht aber vor anderen Schwierigkeiten: Es fehlen die Mitarbeiter.
Damit ist das Unternehmen aus der Bremer Neustadt nicht alleine – Fachkräftemangel ist im gesamten Handwerk schon lange ein Thema. Doch anstatt sich dem Schicksal zu ergeben und auf bessere Zeiten zu hoffen, ist Detring-Pomplun aktiv geworden. Dafür wurde ihr Betrieb am Mittwoch mit dem Ausbildungszertifikat der Agentur für Arbeit ausgezeichnet.
Zusammen mit vier anderen Handwerksunternehmen hat die Geschäftsführerin den Dachdecker-Campus ins Leben gerufen – einen Ort, an dem Lehrlinge neben der Berufsschule und dem Alltag im Betrieb ausgebildet werden. Nicht ganz ein Jahr gibt es den Campus – doch das Konzept hat die Arbeitsagentur schon jetzt beeindruckt.
Allen beteiligten Firmen sei klar gewesen, dass man sich absetzen müsse, um gute Azubis zu bekommen, sagt Detring-Pomplun. Also habe man zusammen das Ausbildungszentrum gegründet. Jeden Monat kommen die Lehrlinge der fünf Unternehmen für einen Sonnabendvormittag zusammen, etwa 20 bis 25 sind es meist. In der Regel geht es dann um ein Thema: Wie verbaut man ein Dachfenster? Wie fasst man einen Schornstein ein? Was ist bei Flachdächern zu beachten?
Die Handwerksmeister der beteiligten Firmen geben Anleitung für die Fragen, die Azubis dürfen sich ausprobieren. „Hier können wir im ruhigen Rahmen das vermitteln, wofür auf der Baustelle oft die Zeit fehlt“, sagt Norman Kwast, Dachdeckermeister bei Friedrich Schmidt. Das schätzt auch Gwendolyn Hitzfeld, die im dritten Lehrjahr bei Friedrich Schmidt ist. „Hier kann man sich auch mal Fehler erlauben“, sagt sie. Dass sie dafür einen eigentlich freien Samstag opfere, sei nicht schlimm. Die Azubis kommen freiwillig zum Dachdecker-Campus – auch weil sie merken, dass die Zusatzausbildung etwas ist, das sie nur dort bekommen.
So sieht es auch Vidl Khider, seit 2018 Dachdecker-Azubi. Er sei sehr dankbar, dass die erfahrenen Kollegen ihre freie Zeit nutzen, um den Lehrlingen etwas beizubringen. Khider ist nicht nur beim praktischen Teil des Dachdecker-Campus dabei, sondern auch beim theoretischen. Immer donnerstags kommen Auszubildende zusammen, um Grundlagen wie Deutsch und Mathematik zu üben. Auch diese Nachhilfe hat das Unternehmen organisiert. „Ich merke, dass ich das machen muss.“ Denn manchmal fehlten Khider die passenden Worte, gerade, wenn es Fachbegriffe sind. Er ist vor gut vier Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen, hat vor der Ausbildung jeden Tag drei bis vier Stunden Deutsch gelernt. Daran will er nun anknüpfen.
Abschreckend sei das nicht, sagt Detring-Pomplun, wenn Mitarbeiter Sprachdefizite hätten. Das zeigt schon ein Blick auf die Firma: Mehr als die Hälfte der gewerblichen Mitarbeiter komme aus dem Ausland oder habe einen Migrationshintergrund. Ihr Unternehmen geht sogar so weit, auch den Ehepartnern von Mitarbeitern Deutschkurse anzubieten. „Was nutzt es mir, wenn der Mann über die Arbeit integriert ist, aber die Frau nicht?“, fragt die Dachdeckermeisterin.
Insgesamt hat die Firma Friedrich Schmidt rund 120 Mitarbeiter. Vielen von ihnen bilden sich regelmäßig weiter – selbst die Hilfskräfte. Das sei einerseits motivierend für die Beschäftigten, andererseits aber auch eine Notwendigkeit. Vor nicht allzu langer Zeit sei ein Kollege nach 45 Jahren beim Handwerksunternehmen in den Ruhestand gegangen, sagt Detring-Pomplun. Keine einzige Fortbildung habe er in dieser Zeit gemacht. „Das geht heute bei uns nicht mehr.“
So viel Engagement hat die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven überzeugt. „Sie leiten ein alteingesessenes Handwerksunternehmen, das die Zeichen der Zeit erkannt hat und mit Eigeninitiative und großem Engagement seine Nachwuchskräfte zum Ausbildungserfolg führt“, lobt Agentur-Chef Joachim Ossmann den Betrieb am Mittwoch. Für ihn sei das „vorbildlich“.
Dennoch sei es kein Selbstläufer, Azubis zu gewinnen, sagt Detring-Pomplun. Das Unternehmen müsse sich auf Handwerksmessen präsentieren, kooperiere mit Schulen und stehe im Wettbewerb mit großen Firmen wie Airbus und Mercedes. Praktika seien da ein wichtiger Weg, um Jugendliche für eine Ausbildung bei dem Handwerksbetrieb zu begeistern. „Wir sind über jeden froh“, so Detring-Pomplun, „der Dachdecker werden will.“
Bremerhavener Hotel geehrt
In Bremerhaven wurde das Atlantic Hotel Sail City mit dem Zertifikat für Nachwuchsförderung der Agentur für Arbeit ausgezeichnet. Was das Hotel zum besonderen Ausbildungsbetrieb macht, ist laut Mitteilung, dass auch Jugendlichen eine Chance gegeben wird, die auf dem Papier nicht wie die idealen Bewerber erscheinen.
Im ersten Lehrjahr stehe daher auch die Persönlichkeitsentwicklung im Fokus. „So bringen sie auch die etwas verborgenen Potenziale gut zur Entfaltung“, sagt Agenturchef Joachim Ossmann. Für Hoteldirektor Tim Oberdieck ist das eine Notwendigkeit: „Wir müssen bereit sein für Veränderungen und neue Generationen. Dazu investieren wir viel Zeit, und das machen wir gerne.“ Nächste Woche wird zudem ein Betrieb aus dem Landkreis Osterholz geehrt.
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Wenn ich mir angucke, wie meine Generation ...