
Wenn sie mit ihren Kunden im Ausland telefonieren will, dann steigt sie manchmal ins Auto und fährt die 30 Kilometer nach Bremen. Zuhause funktioniert das nämlich nicht. Britta Wellmann wohnt und arbeitet in Schwarme, einem 2500-Einwohner-Dorf im Landkreis Diepholz. Für Videotelefonate hat sie sich ein Büro in Bremen gemietet, um von den schnellen Internetzugängen der Hansestadt zu profitieren.
Deutschland als Entwicklungsland – zumindest, was den Ausbau von Glasfaseranschlüssen angeht. Bereits seit Jahren fordern Experten und versprechen Politiker den flächendeckenden Breitbandausbau. Bislang ist davon aber insbesondere auf dem Land nur sehr wenig zu spüren. Selbst in Bremen gibt es Teile, an denen die Internetversorgung ähnlich schlecht ist wie auf dem Land. Doch nicht nur für die eigenen vier Wände ist in Zeiten von Streamingportalen und anderen Internetdiensten schnelles Internet enorm wichtig geworden. Auch Unternehmen brauchen gute Leitungen.
Für Christian Bebek von der Industrie- und Handelskammer Hannover sind daher schnelle Anschlüsse Pflicht. "Die Grenzen, die wir momentan haben, halten uns zurück", sagt er. Im Hinblick auf die Digitalisierung der Industrie, der Ausbildung von Fachkräften oder der Fernwartung von Maschinen müssten die Internetleitungen deutlich schneller werden.
Das kann Britta Wellmann bestätigen. "Wir sind hier schon ein wenig gebeutelt", sagt die Geschäftsführerin von Cheyenne-It-Consulting. Schwarme ist nahezu ein weißer Fleck auf der Breitbandkarte. Können Bewohner in einer Stadt wie Bremen mittlerweile Downloadgeschwindigkeiten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde erreichen, sind das abseits solcher Zentren nur Traumvorstellungen – auch für Britta Wellmann.
Laut ihres Internetvertrags soll sie 16 Megabit pro Sekunde bekommen, sie erreicht aber nur zehn bis zwölf. "Eine kleine Differenz ist ja nicht schlimm, aber es nervt schon ein wenig", sagt sie mit Blick auf ihr Ingenieurbüro, das auch Software entwickelt. "Das Internet ist extrem wichtig, weil wir unsere Programme auch darüber betreuen", sagt Wellmann, die seit zwölf Jahren in Schwarme wohnt. Dazu gehört auch, abends die Server zu beobachten oder eine Datei hochzuladen. "Das kann schon mal bis zu einer halben Stunde dauern", sagt die Schwarmerin.
Doch sie kann aufatmen. Denn bereits zum Jahresende sollen auch die schnellen Internet-Anschlüsse in das beschauliche 2500-Einwohner-Dorf kommen. Dann sind auf dem Land Geschwindigkeiten von bis zu 50 Megabit pro Sekunde möglich. "Man scharrt schon ein wenig mit den Hufen. Vor allem, weil man weiß, wie der Stand der Technik ist", sagt die Schwarmerin, die zum Ende des Jahres nahezu fünfmal schneller im Internet unterwegs sein wird. Einziger Nachteil: Sie musste ihren Vertrag bei ihrem Anbieter kündigen und zu einem anderen wechseln.
"Die Probleme gibt es, seitdem das Internet existiert"
Der Grund, weswegen der Ausbau abseits der Stadt so lange dauert, ist schnell gefunden: das Geld. "Das Teure ist, dass das Glasfaserkabel in die Erde muss. Das lohnt sich für das Unternehmen oft nicht", sagt Mathias Radowski, Sprecher des Oldenburger Telekommunikationunternehmens EWE. Der Tiefbau rentiere sich schneller in der Stadt als auf dem Land, weil etwa mit einem Kilometer Glasfaser nicht zehn Haushalte versorgt würden, sondern gleich 1000.
Diese Entwicklung ist keine der vergangenen Jahre, sagt auch Christian Bebek. "Diese Probleme gibt es, seitdem das Internet existiert." Nur die Dynamik habe sich geändert, da die "Tendenz zu schnellem Internet nach oben geht". Schließlich entscheiden sich Unternehmen nicht für einen Standort mit langsamen Internetleitungen. Auch deshalb dürfe die Infrastruktur seiner Meinung nach künftig ausschließlich aus Glasfaserkabeln und nicht aus langsameren Alternativen bestehen, da Deutschland im internationalen Vergleich dahingehend schon weit abgeschlagen ist. Lediglich zwei Prozent aller Anschlüsse sind Glasfaseranschlüsse.
EWE: Ziel ist zunächst eine Million Haushalte mit schnellem Internet
Bereits seit Jahren arbeite man mit Zwischenlösungen wie VDSL, sagt Radowski. Das bedeutet: Das Glasfaserkabel wird bis zu einem Verteilerkasten an der Straße gelegt und die Verbindung zum Haushalt verläuft dann über das bereits unter der Erde liegende Kupferkabel. Theoretisch sind damit bis zu 100 Megabit pro Sekunde möglich, wobei meist 50 Megabit wirklich ankommen. Das hängt mit dem Kupferkabel zusammen, denn je nach Länge und Qualität variieren die Geschwindigkeiten.
Doch auch das soll sich laut Radowski in Zukunft ändern: "Wir wollen möglichst eine Million Haushalte direkt mit schnellem Internet versorgen." Das Glasfaserkabel wird beim Kunden direkt ins Haus gelegt, dann könnten sogar Downloadgeschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde erreicht werden.
Für weniger besiedelte Orte liegen derartige Geschwindigkeiten noch in weiter Ferne. Der Ausbau lohne sich für die Unternehmen wie die EWE einfach nicht. "Das Geld bekommen wir nie wieder rein", sagt Radowski. Um aber trotzdem an einen schnellen Internetzugang zu gelangen, gibt es den sogenannten geförderten Breitbandausbau – eine Unterstützung mit öffentlichen Mitteln, damit die Versorgungslücke möglichst schmal bleibt. "Die Politik tut da gerade viel", versichert Radowski. So will die schwarz-rote Landesregierung in Niedersachsen bis 2022 unter anderem für den Glasfaserausbau eine Milliarde Euro investieren.
Solch eine Zahl lässt Radowski nicht jubeln, denn eine höhere Fördersumme lasse den Glasfaserausbau nicht unbedingt schneller voranschreiten – sie mache ihn eher teurer. Stichwort: Fachkräftemangel. Es gebe nicht so viele Tiefbauunternehmen und wegen des Baubooms schnellten die Kosten für den Ausbau in die Höhe.
Der EWE-Sprecher ist allerdings zuversichtlich, dass in der näheren Zukunft mehr Haushalte mit schnellem Internet versorgt sein werden. "Die Menschen wollen einen Anschluss direkt ins Haus. Ein weiterer Vorteil ist, dass das natürlich den Wert der Immobilie steigert", sagt er. Beim Ausbau helfen zudem Leerrohre, die beispielsweise nach dem Umbau von Stromkabeln unter der Erde zurückgeblieben sind und sich für Glasfaserkabel eignen.
Dennoch sehen sowohl Radowski als auch Bebek weiterhin Probleme, besonders bei abgelegenen Standorten. "Die weißen Flecken wird es noch ein paar Jahre geben", ist sich Radowksi sicher. Bebek sieht kaum Alternativen. "Dass jeder einen Gigabit-Anschluss bekommt, ist utopisch", sagt er. Schließlich liege auch nicht jeder Bauernhof an einer Autobahn. "Der Vorteil ist aber, dass man dort günstig wohnen kann."
Doch wann wird es flächendeckendes schnelles Internet in Niedersachsen geben? Nach Einschätzung des neuen EWE-Chefs Stefan Dohler erst in rund zehn Jahren. "Beim Thema schnelles Internet ist Niedersachsen wie alle anderen Bundesländer noch weit von dem Anspruch entfernt, den man eigentlich braucht", sagte der Vorstandsvorsitzende des Oldenburger Energie- und Telekommunikationsunternehmens . "Es ist aber auch weiterhin viel zu tun und man muss in einem Zehn-Jahres-Zeitraum denken", sagte Dohler.
EWE will in den kommenden Jahren rund 1,2 Milliarden Euro in einen großflächigen Glasfaserausbau investieren. "Damit können wir einen großen Schritt Richtung flächendeckende Gigabit-Internetversorgung machen", sagte der 51-Jährige, der seit Januar an der Spitze des Konzerns mit rund 9000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht.
mit dpa
Noch nicht registriert? Jetzt kostenlos registrieren »