
Während der Wohnraum in deutschen Großstädten wie Bremen knapp ist, wird im ländlichen Raum gebaut und gebaut. Teilweise entstehen dort so viele Eigenheime, dass der Bedarf mehr als erfüllt ist. Das ist ein Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Demnach sind in den deutschen Landkreisen zwischen 2011 und 2015 etwa ein Fünftel mehr Wohnungen entstanden, als aufgrund der demografischen Entwicklung hätten gebaut werden müssen. Die Folge: Es gibt Dörfer, in denen die Zentren veröden, schon gebaute Häuser leer stehen und die Immobilienpreise deswegen sinken.
Wegen der schrumpfenden Bevölkerung und leer stehender Häuser brauche es vielerorts kaum neue Wohnungen, schreiben die IW-Autoren. Gebaut werde trotzdem. In Ballungszentren wie Bremen allerdings zu wenig. In der Hansestadt sind demnach zwischen 2011 und 2015 knapp 1000 Wohnungen weniger gebaut worden, als der vom IW berechnete Bedarf. Die Studienautoren beziehen sich bei ihren Berechnungen auf die Bevölkerungsentwicklung und Faktoren wie bereits bestehende Leerstände. In Bremen fehlte es demnach vor allem an Drei-Zimmer-Wohnungen.
Bau weit über dem Bedarf im Landkreis Wesermarsch
Zum Vergleich: Im Landkreis Wesermarsch wurde der Studie zufolge im gleichen Zeitraum weit über Bedarf gebaut. Dort seien fast doppelt so viele Wohnungen und Häuser entstanden, als eigentlich erforderlich gewesen wären. Besonders groß ist der Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage im niedersächsischen Kreis Emsland. Dort sind mehr als 1060 Wohnungen mehr gebaut worden, als tatsächlich benötigt. Der Wohnungsbedarf ist dort also mehr als gedeckt. Er liegt laut Studie bei 206 Prozent, während in Bremen lediglich 54 Prozent der eigentlich benötigten Wohnungen fertiggestellt wurden. Berlin mit 40 Prozent und Hamburg mit 59 Prozent weisen ähnlich niedrige Werte auf.
Bremens Bauressortsprecher Jens Tittmann kann sich die Werte für die Hansestadt nur mit dem Beobachtungszeitraum der Studie erklären. „2014 und insbesondere 2015 sind die Jahre, in denen wir in Bremen den größten Flüchtlingszuzug hatten“, sagt er. Für das vergangene Jahr und auch das erste Halbjahr 2017 falle das Ergebnis anders aus. Er macht das daran fest, dass nun Projekte, die in der Vergangenheit auf den Weg gebracht wurden, greifen. Seit 2013 gibt es drei Wohnraumförderprogramme, das vierte ist laut Tittmann „momentan noch in der Planung“. Hinzu kommt das 2015 vom Senat beschlossene „Sofortprogramm Wohnungsbau“. Dieses sieht vor, bis Jahresende zusätzlich 2500 Wohneinheiten zu schaffen.
Bremer Speckgürtel ist nachgefragt
Dass diese Programme nun greifen, das lässt sich nach Angaben des Bauressortsprechers unter anderem an der gestiegenen Zahl der Baugenehmigungen ablesen: Deren Wert habe sich innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelt, von 800 auf durchschnittlich 2000 im Jahr. „Damit steigt nun auch die Zahl der fertigen Wohnungen“, sagt Tittmann. Die Baufertigstellungen in Bremen stiegen demnach von durchschnittlich jährlich 1300 in den vergangenen Jahren auf 1618 im Jahr 2016.
Thorsten Stiewe reichen diese Bemühungen längst nicht. Der Makler, der ein Büro in Lilienthal leitet, empfindet die Wohnbausituation in Bremen als „ganz schlimm“. „Die Stadt hinkt beim Wohnungsbau total hinterher“, sagt er. Gefragt seien daher die direkt angrenzenden Gemeinden. „Im Bremer Speckgürtel wie Lilienthal, Brinkum oder Kirchweyhe stehen keine Wohnungen frei“, sagt der 51-Jährige.
Lilienthal gehört zum Landkreis Osterholz-Scharmbeck. Im gesamten Landkreis ist laut der Studie der Wohnungsbau zu 106 Prozent gedeckt, auch hier wurde also über Bedarf gebaut. In welchen Regionen mehr Bedarf an Wohnungen besteht oder wo etliche Häuser frei stehen, könne man nicht pauschalisieren, sagt Stiewe.
Unterschiede kann es aber schon zwischen zwei benachbarten Ortschaften geben: etwa zwischen Lilienthal und Grasberg. Während Lilienthal aufgrund seiner Nähe zu Bremen einen „Sonderstatus“ einnehme, könne sich die Vermittlung von Häusern und Wohnungen in Grasberg schon schwieriger gestalten, sagt Stiewe. „Von dort ist der Weg in die Stadtmitte einfach länger.“
Neubauten im Trend
Eine Faustregel, die offenbar auch für andere Ortschaften gilt: Je weiter weg von der Stadt, desto schwieriger wird das Vermitteln von Wohnungen und Immobilien. Stiewe nennt als Beispiele Gnarrenburg oder Selsingen im Landkreis Rotenburg (Wümme). „Das sind Orte, von denen viele noch nie gehört haben. Da können in der Tat noch einige Häuser leer stehen“, sagt er.
In der Stadt oder auf dem Land: Neubauten liegen laut Stiewe im Trend. „Der Vorteil für die Verbraucher ist: Dort müssen sie so gut wie nichts mehr machen.“ Viele zahlten lieber ein bisschen mehr für eine Immobilie, statt eine alte zu sanieren.
Die IW-Autoren halten diesen Trend für problematisch. Kommunen mit ausuferndem Neubau empfiehlt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft daher, keine neuen Baugebiete auszuweisen. Das stößt bei Stiewe auf Kritik. „Das treibt die Preise doch noch mehr in die Höhe.“ Bauressortsprecher Tittmann schließt sich dieser Kritik an. „Die Studie hat schon etwas sehr kurzsichtige Schlussfolgerungen“, sagt er. „Keine neuen Baugebiete auf dem Land auszuweisen, würde den Druck auf die Städte noch einmal massiv erhöhen.“
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