
Winziges Plankton inspirierte zu einem Werkzeug, das die Produktentwicklung revolutionieren soll. Der Name des Werkzeugs ist „Elise“, und man sollte ihn sich merken. Das gleichnamige Bremer Start-up hat eine Software auf den Markt gebracht, mit der sich alles Mögliche schneller, leichter, optimaler und kostengünstiger konstruieren lassen soll als bisher. Zum Vorbild nahm man sich dabei die Natur. Das Gründertrio Sebastian Möller, Daniel Siegel und Moritz Maier ist überzeugt: Das ist der Anfang einer richtig großen Geschichte. Und es gibt Vorschusslorbeeren. Dazu zählen unter anderem der Bremer Landessieg beim KfW Award Gründen 2020 sowie größtes Interesse von führenden Unternehmen der Automobil- und Luftfahrtbranche.
Alles Mögliche? Das können zum Beispiel Bauteile für Autos, Flugzeuge oder Satelliten sein, Waschmaschinen oder Staubsauger, superleichte Geräte für den Spitzensport, perfekt ergonomische Stühle, Sockel für Windkraftanlagen. Oder auch ein komplettes Fahrrad wie das Bionic Bike, dessen Prototyp im Firmensitz am Europahafen ausgestellt ist und dessen Rahmen nicht zufällig an Baumwurzeln oder Hirschgeweihe erinnert.
Das organische Design des Rads ist hier aber keine Frage des Geschmacks und der Ästhetik. Die Aluminium-Streben verjüngen und verdicken sich genau so, wie es die Belastungen verlangen. Das Bionic Bike, produziert von einem 3-D-Drucker, wurde auf diese Weise das leichteste 3-D-Faltrad der Welt, sagen seine Entwickler. Wer dazu inspiriert hat? So ressourcensparend und gleichzeitig optimal funktional baue die Natur, lautet die Antwort. Wollte man eine solch komplizierte Konstruktion mit konventionellen Verfahren herstellen – man müsste eine monatelange Entwicklungsphase einplanen, weiß Sebastian Möller. Die Software Elise benötigte dafür wenige Stunden. „Die moderne Fertigungstechnik bietet so viele Möglichkeiten, doch die Werkzeuge der Ingenieure sind nicht besser geworden“, sagt Möller. „Wir haben eine Software entwickelt, die die Entwicklungsphasen völlig neu denkt. Sie nutzt die vollkommene Freiheit der Verfahren und kann weltweit von Ingenieuren eingesetzt werden.“
Das Prinzip lautet „generative engineering“. Die Software wird mit sämtlichen relevanten Daten und Parametern für das geplante Bauteil gefüttert: Materialien, Maße, Fertigungsverfahren, aber auch Kosten und Machbarkeit. Nach diesem Regelwerk – der „technischen DNA“ – wird das Bauteil wachsen. Komplexe Algorithmen errechnen und testen sämtliche möglichen Varianten. „Man kann das vergleichen mit den Eicheln eines Eichenbaumes“, erklärt der 35-jährige Bioniker. „Obwohl ihre DNA identisch ist, wird jeder der Bäume, der aus ihnen entsteht, anders aussehen.“
Anpassungen an veränderte Bedingungen sind unkompliziert. Eine Sonderanfertigung des Bionic Bike etwa für einen größeren, schwereren Fahrer: Minutensache. „Wiederkehrende Prozesse, die Entwickler bislang manuell erledigen, werden automatisiert und somit erheblich verkürzt“, so Möller. Der Profit zeigt sich nicht nur bei Zeit-, Material- und Kosteneinsparungen, sondern es entstehen mitunter auch völlig überraschende Lösungen. Dass etwa ein Stahlträger genau so belastbar ist, wenn er aus einer filigranen Netzstruktur konstruiert ist: Elise rechnet es vor.
Elise ist die Abkürzung für „Evolutionary Light-Structure Engineering“. Das Unternehmen hat seine Wurzeln im Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI). Dort trafen die drei späteren Firmengründer aufeinander und erforschten unter anderem bei Expeditionen mit dem Forschungsschiff Polarstern die Strukturen und Wachstumsprozesse winziger Meeresbewohner. Die von Diatomea zum Beispiel, eine Kieselalge mit eigentümlicher ballonartiger Form: Ihre Hülle aus Silikat dient als Schutz vor Räubern und sorgt gleichzeitig für den überlebenswichtigen Auftrieb in Richtung Wasseroberfläche und Licht, erklärt Möller. Optimale Funktion bei minimalem Materialeinsatz: Dieser natürliche „Leichtbaugedanke“ müsste auch auf die Technik übertragbar sein, fanden die jungen Wissenschaftler. „Die Natur war uns schon lange voraus“, sagt Möller. „Die Formen standen vor unserer Nase.“
Nach siebenjähriger Grundlagenforschung begann 2010 die Anwendungsphase als sogenanntes Spin Off des AWI mit ersten Auftragsarbeiten für die Industrie. In dieser Phase entstand auch das Bionic Bike. Im August 2018 folgte der Wandel vom Dienstleister zum Softwareunternehmen: Statt ihre Produktentwicklung ans Elise-Team abzugeben, werden die Auftraggeber nun mit dem Software-Werkzeug und dem technischen Know-how beliefert. „Für die Firmen ist das auf Dauer ein riesiger Mehrwert“, sagt Möller.
Im März 2020 wurde das großzügige Loft am Europahafen mit einem inzwischen 22-köpfigen Team bezogen: Bioniker, Maschinen- und Schiffsbauer, Produktionstechnologen, Ingenieure und Programmierer, die aus acht verschiedenen Ländern rekrutiert wurden. „Wir stehen am Anfang einer industriellen Revolution“, sagt Möller. „Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass sich das Ingenieurwesen in Zukunft völlig verändern wird. Und was wir machen, ist außer Konkurrenz.“
Im Rahmen einer einjährigen Testphase für führende Firmen der Automobil- und Luftfahrtindustrie zeigte das Bremer Start-up, dass Ingenieure mit seiner Software bis zu 90 Prozent Zeitersparnis beim Produktdesign erzielen konnten. Damit erregte es die Aufmerksamkeit einer Investorengruppe, die die Weiterentwicklung und die Markteinführung mit Startkapital in Millionenhöhe vorantrieb.
Nur eines konnten die Investoren nicht verstehen: Warum das Unternehmen Elise partout nicht plant, in eine größere Metropole wie München oder Berlin umzuziehen? Keine Frage, sagt Gründer Sebastian Möller dazu. „Wir sind Hanseaten. Wir wollen hier groß werden und viele gute Leute nach Bremen holen.“
Was ist Bionik?
Das Wort Bionik ist eine Kombination der Begriffe Biologie und Technik. Dahinter verbirgt sich das Vorgehen, in der Natur Ansätze für technische Lösungen zu finden. An der Hochschule Bremen gibt es zu diesem Bereich Studiengänge und schon seit vielen Jahren ein Bionik-Innovations-Centrum. „Bionik ist nicht selten ein großer Motivator“, äußert sich die Professorin Antonia Kesel von der Hochschule Bremen auf der Homepage des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Die Aufgabe der Ingenieure sei es, mit offenen Augen Naturphänomene zu verstehen und in Alltagstechnik zu überführen. „Denn was wir weniger brauchen ist mehr vom Gleichen, und was wir mehr brauchen ist bessere Technologie.“ Kesel ist beim VDI Vorsitzende des Fachbereichs Bionik.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
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