
Herr von Einem, Ende des Monats gehen Sie in den Ruhestand. Was raten Sie Ihrem Nachfolger zum Einstand?
Götz von Einem: Er sollte als erstes viel zuhören und so Eindrücke der Stadt gewinnen. In Bremen ist es immer schwierig, direkt mit einem eigenen Plan zu kommen. Es ist sinnvoll, sich auch die Pläne von Wirtschaft und Politik erklären zu lassen, damit man auf einen Nenner kommt.
Der Bremer Arbeitsmarkt ist auch kein einfacher.
Bremen ist eine wirkliche Herausforderung. Das muss aber nicht schlecht sein. Ich bin selbst nach Bremen gekommen, weil man hier viel bewegen und Dinge anstoßen kann. Da hilft es enorm, dass Bremen als Bundesland im politischen Berlin leichter Gehör findet.
Sie waren acht Jahre lang Geschäftsführer der Agentur für Arbeit. In dieser Zeit ist die Arbeitslosigkeit in Bremen zurückgegangen. Sind Sie zufrieden?
Ich bin damit zufrieden, dass Bremen immer wieder kleine Schritte in die richtige Richtung macht. Bremerhaven etwa hat sich – trotz aller Turbulenzen um die Windkraft und die Werften – gut entwickelt. Man muss sich fast wundern, dass da die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Die Entlassungen werden aufgefangen, weil in diesen Bereich immer wieder Fachkräfte gesucht werden. Komplett zufrieden sein kann ich aber nicht. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen.
Zumal Bremen und Bremerhaven in der Vergangenheit stark von der guten Konjunktur profitiert haben. Wie wird es hier aussehen, wenn es mal nicht mehr gut läuft?
Man redet in Bremen viel über das, was wegbricht, aber zu wenig über das, was neu entsteht. Es sind nicht immer die Großen, die den Arbeitsmarkt prägen, sondern der Mittelstand. Und davon gibt es viel in Bremen, sodass die Wirtschaft sehr robust aufgestellt ist. Einen Einbruch beim Wirtschaftswachstum würde man aber trotzdem spüren.
Sie haben bei Ihrem Antritt vor acht Jahren gesagt, dass Mittelständler Nachwuchssorgen bekommen werden. Das hat sich bestätigt. Hätte man das nicht auch verhindern können?
Das Problem hat sich schon damals durch die demografische Entwicklung abgezeichnet. Wir können das aber nicht alleine lösen, sondern nur unsere Hilfe anbieten, etwa durch mehr Aus- und Fortbildungen. Der Rest muss aus der Wirtschaft kommen.
Haben Sie das Gefühl, dass sich Wirtschaft und Politik gegenseitig die Schuld zuweisen?
Mittlerweile wissen alle, dass man damit nicht weiterkommt. Früher war das noch ein Stück weit anders. Jetzt sind sich aber alle einig, dass man nur gemeinsam die Dinge gestalten kann und der Zusammenschluss aus Wirtschaft und Verwaltung wichtig ist. Das Schwarze-Peter-Spiel hat zum Glück aufgehört.
Trotzdem ist die Bremer Vereinbarung, bei der sich Politik, Wirtschaft und Verwaltung verpflichtet haben, bis 2017 die Zahl der Ausbildungsplätze auf 7800 zu erhöhen, gescheitert.
Es gab auch eine kurze Auseinandersetzung darüber, wer daran Schuld hat. Sie hat aber nur gezeigt, wie unfruchtbar solche Diskussionen sind. Stattdessen müssen sich jetzt alle Beteiligten wieder zusammen an den Tisch setzen und überlegen, wie eine neue Vereinbarung aussehen kann. Ich kann mir vorstellen, dass man von einer festen Zielzahl abrückt.
Auf dem Papier halten sich Ausbildungsplätze und Bewerber die Waage. De facto bleiben aber viele Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Was läuft da falsch?
Das Problem ist, dass wir nur einen Ausschnitt des Ausbildungsmarktes sehen. Nicht jeder Jugendliche registriert sich sofort bei uns, wenn er einen Ausbildungsplatz sucht. Das gleiche gilt für Unternehmen, die offene Stellen haben. Das Monopol auf die Stellenvermittlung, das wir früher einmal hatten, existiert nicht mehr. Heute finden Jugendliche und Firmen oft auch ohne uns zusammen.
Jugendliche aus dem Umland sind auch nicht in Ihrer Kartei. Viele von ihnen beginnen aber eine Ausbildung in Bremen und verschieben so das Verhältnis zwischen Ausbildungsplätzen und Bewerbern.
So ein durchlässiger Ausbildungsmarkt ist gut. Wir können uns nicht abschotten. Die Jugendlichen müssen lernen, auch für Ausbildungen mobil zu sein und weiter wegzugehen. Die Arbeitsagentur unterstützt das auch. Wir sollten Jugendliche in unserer globalisierten Arbeitswelt nicht verwöhnen und ihnen sagen, sie können ihren Ausbildungsplatz um die Ecke bekommen.
Ein Problem, das sich in der Vergangenheit kaum geändert hat, ist die Langzeitarbeitslosigkeit. Die neue Koalition im Bund will das nun durch öffentlich geförderte Jobs angehen. Wie finden Sie die Idee?
Es gibt eine Klientel, die nicht mehr bildungsfähig ist und nicht mehr produktiv arbeiten kann. Gerade mit Blick auf die Zukunft und die Digitalisierung wird diese Gruppe noch größer werden, weil einfache Jobs wegfallen. Deswegen muss sich die Gesellschaft überlegen, wie sie mit diesen Leuten umgeht. Sie werden alimentiert und erfüllen die Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht mehr. Wenn wir mit der Menschenwürde argumentieren, müssen wir diesen Leuten ein Angebot machen – das sie allerdings auch annehmen sollten. Das hat aber nichts mit Zwangsarbeit zu tun, sondern ist eine gesellschaftliche Verpflichtung. Wenn ich etwas aus der Gesellschaft bekomme, sollte ich auch etwas zurückgeben.
Ist es aber nicht gerade unwürdig, Menschen eine sinnfreie Arbeit zu geben, nur damit sie beschäftigt sind?
Wir haben in der Vergangenheit bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen immer Tätigkeiten gefunden, die sinnvoll sind, aber keine Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt verursachen. Das können zum Beispiel Reinigungsarbeiten im öffentlichen Raum sein. Der Arbeitslose spürt dadurch, dass er etwas Nützliches und Sichtbares für die Gesellschaft macht.
Die Strukturen des Arbeitsmarktes sind über Jahrzehnte gewachsen. Wird es in Bremen immer die gleichen Probleme geben?
Man darf den Mut nicht verlieren. Wenn wir uns weiter mit den entsprechenden Angeboten um die Arbeitslosen kümmern, habe ich Hoffnung. Allerdings wird Bremen immer ein Anziehungspunkt für Menschen aus dem Umland sein, weil es einfacher ist, in der Stadt arbeitslos zu sein als auf dem Land.
Bremen gilt als Leiharbeitshauptstadt. Einerseits sorgt diese Beschäftigungsart für Jobs, andererseits hat sie nicht den besten Ruf und es gehen feste Arbeitsverhältnisse verloren. Hätte man diese Entwicklung aufhalten müssen?
Leiharbeit gibt es immer da häufig, wo besonders viel Flexibilität benötigt wird. Man kann Leiharbeit nur dann verteufeln, wenn es ein Geschäftsmodell wird. Wenn sie also ohne Not genutzt wird. So etwas haben wir immer geprüft. Wenn die Bremer Wirtschaft aber Leiharbeit braucht, haben wir uns dem nie verschlossen. Wir können sowieso nur Mittler zwischen Angebot und Nachfrage sein.
In den vergangenen Jahren sind auch viele Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Wie schwierig ist es, sie im Arbeitsmarkt einzubinden?
Die Integration gelingt überraschend gut. Wer Deutsch spricht und Qualifikationen mitbringt, dem können wir schnell helfen. Natürlich gibt es aber auch viele, die einen längeren Atem brauchen, weil es beispielsweise mit der Sprache noch nicht so gut läuft. Ich bewundere diese Leute aber für ihren Ehrgeiz.
Wie lange wird die Integration von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt noch ein Thema sein?
Pauschal gesagt, denke ich, dass in fünf Jahren etwa 50 Prozent von ihnen integriert sind. In zehn Jahren wird es überhaupt kein Problem mehr sein. Dann gibt es maximal noch Einzelfälle, die gibt es aber in jeder Klientel – egal ob Geflüchteter oder nicht.
Was war Ihre größte Herausforderung in Ihrer Zeit als Agenturchef?
Wir mussten uns als Verwaltung modernisieren. Während meiner Zeit gab es den Zusammenschluss der Arbeitsagenturen Bremen und Bremerhaven, wir haben die Jugendberufsagenturen geschaffen und moderne, teilweise überregionale Arbeitsabläufe eingeführt. Als ich vor acht Jahren angefangen habe, hatten wir beispielsweise noch keine App. Jetzt haben wir etliche. Mittlerweile können die Kunden viele Anträge online stellen. Für viele Dinge müssen sie unser Haus gar nicht mehr betreten.
Sie wohnen in der Nähe von Hannover und sind immer nach Bremen gependelt. Was werden Sie an der Hansestadt vermissen?
Ich gehe immer gerne über den Marktplatz, vorbei an Rathaus, Bürgerschaft, Handelskammer und Dom. Wenn ich zurückblicke, war es schön, insgesamt 16 Jahre durch meine Arbeit ein Teil dieser Stadt zu sein.
Das Gespräch führte Stefan Lakeband.
Zur Person:
Götz von Einem ist seit 2010 Chef der Arbeitsagentur in Bremen. Zum Monatsende gibt er den Posten an seinen Nachfolger Joachim Ossmann ab. Mit Unterbrechungen hat der 63-Jährige 16 Jahre für die Behörde in Bremen gearbeitet. Der Jurist lebt in Langenhagen bei Hannover, hat drei erwachsene Töchter, ist Hobbypilot und möchte sich im Ruhestand als ehrenamtlicher Richter engagieren.
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Der WK sollte regelmäßig eine 'Goldene Schlafmütze' für Bremer Beamte verteilen. Der Herr von Eimen ist ein guter Kandidat.
doch ein kommentar kam mir auch einst unter.
ein langzeitarbeitsloser, einst wohnhaft in achim -o-ton:
die -anm: jobcenter achim- piesacken mich ständig, daß ich bewerbungen abgeben soll.
da ziehe ich lieber nach bremen.