
Seitens der Mercedes-Pressestelle wird am Dienstag so getan, als ob nichts wäre. Durch ihren großen Medienverteiler lässt sie lediglich verlauten, wie denn Engagement des Autobauers in Sachen Frühjahrs- und Sommermode 2019 aussehen soll. Wenn allerdings in einem Jahr auf der Fashionweek in Berlin die Models über den Laufsteg stolzieren, werden womöglich zur gleichen Zeit die Mercedes-Besitzer mit ihren Modellen C 220d und GLC 220d in der Werkstatt sein, um entsprechend der Vorgaben des Kraftfahrtbundesamtes die Abgasvorrichtung ihres Pkws überholen zu lassen.
Vor dem Tor 7 des Bremer Mercedes-Werks ist es am Dienstagmittag um 13.45 Uhr der übliche Laufsteg: Während die letzten Mitarbeiter der Spätschicht schnell zu ihrem Job huschen, kommen die ersten Mitarbeiter der Frühschicht bereits vom Werksgelände und laufen zum Parkplatz zu ihren Autos. Etliche wollen sich zu dem vom Bundesverkehrsminister verordneten Rückruf nicht äußern, andere waren am Vorabend so früh zu Bett gegangen, dass sie gar nicht mitbekommen haben, dass Daimler wegen einer nicht zulässigen Abschalteinrichtung fürs Abgas insgesamt 238 000 Autos zurückrufen soll. Europaweit sind sogar 774 000 Fahrzeuge betroffen.
Einige Mercedes-Mitarbeiter möchten dann doch etwas sagen, allerdings ohne dass ihr Name in der Zeitung erscheint. Die meisten von ihnen machen deutlich, dass sie das Vorgehen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) als Aktionismus sehen. Ein jüngerer Mercedes-Mitarbeiter sagte dem WESER-KURIER: „Das ist doch von der Politik nicht in Ordnung. Hätten die das sofort nach dem VW-Skandal herausgefunden, wäre das etwas anderes. Aber jetzt plötzlich nach drei Jahren sehen die das. Der Scheuer hat doch in seiner Heimat eine Wahl zu gewinnen. Da rührt das her.“
Ähnlich sieht es ein anderer Mercedes-Mitarbeiter. Er fährt einen Diesel, aber sein Modell wäre von der geplanten Rückruf-Aktion bisher nicht betroffen. Er sagt: „Das Kraftfahrtbundesamt und Mercedes reden doch miteinander, sodass die Behörde doch alles wissen muss über die Technik. Das soll jetzt alles auf einen Schlag Teufelszeug sein? Das macht der Scheuer doch aus wahltaktischen Gründen.“ Einer seiner Mercedes-Kollegen formuliert es kurz und knapp: „Die Politik will unsere deutsche Autoindustrie kaputtmachen.“
Ein junger Mercedes-Mitarbeiter ist der Ansicht, dass Mercedes-Chef Dieter Zetsche mit dem Rückruf bei Minister Scheuer einen guten Deal herausgeholt hat: „Vorher stand ja im Raum, dass der Konzern pro Auto 5000 Euro Strafe zahlen soll.“ Ein anderer Kollege fügte allerdings hinzu: „Ich sehe das als Erpressung an. Denn wenn es den Rückruf jetzt nicht geben würde, dann wäre es zu dieser Strafe gekommen.“
Während ein weiterer Mercedes-Mitarbeiter glaubt, „alle Autohersteller haben Dreck am Stecken“, mutmaßt einer seiner Kollegen, dass es ja derzeit schwer zu sagen sei, ob nicht noch weitere Mercedes-Modelle vom Rückruf betroffen seien. Etwas differenzierter sieht es da ein junger Kollege: „Als Mercedes-Mitarbeiter ist das gut für mich, wenn dem Unternehmen möglichst wenig Strafen drohen. Aus Sicht der Autofahrer ist das natürlich Mist, weil die das Nachsehen haben. Denn ganz klar wurde da betrogen.“
Der Bremer Mercedes-Betriebsratschef Michael Peters fordert eine lückenlose Aufklärung: „Momentan ist das ja schwer nachzuvollziehen, was da alles passiert.“ Auch Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner erwartet, dass die Vorwürfe im Sinne der Verbraucher aufgeklärt werden: „Gleichzeitig sollte es nicht zu einer Vorverurteilung der deutschen Autoindustrie kommen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist.“
Schließlich seien auch durch diese Industrie ökologische Innovationen entstanden. Günthner hat nach eigenen Worten weiterhin großes Vertrauen in die deutsche Autoindustrie, er sagt aber: „Ich erwarte nun von den Konzernen und den Managern die entsprechende Aufklärung.“ Die Bremer Grünen-Fraktion fordert statt Software-Updates verpflichtende Nachrüstungen am Motor auf Kosten der Autoindustrie.
Die Zukunft der deutschen Autoindustrie und damit Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, so der verkehrspolitische Sprecher Ralph Saxe: „Mit dem amtlichen Rückruf für Mercedes-Modelle aus Bremen droht das Vertrauen in den Autokonzern vollends verloren zu gehen. Die Daimler-Konzernspitze muss endlich erkennen, dass es nur eine Antwort auf den Diesel-Skandal geben kann: Raus aus dem Verbrennungsmotor, rein in die emissionsfreien Antriebe.
Wer diesen technologischen Wandel verpennt, verliert seine Wettbewerbsfähigkeit.“ Zugleich fordert Saxe die Einführung der blauen Plakette. Und Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) solle das Gespräch mit der Konzernleitung in Sindelfingen suchen, „um unsere Sorge um die Beschäftigten und unsere Erwartungen an eine emissionsfreie Automobilität deutlich zu machen“.
Der Vorsitzende des Auto-Clubs Europa (ACE), Stefan Heimlich, kritisierte am Dienstag: „Die Verzögerungstaktik der Hersteller ist unangebracht und wird von der Politik toleriert.“ Mit einem Abgasskandal, der sich über Jahre ziehe, sei aber keinem geholfen. Er forderte: „Schluss mit Deals und Entgegenkommen!“ Den Herstellern müsse endlich eine verbindliche Frist gesetzt werden, bis wann die Fahrzeuge sauber sein müssten. Zudem seien technische Nachrüstungen bei älteren Dieseln anzuordnen. Solche Umbauten an Motoren fordert seit Monaten auch die SPD, Minister Scheuer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnen dies ab.
BMW fällt weit hinter Mercedes zurück
Der Autobauer BMW fällt beim Absatz immer weiter hinter den Erzrivalen Mercedes-Benz zurück. Wegen deutlicher Rückgänge in China und Deutschland sank der Absatz von Autos der Marke BMW im Mai um 1,8 Prozent auf 173.940 Stück, wie der Konzern am Dienstag mitteilte. In China bereiteten den Angaben zufolge die Änderungen von Einfuhrzöllen Probleme. So sank im größten Einzelmarkt des Unternehmens der Absatz deutlich. Auch in Deutschland ging die Zahl der verkauften Autos zurück. Anders als BMW konnte die Daimler-Marke Mercedes-Benz den weltweiten Absatz im Mai um 2,3 Prozent auf 198.000 Autos steigern, wie das Unternehmen vergangene Woche mitgeteilt hatte. In den ersten fünf Monaten wurden damit rund 985.000 Mercedes-Benz verkauft ‒ das waren 5,4 Prozent mehr als vor einem Jahr.
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