
Er hat es in Bremen bis nach ganz oben geschafft, dann ist er tief gefallen: Stephan-Andreas Kaulvers, einst gefeierter Banker, musste im vergangenen Jahr seinen Vorstandsposten bei der Bremer Landesbank (BLB) räumen. Beim Oldenburger Energieversorger EWE war für den 61-Jährigen am Mittwoch Schluss als Aufsichtsratschef.
Doch einen letzten prestigeträchtigen Posten hat Kaulvers behalten: An diesem Donnerstag wird er im Congress Centrum Bremen wieder auf dem Podium sitzen und als Aufsichtsratsvorsitzender der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft AG (BLG) die Hauptversammlung des Logistikers leiten.
Es ist ein Amt, das Kaulvers schon seit Jahren bekleidet. Zum BLG-Aufsichtsrat wurde er 2006 bestellt, nur ein paar Monate, nachdem er den Vorstandsvorsitz der Bremer Landesbank übernommen hatte. Bis zum vergangenen Jahr, als die BLB den Besitzer wechselte, war es die Regel, dass ein Vertreter der Landesbank im Aufsichtsrat des Logistikers saß.
Sechs Jahre später folgte Kaulvers schließlich als Chefaufseher auf den ehemaligen Wirtschaftssenator und Ex-Beck‘s-Chef Josef Hattig (CDU). Als Aufsichtsratsvorsitzender wird, so ist es Brauch, eine Unternehmerpersönlichkeit aus Bremen bestimmt. Seit diesem Moment läuft Kaulvers bei der BLG damit also nicht mehr ausschließlich über das Ticket Bremer Landesbank.
Kaulvers soll Compliance vorantreiben
Im Finanzbericht des Logistikers heißt es, der Aufsichtsrat berate über Fragen der Konzernstrategie sowie der Geschäftstätigkeit der BLG-Gruppe und ihrer Geschäftsbereiche. Kaulvers soll in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender, so heißt es aus informierten Kreisen, das Thema Compliance vorantreiben, also dafür sorgen, dass Richtlinien innerhalb des Firmengeflechts entworfen und vor allem eingehalten werden. Als Banker haftete Kaulvers der Ruf an, konservativ, aber auch unbestechlich zu sein.
Kaulvers‘ Strategie für die BLB ist allerdings nicht aufgegangen: Nachdem das Institut wegen fauler Schiffskredite in Schieflage geraten war und schließlich komplett von der niedersächsischen NordLB übernommen wurde, erklärte der Banker im vergangenen Herbst seinen Rücktritt als deren Vorstandsvorsitzender.
Auswirkungen auf seine Aufsichtsratstätigkeiten hatte das zunächst nicht. Beim Energieversorger EWE sitzt Kaulvers seit 2004 im Aufsichtsrat, vor fünf Jahren übernahm er dessen Vorsitz. Doch Ruhe ist in das Unternehmen nicht eingekehrt: Aktuell beschäftigen sich die Staatsanwaltschaften in Osnabrück und Oldenburg mit Korruptions- und Ausspähvorwürfen sowie mit einer Spendenaffäre, die die EWE belasten.
Drei von fünf Vorstandsposten bei der EWE nicht besetzt
Immer neue Anschuldigungen wurden in den vergangenen Monaten publik, von ursprünglich fünf Vorstandsposten beim Energieversorger sind derzeit drei nicht besetzt darunter auch der des Vorstandschefs.
Wie im Januar bekannt wurde, sollte es für Stephan-Andreas Kaulvers bei der EWE nicht mehr weitergehen. Damals teilte der Ems-Weser-Elbe-Versorgungs- und Entsorgungsverband mit, dass der heute 61-Jährige und sein Stellvertreter ihre Mandate an diesem Dienstag abgeben sollten. Der Verband, dem 17 Landkreise und vier Städte angehören, hält 84 Prozent der EWE-Anteile und darf damit über einen Teil der Aufsichtsratsmandate bestimmen.
Eine konkrete Begründung, warum Kaulvers seinen Posten ein Jahr vor Ablauf des Mandats aufgeben muss, blieb der Verband zwar schuldig. Was er aber öffentlich machte, war, dass der gebürtige Berliner mit dem Rücktritt dem Wunsch der Anteilseigner nachgekommen sei, dieses Amt neu zu besetzen.
Auch in Bremen gab es nach Kaulvers‘ Ende bei der BLB Getuschel. Einige einflussreiche Wirtschaftsvertreter fragten sich, warum Kaulvers, der im vergangenen Jahr eine Vergütung von 40 000 Euro für den Aufsichtsratsvorsitz bei der BLG bekommen hat, den Chefaufseherposten bei dem Logistiker behalten darf. Allerdings traute sich keiner von ihnen, das auch öffentlich zu sagen.
Über die Zukunft von BLG-Aufsichtsratschef Kaulvers entscheidet in erster Linie die Freie Hansestadt Bremen als Hauptanteilseignerin. Anlässlich des Ausscheidens bei der BLB habe er dem Senat angeboten, das Mandat beim Logistiker niederzulegen, sagt Kaulvers. Aber der Senat habe ihn gebeten, bis zum Ablauf der Wahlperiode im Amt zu bleiben. „Ich laufe keiner Aufgabe davon“, sagt der 61-Jährige. Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) wollte sich zum Thema nicht äußern.
Rückhalt für den früheren BLB-Chef gibt es von den Sozialdemokraten. „Wir haben gehört, dass Herr Kaulvers die Projekte bei der BLG erfolgreich vorantreibt und ein hohes Maß an Zustimmung genießt“, sagt Arno Gottschalk. Der SPD-Politiker ist Vorsitzender des Controlling-Ausschusses der Bremischen Bürgerschaft. Der Ausschuss hat unter anderem die Aufgabe, die bremischen Eigenbetriebe zu überwachen, dazu zählen die BLG und bis zum vergangenen Jahr auch die Bremer Landesbank.
Den kritischen Stimmen erteilt Gottschalk eine Absage: „Ja, ich habe auch mitbekommen, dass es die gibt“, sagt er. „Aber eine genaue Begründung, was Herr Kaulvers bei der BLG bisher falsch gemacht haben könnte, hat mir bislang noch niemand gegeben.“
Scharfe Kritik aus der Opposition
Auch Klaus-Rainer Rupp, finanzpolitischer Sprecher bei den Linken, meint, dass es möglicherweise gar nicht so schlecht sei, wenn Kaulvers Vorsitzender bleibt. „Er ist jemand, der eine Idee vertreten und in strategischen Unternehmensentscheidungen denken kann“, sagt Rupp. Er begründet seine Einschätzung unter anderem mit den Erkenntnissen über die Entscheidungsprozesse bei der BLB, die er durch den Controlling-Ausschuss habe gewinnen können.
Doch Kaulvers hat nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik Widersacher, die ihn nicht mehr in der Rolle des BLG-Aufsichtsratschefs sehen wollen. Kaulvers habe gemeinsam mit der Ex-BLB-Aufsichtsratsvorsitzenden Karoline Linnert den Niedergang der Bank zu verantworten, sagt Jens Eckhoff, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Während in Bremen mehrere Hundert Arbeitsplätze abgebaut werden, wurde Herr Kaulvers ehrenhaft nach Hause geschickt.“ Die Anteilseigner bei der EWE hätten begriffen, dass es so nicht weitergehen könne und reagiert. „Nur bei der BLG soll er bleiben“, kritisiert Eckhoff.
Jens Eckhoff: Finanzsenatorin betrieb Vetternwirtschaft
In diesem Zusammenhang wirft er der Finanzsenatorin „Vetternwirtschaftschaft“ vor. Mit Qualifikation für das Amt des Aufsichtsratschefs habe das nichts zu tun“, sagt er. Auch FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner spricht von der „Chaoscombo“ Kaulvers/Linnert. Weil diese seit Jahren in verschiedenen Gremien zusammenarbeiteten, seien kaum neue Impulse für ein Unternehmen wie die BLG zu erwarten.
Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel hält dagegen und sagt, dass Kaulvers wegen seiner Kompetenz, aber auch für den damals noch strategisch wichtigen Anteilseigner Bremer Landesbank zum BLG-Aufsichtsratschef gewählt wurde. „Abgesehen von der persönlichen Entscheidung, das Mandat niederlegen zu wollen, müssen vor allem die Anteilseigner innerhalb ihrer Organe begründet entscheiden, ob sie unter den veränderten Bedingungen am Aufsichtsratsvorsitzenden festhalten“, sagt er.
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