
Meer riecht man. Vor allem das Salzwasser. Wer den Geruch kennt, erkennt ihn auch mit verbundenen Augen. Schnuppert man an den würfelförmigen Flaschen, die Familie Vowinkel aus Nordenham überall in ihrer Wohnung verteilt hat, könnte man auf die Idee kommen, sie hätten Nordsee-Wasser abgefüllt. Die Assoziation ist gewollt, doch in den Flaschen ist kein Meerwasser, sondern Gin. Der beste Deutschlands.
Norgin heißt ihr Produkt, mit dem sie gerade die Gin-Szene aufmischen. Bei den renommierten World Gin Awards werden in London etwa 6000 verschiedene Sorten in zehn Kategorien getestet. Norgin siegte als bester London Dry Gin Deutschlands. Für die Wahl zum weltbesten London Dry ist er noch im Rennen. Durchgesetzt haben sich die Nordenhamer gegen größere Marken, wie Elephant oder Kurt Hansen Dry. Eine rasante Entwicklung, denn kaufen kann man das Getränk erst seit einem Jahr. „Natürlich haben wir uns nicht angemeldet, um zu verlieren. Aber mit der Auszeichnung haben wir trotzdem nicht gerechnet“, sagt Dirk Vowinkel.
Angefangen hat alles mit Familienhund Piotr. Beim Gassigehen am Strand fiel dem Ehepaar die Pflanze Queller auf, die unter anderem im Wattenmeer wächst. Mehrere hundertmal wird sie im Jahr von der Nordsee überspült. Das sorgt für den salzigen Geschmack des Gewächses, das wegen seiner Form auch Meeresspargel genannt wird. „Damit müsste man eigentlich mal einen Gin machen“, dachten sie sich. Bloß, wie man diesen herstellt, wussten sie nicht.
Das änderte sich auf einem Gin-Seminar in Österreich, das Birthe Vowinkel ihrem Mann zum Geburtstag schenkte. Vorausschauend hatten sie gleich ein wenig Queller mit in die Alpenrepublik genommen und vor Ort den ersten Norgin produziert. „Wenn ihr den nicht an den Markt bringt, mache ich es“, hatte der Brennmeister damals gesagt. Noch in Österreich kauften sie sich deshalb eine Destillieranlage und entschieden auf der Rückfahrt, sich mit dem Gin selbstständig zu machen. Zu dem Zeitpunkt gab es nur einen weiteren Gin in England, der auf das Queller-Gewächs setzte, doch Familie Vowinkel hatte Vertrauen in das eigene Produkt.
Monatelang experimentierten sie an Deutschlands erstem Queller-Gin, verfeinerten dabei das Grundrezept aus Österreich. Birthe Vowinkel kündigte dafür ihren Job. Ehemann Dirk arbeitete neben seinem Beruf als Maschinenbauingenieur in Bremen. Vom Grundgerüst geblieben sind der Queller als Schlüsselextrakt und das Produktionsverfahren. Das ist beim Gin zwar einfach – reiner Alkohol wird verdünnt und destilliert. Doch es gibt zwei Varianten, um den Geschmack in den Alkohol zu bekommen. Entweder legt man Früchte und andere Geschmacksträger, Botanicals genannt, vor dem Destillieren in den Alkohol ein, wie es in der Massenproduktion häufig gemacht wird. Oder man macht es – wie die Vowinkels – und hängt ein Sieb in die sogenannte Brennblase, in der der Alkohol destilliert wird. Der Geschmack wird dann während des Verdampfens aufgenommen.
„Diese Methode ist deutlich aufwendiger und teurer. Aber nur so bekommen wir es hin, dass unser Norgin so schmeckt, wie wir uns das vorstellen“, erklärt Dirk Vowinkel. 18 verschiedene Botanicals benötigt der Norgin. Darunter Queller, der für Gin unentbehrliche Wacholder und Stern-Anis. In der Brennblase werden diese auf einer von Dirk Vowinkel eigens angefertigten Einlage in einer bestimmten Reihenfolge geschichtet. Da sie einen London Dry Gin herstellen, darf nach der Produktion nur noch Wasser zum Gin gegeben werden, damit er den richtigen Alkoholgehalt von 43 Prozent erhält. „Das ist die höchste Qualitätsstufe“, sagt Dirk Vowinkel.
Bei jeder Produktion des Norgin, die die Schwechower Obstbrennerei übernimmt, ist Birthe Vowinkel mit dabei. Es soll schließlich perfekt werden. „Wenn wir es machen, dann machen wir es richtig“, hatten sie sich bereits auf der Rückfahrt aus Österreich geschworen. Deshalb achten sie auf alle Details: beim Geschmack, beim Flaschendesign, das vier Monate lang entwickelt wurde, oder beim Logo und Internetauftritt. Dafür engagierten sie aus dem Bekanntenkreis eine Web-Desginerin.
Weil es nicht nur ein Hobby sein soll, kann man den Gin bereits europaweit bestellen, auch wenn es bisher nur Bestellungen aus Deutschland gibt. Zudem kann man Norgin in zahlreichen Geschäften im Norden, von Emden bis Hamburg, kaufen. Besonders beliebt sei er auf Sylt, was Birthe Vowinkel mit Stolz erfüllt. „Da trifft sich ja fast die ganze Welt. Wir hatten dort unsere erste Messe und haben viel positives Feedback bekommen. Das ist alles ein bisschen surreal“, sagt sie.
Ein Ende scheint aktuell nicht in Sicht. Nachdem Norgin seine Umsatzziele für das Jahr 2019 erreichen konnte, plant die Familie nun mit dem doppelten Umsatz für das angelaufene Jahr. Dabei ist das Stichwort Familie ein ganz wichtiges für das kleine Unternehmen: Bis auf Webdesignerin Kucharczyk arbeiten nur Familienmitglieder an dem Produkt: Birthe Vowinkel hauptberuflich, ihr Mann neben dem Beruf. Zudem helfen Schwager und Schwägerin auf Messen.
Der Gin ist aus dem Familienalltag nicht mehr wegzudenken: Er schmückt die Wände, ist Gesprächsthema und wird getrunken. „Wir trinken aber auch noch anderen Gin“, sagt Vowinkel. Füllen sie jedoch den eigenen Gin ins Glas, dann oft pur. „Unser Gin ist ziemlich komplex, man kann ihn eigentlich nur mit einem bestimmten Tonic mischen, sonst geht der Geschmack verloren. Wir empfehlen ihn deshalb pur und nur mit einer Stange Queller zu trinken – die Nordsee schmeckt man dann besonders deutlich heraus.“
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