
Vonovia-Mieter können aufatmen. Denn bei dem Streit um Kosten, die sie im Zuge einer energetischen Modernisierung mittragen sollen, hat das Bremer Landgericht dem Wohnungskonzern verboten, per Revision gegen die Mieter vor den Bundesgerichtshof zu ziehen. Das hat die Erste Zivilkammer am Montag entschieden (Aktenzeichen 1 S 87/19; 1 S 222/18 und 1S 1/19). Konkret ging es in drei Fällen um eine energetische Modernisierung in einer Wohnanlage am Peterswerder. Einen Teil der Kosten hatte der Wohnungskonzern auf die Miete umgeschlagen. Seit 2019 können das bis zu acht Prozent der Gesamtkosten sein, in der Zeit davor waren es wie in den konkret verhandelten Fällen noch elf Prozent. Als die Mieterhöhung ins Haus flatterte, sahen die Mieter darin die ausgeführten Arbeiten nicht ausreichend detailliert nach einzelnen Gewerken aufgelistet. So konnten sie die Kosten nicht nachvollziehen und gingen gerichtlich dagegen vor.
Das war im Jahr 2018. Seitdem haben sich insgesamt drei Kammern an den Bremer Gerichten damit befasst. In den konkreten drei Fällen hatten die Mieter bereits vor dem Amtsgericht recht bekommen. Danach zog Vonovia vor das Bremer Landgericht. Dort hatten vor der Zweiten Zivilkammer des Bremer Landgerichts erneute die Mieter Erfolg. Der Vorsitzende Richter Mario Pellegrino ließ wegen mangelnder Chancen auf Erfolg auch keine Berufung zu, die zum Bundesgerichtshof (BGH) geführt hätte. Dagegen klagte Vonovia nun vor der Ersten Zivilkammer, um damit die Zulassung einer Revision zu erreichen. Doch bereits bei der mündlichen Anhörung im Januar schloss sich der Vorsitzende Richter Andreas Helberg grundsätzlich dem Urteil seiner Kollegen der Zweiten Zivilkammer an: „Bei einer energetischen Modernisierung müssen die Kosten für die Mieter nachvollziehbar, ohne große Kenntnisse dafür haben zu müssen, in die einzelnen Gewerke aufgeschlüsselt werden.“
Dies sah Helberg aber nicht gegeben, deshalb sei die Mieterhöhung unwirksam. Dass die Erste Zivilkammer keine Revision vor dem BGH zulässt, dazu sagte der Vorsitzende Richter: „Wir haben uns sehr ausführlich mit der Literatur und der Rechtsprechung zu diesem Thema beschäftigt. Wir sehen nicht, dass ein anderes Landgericht oder der BGH schon einmal konkret oder explizit eine andere Auffassung vertreten hätten.“ Laut BGH obliegt die Überprüfung der Nachvollziehbarkeit in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung. „Das ist also unsere Aufgabe, und das haben wir hiermit getan“, ergänzte der Richter. Im Bürgerlichen Gesetzbuch regelt Paragraf 559 in sechs Absätzen die Mieterhöhung nach Modernisierungsarbeiten.
Valentin Weiß, der als Fachanwalt für Mietrecht in diesem konkreten Fall drei Mieter vertritt, zeigte sich über dieses Urteil hochzufrieden. Er sagte: „Es geht dabei auch um die Nachvollziehbarkeit, wenn die Modernisierungsarbeiten nur von Tochterfirmen der Vonovia ausgeführt werden.“ Der Anwalt hat noch mindestens 30 ähnliche Verfahren, die beim Bremer Landgericht liegen. Doch er geht nun einen Schritt weiter: „Eigentlich müsste das alle Mieter von Vonovia-Objekten in Bremen betreffen, in denen eine energetische Sanierung vorgenommen und ein Teil der Kosten auf die Miete umgelegt wurde.“ Das seien Objekte der Bremischen, der früheren BBG sowie Gagfah. Laut Weiß können die betroffenen Vonovia-Mieter dagegen vorgehen und die erhöhte Miete auf dem Gerichtsweg zurückverlangen. Was den Rückzahlungsanspruch angeht: Verjährt sind überzahlte Mieten bis 2016. Aber überzahlte Mieten auch von früheren Mieterhöhungen können ab Datum 1. Januar 2017 zurückverlangt werden.
Es kann also in Bremen diejenigen Vonovia-Mieter betreffen, bei denen die Wohngebäude energetisch modernisiert wurden. Anwalt Weiß spricht hier von durchaus 2000 Mietern, die ähnlich davon betroffen sein könnten, aber bisher nicht geklagt haben. In einem konkreten Fall, über den der WESER-KURIER berichtet hatte, führte die Umlage der elf Prozent dazu, dass die bisherige Kaltmiete um 40 Prozent steigen sollte. Die Mieter konnten aber in den Begründungen, die ihnen vom Wohnungskonzern zugestellt wurden, nicht die einzelnen Gewerke ausreichend nachvollziehen. Ihre Sorge dabei war, dass Kosten für herkömmliche Instandsetzungen auch in die Kosten für die energetische Modernisierung mit hineingerechnet wurden. Dadurch steigt am Ende die Gesamtsumme, von denen elf Prozent auf die Miete umgelegt werden konnte.
Der Geschäftsführer vom Deutschen Mieterbund, Ulrich Ropertz, begrüßte ebenso die Entscheidung des Bremer Landgerichts: „Damit ist nun das letzte Wort gesprochen.“ Er verwies ebenso auf das Problem, dass die Kosten zusätzlich nur schwer nachzuvollziehen seien, wenn sämtliche Modernisierungsarbeiten nur von Tochterfirmen der Vonovia ausgeführt werden: „Da will sich das Unternehmen nicht in seine Kalkulationen blicken lassen, zu welchen Preisen die Vonovia-Tochterfirmen die Arbeiten von Subunternehmen ausführen lässt.“
Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Falk Wagner bezeichnete auf Twitter die Entscheidung als ein vernünftiges Urteil, da Gesetze nicht ihrem Sinn nach umgekehrt werden dürften: „Unzulässige Profite machen auf Kosten derer, die sich nur selten wehren, ist zu lange ein Erfolgsprinzip gewesen. Ich hoffe, das Urteil motiviert mehr Mieterinnen und Mieter, sich zu wehren.“ Nach dem Urteil bekräftigte der Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Ralf Schumann seine Forderung nach einem Mietpreisdeckel für Bremen und Bremerhaven. Vonovia-Sprecher Matthias Wulff sagte nach dem Urteil: „Wir bedauern die Entscheidung des Bremer Landgerichts. Wir werden nun prüfen, was sie für uns bedeutet.“ Inwiefern nun also Vonovia in den ähnlich gelagerten und vor den Bremer Gerichten anhängigen Fällen den Mietern Geld zurückerstatten will, bleibt bisher offen.
+++ Dieser Artikel wurde um 21.40 Uhr aktualisiert. +++
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