
Sven Riekers weiß kaum noch wohin mit dem ganzen Holz. Der Geschäftsführer von BLG Cargo Logistics ist Herr über den Neustädter Hafen. Und in diesem Jahr läuft das Geschäft hier rund. „Unsere Flächen sind fast voll“, sagt Riekers. Wenn er aus seinem Büro schaut, hat er einen Großteil des Hafengeländes im Blick. Und tatsächlich: Überall sind Rohre, Anlagenteile oder Schnittholz zu sehen.
Allein beim Holz erwartet Riekers, dass im November bis zu 60.000 Kubikmeter im Neustädter Hafen umgeschlagen werden. Im vergangenen Jahr waren es im selben Monat höchstens 3000. „Wir kommen aus einer Zeit, in der wir überlegt haben, was wir mit den Flächen machen. Nun geht es darum, den Platz zu optimieren und einzuteilen.“
Es mag irrsinnig klingen, dass der Hafen nun wieder brummt. Denn im März sah es noch ganz anders aus. Weil die BLG dort 2016 kein positives Ergebnis erwirtschaften konnte, schaltete sich die Politik ein. Die SPD-Fraktion schlug vor, den Hafen in Richtung Gewerbegebiet weiterzuentwickeln.
Die Vision: Gewerbe am seeschifftiefen Hafen. Ein Dialog sollte gestartet werden. Auch, weil die Regierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hatte, dass sie sich mit dem gut 1,1 Millionen Quadratmeter großen Gebiet auf der linken Weserseite auseinandersetzen will. Die Grünen und die Sozialdemokraten waren darüber übereingekommen, dass noch in dieser Legislaturperiode mit den „Vorarbeiten für eine Planung“ begonnen werden soll. Eine Formulierung, die sich im Kapitel Hafen, aber auch im Kapitel Wohnungsbau wiederfindet.
Doch gehandelt haben andere: Anfang November stellten die Christdemokraten Thomas Röwekamp und Jens Eckhoff ihre Vision für den Neustädter Hafen vor. Und das mit einem großen Knall: Sie planen bis 2035 mit einem Stadtteil, in den bis zu 15 000 Menschen ziehen könnten. Wohnen statt Hafenbetrieb also. Röwekamp und Eckhoff begründeten ihre Idee auch damit, dass die Umschlagzahlen im Neustädter Hafen deutlich zurückgegangen sind.
Dieses Jahr ein Plus im Neustädter Hafen
Keine Frage, auf Umschlagzahlen wie zu Beginn des neuen Jahrtausends, als die noch bei deutlich über zwei Millionen Tonnen lagen, kommt der Neustädter Hafen heute nicht mehr. Aber allein zwischen Januar und September lag der wasserseitige Umschlag bei 1,02 Millionen Tonnen. Und bis Jahresende dürften es wieder bis zu 1,4 Millionen Tonnen werden, schätzt Riekers.
Das wären 300.000 Tonnen oder über 20 Prozent mehr als noch 2016. Zudem hat der Hafenbetreiber in den ersten zehn Monaten mehr als 600 Schiffe abgefertigt. Zum Vergleich: In schlechten Zeiten waren es im Gesamtjahr etwas mehr als 500. Und, Riekers und seine Kollegen haben gezählt, im Oktober durchliefen 3600 Waggons das Areal, über die Schiene kommt bis zu 70 Prozent der Ladung.
Unterm Strich steht damit schon jetzt fest: Die BLG wird in diesem Jahr im Neustädter Hafen ein Plus erwirtschaften. Ohnehin überwogen die Gewinne nach Angaben des Logistikers in den vergangenen 15 Jahren: Zehn Mal schwarze und fünf Mal rote Zahlen seien geschrieben worden. Auch wenn der Umschlag in einem Hafen da ist, heißt das nicht automatisch, dass Gewinne erzielt werden. Denn auch der Betrieb des Hafens kostet Geld.
Die Flächen und Schuppen müssen instand gehalten, die Gleisanlagen und die Technik gewartet und Mitarbeiter bezahlt werden. Dagegengerechnet werden die Umsätze aus den Geschäften, die die BLG Cargo Logistics im Hafen erwirtschaftet. Das Geschäft lässt sich durch den Hafenbetreiber indes nur schwer beeinflussen. Denn in dem stadtbremischen Hafen wird vor allem mit Projektladung Geld verdient. Dieses Geschäft unterliegt Schwankungen und ist eng mit den weltwirtschaftlichen Entwicklungen verbunden.
Mehr Arbeit durch Wirtschaft in den USA
Und die hat sich spätestens im Mai wieder zugunsten des Neustädter Hafens gedreht, erzählt Riekers. Der Ölpreis ist stabil, der Dollar-Kurs günstig und die US-Konjunktur hat angezogen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Weil die Wirtschaft in den USA gut läuft, haben wieder mehr Menschen Arbeit. Weil mehr Amerikaner in Lohn und Brot stehen, ziehen auch die Immobilienkäufe an.
Und für Häuser wird Schnittholz benötigt, jede Menge Schnittholz. „Im April haben wir noch über eine Flexibilisierung der Arbeit bei uns im Hafen verhandelt und einen Monat später hatten wir plötzlich Zuwächse von bis zu 50 Prozent“, sagt der Geschäftsführer von BLG Cargo Logistics, der im Hafen gut 130 Mitarbeiter beschäftigt.
Hinzu kommen die Kollegen vom Gesamthafenbetriebsverein. Mit den Zuwächsen haben sich die zuvor geführten Gespräche von heute auf morgen erledigt. Mittlerweile kommt es laut Riekers teilweise sogar vor, das Schiffe nicht so schnell abgefertigt werden können, wie die Kunden sich das wünschen würden. Es fehlt schlicht das Personal. „Alle haben gut zu tun und wir können nur langsam nachsteuern.“
Riekers: "Ein Glücksgriff"
Doch es geht eben auch anders herum: Nach der Lehman-Pleite brach der Holzumschlag im Hafen ein. Und als Saudi-Arabien Mitte 2013 seine Ölförderung erhöhte, fiel der Ölpreis, weniger Pipelines und Anlagenteile wurden gebraucht. Auch das traf den Neustädter Hafen. 2016 sei das bislang schwerste Jahr gewesen, sagt Riekers.
Wie sich das Geschäft im Neustädter Hafen verändert, zeigt der Blick aus seinem Büro. Vor drei Jahren war es vor allem Stahl, der von hier aus zu sehen war. Dann kamen die Pipeline-Projekte und jetzt sind es Holz und schwere Teile, die, wenn sie zusammengesetzt sind, den Turm einer Onshore-Anlage ergeben.
Gut zwei Jahre ist es her, dass der Neustädter Hafen in das Geschäft mit Windkraftanlagen eingestiegen ist. Rückblickend sagt Riekers: „Ein Glücksgriff. Das hat uns nach vorn gebracht.“ Doch diese vielen unterschiedlichen Ladungen zeigen auch, dass es gar nicht so einfach ist, den Umschlag im Neustädter Hafen zu messen.
BLG lehnt CDU-Pläne ab
Denn es gibt großvolumige Teile, die weniger wiegen, und kleinere, schwere Teile. „Man muss immer hinter die Tonnen schauen“, sagt Riekers. Er weiß aber auch: Irgendwie muss sich das Geschäft im Hafen beziffern lassen. Vor allem, weil die Politik genau hinschaut, was die BLG tut. Denn die Stadt ist Hauptanteilseignerin an dem Logistiker.
Die Pläne, die die CDU Anfang November vorgestellt hat, lehnt die BLG entschieden ab. „Mit uns wurde nicht über diese Idee gesprochen“, sagt Riekers. Immer wieder bekomme er zu hören, dass ja ein Teil der Fläche mit Leergut belegt sei. „Wir sprechen hier von drei Prozent des gesamten Areals.“ Weil der Neustädter Hafen nicht einfach so besucht werden könne, hätten viele Bremer keine Vorstellung, was dort alles passiere.
Ein Zwischending geht nicht
Wer mit dem Fahrrad in Richtung Lankenauer Höft radelt, der sieht nun einmal vor allem aufgestapelte Kisten. „Aber viele industrielle Handelsbeziehungen führen über den Neustädter Hafen“, sagt Riekers. Würde das Areal nicht mehr als Hafen genutzt, gingen der Hansestadt, da ist er sich sicher, nicht nur Arbeitsplätze, sondern ginge auch Ladung verloren.
Und ein Zwischending, das geht aus seiner Sicht nicht: „Wohnen und Hafen sind nur schwer miteinander vereinbar.“ Für den Hafenchef drängt sich daher eine Frage auf: Will Bremen ein Universalhafen bleiben – oder eben nicht? Eine Frage, die am Ende die Politik beantworten muss. Spätestens dann, wenn die übernächste Landesregierung über eine Vertragsverlängerung mit der Hafenbetreiberin BLG verhandelt.
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