
Es ist noch nicht lange her, da schwebten die Sozialdemokraten auf Wolke sieben. Auf ihrem Parteitag im März in Berlin feierten sie Martin Schulz wie einen Heilsbringer. Der wirkte sichtlich gerührt, als er mit 100 Prozent zum neuen Parteichef gewählt worden war. Der Schulz-Zug war in voller Fahrt, strotzend vor Energie.
Manche Sozialdemokraten wirkten in jenen Tagen wie berauscht. Bei den Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werde man einen flotten Dreier hinlegen und dann im September Angela Merkel aus dem Kanzleramt jagen.
Auch ein Martin Schulz kann nicht übers Wasser gehen
Doch gegenwärtig steht der Schulz-Zug auf dem Abstellgleis. Die Wahlen an der Saar und im Norden hat die SPD vergeigt, die Umfragewerte purzeln, die Popularität des Merkel-Herausforderers sinkt. Sogar bei den eigenen Anhängern verliert er an Rückhalt – gleich sieben Punkte binnen einer Woche laut des in dieser Woche veröffentlichten „Stern“-RTL-Wahltrends.
Die Genossen hatten auf die Magie des Mannes aus Würselen gehofft, nun müssen sie erkennen: Auch ein Martin Schulz kann nicht übers Wasser gehen. Kritiker sprechen bereits von einem Strohfeuer, der Schulz-Effekt sei erloschen, die SPD müsse die Alarmzeichen erkennen. Gemach.
Nach mehr als 100 Tagen kommt die Kampagne lediglich realistischer daher. Einige Erfolge bleiben: Schulz hat die SPD von der Lähmung der Gabriel-Ära befreit. Es gelang ihm, viele junge Menschen für sein Projekt zu begeistern. Die Partei zählt 16 000 neue Mitglieder.
Eine Chance liegen gelassen
Klar ist aber auch: Schulz muss endlich liefern. In den vergangenen Wochen hatte er sich bundespolitisch rar gemacht. Im nordrhein-westfälischen Hamm ging er sogar von Haustür zu Haustür, um für die Wiederwahl von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu werben – Schulz, der Kleine-Leute-Versteher.
Doch am Montag hat er wieder eine Chance liegen gelassen, auch mit Inhalten zu punkten. Vor führenden Vertretern der Berliner Industrie- und Handelskammer hielt der SPD-Spitzenkandidat eine Rede zur Wirtschaftspolitik. Klare Standpunkte, neue Ideen? Fehlanzeige!
Stattdessen Allgemeinplätze, die auch vielen Nicht-Sozialdemokraten problemlos über die Zunge kämen: Das Land brauche eine Investitionsoffensive, Deutschlands Überschuss in der Handelsbilanz sei nicht schlimm, die EU brauche eine ambitionierte Reform, und Freihandelsabkommen seien im Prinzip eine feine Sache.
Riskanter Kurs
Bislang kommen die Wahlversprechen des Parteivorsitzenden eher schlagwort-artig daher. Ob längere Zahlung des Arbeitslosengeldes bei Qualifizierung, kostenlose Kitas oder die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung – Schulz nennt keine Details, nennt keine Möglichkeiten zur Gegenfinanzierung.
Der Mann fährt einen riskanten Kurs. Es reicht eben nicht, soziale Gerechtigkeit wie eine Monstranz vor sich her zu tragen, wenn die Details von Reformen gleichzeitig unscharf bleiben. Da will der Wähler schon mehr hören – vor allem, wenn er nicht sozialdemokratisch tickt. Die nächste Chance, Akzente zu setzen, bietet sich bereits am Montag: Dann will Schulz Vorschläge zur Steuerentlastung machen.
Auch in strategischer Hinsicht könnte sich der bisherige Kurs rächen. Es bleiben nur noch vier Monate bis zur Wahl. Die SPD gewann in der Vergangenheit immer dann, wenn sie – wie unter Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder – in der Lage war, über die Stammklientel hinaus Menschen anzusprechen. Dazu braucht es aber mehr als das Gerechtigkeitsthema.
Avancen an die FDP
Auch in Sachen Koalitionsoptionen hat sich Schulz ungeschickt verhalten. Zunächst blinkte der frühere Präsident des Europaparlaments nach links. Doch nach der Abfuhr für ein rot-rot-grünes Bündnis an der Saar schielte er plötzlich in Richtung Ampelkoalition und machte ausgerechnet der FDP Avancen.
Jüngst unterstrich er die Distanz zu den Linken, ohne aber eine Koalition mit ihnen klar auszuschließen. Das klingt nun gar nicht nach klarer Richtung, von der Schulz so gerne redet. Manch ein Wähler dürfte das so sehen: Der Spitzenkandidat hängt sein Fähnchen in den Wind.
2:0 steht es für Merkels CDU im Superwahljahr. Aber das Saarland ist klein und Schleswig-Holstein per se keine SPD-Hochburg. Beide Niederlagen waren für Schulz bittere Schläge, aber nicht der K.o. Sollte die SPD aber auch die Wahl am Sonntag in Nordrhein-Westfalen verlieren, dann wäre das der Machtverlust in der Herzkammer der Sozialdemokratie. Bei einer dritten Schlappe in Folge droht der Schulz-Zug zu entgleisen.
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