
Nach 60 Verhandlungstagen liegen im Betrugsprozess gegen den Bremer Ex-Reeder Niels Stolberg und drei seiner früheren Manager die Nerven blank. Das ist am Donnerstag deutlich geworden, als es in dem Mammutverfahren ein weiteres Mal nicht vorangehen wollte.
„Mir geht die Rumeierei auf den Keks“, entfuhr es der Staatsanwältin, nachdem die Verteidiger von Stolberg mit ihren Beiträgen wenig Klarheit gezeigt hatten. Gleichzeitig beteuerten auch sie, so wie vorher bereits alle anderen Prozessbeteiligten, nach fast zwei Jahren Verhandlungsdauer endlich zum Schluss kommen zu wollen. Die vier Angeklagten aus der Führungsmannschaft der Beluga-Reederei, die im Jahr 2011 in die Pleite gegangen war, müssen sich vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer 2 des Bremer Landgerichts in unterschiedlichen Anteilen wegen Kreditbetrugs, Bilanzfälschung, Untreue und Betrugs verantworten.
"Da lachen die Hühner"
Der mutmaßlich letzte Gegenstand des Streits zwischen Anklage und Verteidigung ist ein Revisionsbericht der Bremer Landesbank (BLB) zu den Vorgängen um Beluga. Bernd Groß, einer der Verteidiger von Stolberg, bezeichnete den Bericht als Witz: „Da lachen die Hühner.“ Die Qualität der Aussagen zu den Kreditgeschäften mit der Reederei sei eine Zumutung. Groß: „Ich bin sprachlos. So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Der Bericht sei fragmentarisch und benenne die zentralen Themen nur, führe sie aber nicht aus. Schlechter als der Abschlussbericht einer Pommes-Bude, giftete Groß. „Entweder sind die BLB-Prüfer unfähig oder sie halten uns für dumm.“
Stolbergs Anwälte wollen nachweisen, dass die BLB als Hausbank von Stolberg und Beluga sehr wohl gewusst habe, dass bei der Reederei das Eigenkapital für den Bau neuer Schiffe gar nicht vorhanden war. Dass also die Bank nicht zu 70 Prozent finanziert hat, wie es üblich gewesen wäre, sondern zu 100 Prozent. Stolberg hatte einen Trick angewandt, wie er selbst einräumt. Sein vermeintliches Eigenkapital ging für Leistungen einer Werft drauf, die gar nicht erbracht worden waren. Stolberg hatte an die Werft Geld überwiesen, es aber umgehend wieder zurückbekommen. Er nennt das „kreative Darstellung von Eigenkapital“ und behauptet, dass dies eine branchenübliche Praxis gewesen sei.
"Da gibt es doch keine Formblätter, oder?"
Die BLB müsste nach Vorstellung der Verteidigung mit ihrem Revisionsbericht genau auf diese Punkte eingehen. Hat sie aber offenbar nicht getan – oder jedenfalls nicht so, wie die Anwälte es erwartet hatten. Monika Schaefer, Vorsitzende Richterin der Kammer, warf die Frage auf, ob man von der Bank eine bestimmte Art von Bericht verlangen könne. „Da gibt es doch keine Formblätter, oder?“, fragte sie in Richtung der Verteidiger von Stolberg.
Am Ende herrschte Ratlosigkeit, wie nun zu verfahren ist. Die Anwälte regten an, der Bank konkrete Fragen zu übermitteln. Einen entsprechenden Antrag wollten sie zunächst aber nicht stellen. Das war der Punkt, an dem die Staatsanwältin aus der Haut fuhr. Wenn schon, dann bitte einen ausformulierten Antrag, so Silke Noltensmeier. Der soll nun kommen, am nächsten Verhandlungstag. Die Alternative wäre, Zeugen vorzuladen, jene Mitarbeiter der BLB, die den Bericht verfasst haben, und jene, die dazu befragt wurden. Davor indes scheuen alle Seiten zurück. Der Prozess, ohnehin schon bis Februar terminiert, würde sich noch weiter in die Länge ziehen.
Doch wie relevant ist es bei der Beurteilung der Vorwürfe wegen Kreditbetrugs, in welchem Maß die Bank Bescheid wusste? Da gehen die Meinungen zwischen Anklage und Verteidigung auseinander. Während die Staatsanwältin der Überzeugung ist, dass die Rolle der Bank den Vorwurf allenfalls abmildern kann, gewiss aber nicht aufheben („Sie brauchen das doch nur für die Strafzumessung“, wandte sich Noltensmeier an die Verteidigung), gehen Stolbergs Rechtsanwälte diesen einen Schritt weiter: „Wenn der BLB völlig egal war, ob Herr Stolberg bei den Kreditgeschäften Eigenkapital einbringt oder nicht, war es keine Straftat“, erklärte Bernd Groß.
Nach dem offiziellen Ende des Prozesstages, der wegen der schweren Krebserkrankung von Stolberg nicht länger als eine Stunde dauern durfte, gab es vor der Richterbank erhöhten Redebedarf. Wie weiter mit dem Verfahren? Fakt ist, dass in diesem Jahr nur noch einmal verhandelt werden kann, weil einer der Schöffen für den ganzen Monat Dezember ausfällt. Möglicherweise gibt es am kommenden Prozesstag, am 22. November, 13 Uhr, Aufschluss darüber, welchen Weg die Beteiligten finden. Stolbergs Anwälte wollen alles tun, um ihrem Mandanten das Gefängnis zu ersparen. Das Gericht hatte bereits vor Monaten erklärt, dass es für den Ex-Reeder sehr wohl eine Haftstrafe in Aussicht nimmt.
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