
Sie stecken in Hemden und Hosen, Socken und T-Shirts. Aber nicht nur in Kleidung, auch in Flugzeugen oder Raketen kommen sie zum Einsatz. Aus ihnen werden Karosserien von Traktoren hergestellt oder die Saiten von Geigen und Gitarren. Sie kommen in der Natur vor, pflanzlich wie tierisch, es gibt sie aber auch in künstlicher Form, synthetisch hergestellt. Die Rede ist von Fasern.
Fasern zu prüfen, zu erforschen und aus ihnen einen Wertstoff zu machen – das ist Aufgabe des Faserinstituts Bremen (Fibre). Seit 50 Jahren erforscht die Einrichtung die Faser, aus der so viele Dinge bestehen. „Der Markt der klassischen Textilproduktion verschob sich über die Jahre mehr und mehr nach Asien. Fibre stellte sich neuen Herausforderungen“, sagt Axel Herrmann, Institutsleiter seit 2001. Um neue Materialien unter anderem für die Luft- und Raumfahrt zu erfinden, sind ein Teil der 55 Mitarbeiter erst kürzlich in das Ecomat gezogen. Es ist das nächste Kapitel einer Geschichte, die ihren Ursprung – wie so oft in Bremen – im Hafen hat.
Im 19. Jahrhundert wanderten viele Europäer nach Amerika aus. Die Schiffe hatten auf der Rückfahrt freien Lagerraum, der mit Baumwolle gefüllt wurde. Mit der Zeit wurde Bremen dadurch zu einem der wichtigsten Importhäfen für Baumwolle in Europa. Händler, Makler und Importeure schlossen sich 1872 zusammen und gründeten die Bremer Baumwollbörse. Seitdem unterstützt und reguliert die Börse den nationalen und internationalen Handel mit den Naturfasern.
Die Verarbeitung der Baumwolle entwickelte sich mit der Zeit weiter, die Anforderungen an die Qualität des Rohstoffs stiegen. In den 1930er- und 1940er-Jahren wurden die ersten Prüfverfahren entwickelt, um etwa Feinheit und Festigkeit der Fasern zu ermitteln. Diese Messwerte wurden als Verkaufskriterium immer wichtiger. Um Schritt zu halten, gründete die Bremer Baumwollbörse ein Labor zur Prüfung der Baumwolle.
Das Baumwolllabor stellte fest: Trotz moderner Prüfverfahren wichen die Ergebnisse der Prüfung in unterschiedlichen Einrichtungen voneinander ab. Um das zu vermeiden, arbeitete es an der Standardisierung der Prüfverfahren und entwickelte den Bremer Rundtest. Die Ergebnisse der einzelnen Forschungseinrichtungen wurden untereinander verglichen und harmonisiert. Die Geburtsstunde des Instituts schlug wenige Jahre später bei der Versammlung zur Gründung des gemeinnützigen Vereins am 23. Juni 1969. In den folgenden Jahrzehnten etablierte sich der Rundtest als internationales Prüfverfahren, an dem heute etwa 160 Labore aus 40 Ländern der Welt teilnehmen.
Bei der Prüfung von Naturfasern ist es aber nicht geblieben. „Nur wer bereit ist, sich stetig zu wandeln, kann überleben“, sagt Herrmann, bei einem Festakt in der Leichtbauschmiede Ecomat. Die Forschung beschäftigt sich heute mit dem gesamten Vorgang der Naturfaserproduktion: vom Anbau bis zur technischen Verarbeitung. Heute spielen am Institut aber auch ganz andere Stoffe eine Rolle: Die Forscher und Ingenieure entwickeln heute unter anderem künstliche Fasern und Materialien für den technischen Einsatz, optimieren Produktionsprozesse durch Computersimulationen und entwerfen neue Materialien, die im Leichtbau zum Einsatz kommen.
Ein Beispiel ist die Entwicklung von sogenannten Faserverbundwerkstoffen: Hinter dem sperrigen Wort stecken neue Materialien, die durch die Verbindung von Fasern mit einem Träger entstehen – etwa Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff. „Die Kohlenstofffaser an sich ist zwar fest, aber biegsam und formbar“, erklärt Axel Drieling, Vorstand beim Fibre. Um ein Bauteil zu schaffen, wird zwischen die Fasern ein flüssiger Kunststoff gegeben. Dieser füllt die Lücken zwischen den Fasern, härtet aus und gibt dem Bauteil seine Form. Dadurch ist das Teil stabil, aber auch leicht. Zum Einsatz kommt es dann etwa in der Hülle von Flugzeugen. Die Bauteile seien zwar teurer als herkömmliche, bei Flugzeugen zahle sich das allerdings aus: „Wenn ein Flugzeug ein Kilogramm weniger wiegt, dann spart es während des gesamten Lebenszyklus 16 000 Liter Kerosin.“
In der Landwirtschaft spielt der Leichtbau auch eine Rolle: Beim Bau von Maschinen können technische Fasern und moderne Fertigungsprozesse das Problem der Bodenverdichtung verringern. Denn: Traktoren sind mit der Zeit immer größer und so auch schwerer geworden. Dadurch wird Acker zusammengepresst, wodurch das Wasser nicht mehr versickern kann.
Trotz des neuen Standortes Ecomat und der Erforschung des Leichtbaus für die Industrie bleibt das Faserinstitut mit der Universität verbunden. Im Bereich der Produktionstechnik bildet es hier zukünftige Forscher und Ingenieure aus. Einige Mitarbeiter des Instituts haben schon am Fibre ihren Doktor gemacht.
Forschungs- und Entwicklungszentrum
Das Ecomat ist ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für Leichtbau. Im April wurde es eröffnet, hier sollen zukünftig 500 Mitarbeiter aus Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam leichte und stabile Materialien erforschen. Im Ecomat sind unter anderem die Firmen Airbus, die Ariane-Gruppe, Aviaspace, das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum und Forschungsinstitute im Bereich der Werkstoff- und Materialforschung angesiedelt. Dazu gehört auch das Faserinstitut Bremen (Fibre), das schon Standorte an der Universität oder in Stade hat und ursprünglich aus dem Baumwollhandel hervorgegangen ist.
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