
Zum dritten Mal in Folge sind die Passagierzahlen nach dem Rekordjahr 2014 am Bremer Airport zurückgegangen. Ist das ein Grund zur Sorge?
Ekkehart Siering: Nein. Grund zur Sorge ist das nicht. Es ist aber schon ein Zeichen, dass wir uns anstrengen müssen, den Wachstumspfad wieder zu erreichen.
Welche Erklärung gibt es für die Rückgänge?
Es waren zwar 2017 nur 1,4 Prozent weniger Passagiere im Vergleich zum Vorjahr, aber man darf auf keinen Fall die Augen davor verschließen, dass die Passagierzahlen an anderen Airports gestiegen sind. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen verstärken.
Was ist darunter zu verstehen?
Wir haben bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen initiiert, nicht erst in diesem Jahr, sondern welche, die schon langfristig geplant und zum Teil schon umgesetzt sind.
Welche sind das?
Ein Beispiel: Die völlige Umgestaltung des Abflugbereichs mit dem Namen Smart Departure. Das ist eine signifikante Aufwertung des gesamten Bereiches. Das ist ein Baustein, der dazu beiträgt, dass der Flughafen kontinuierlich modernisiert wird. Dadurch gibt es ein zusätzliches Lounge-Angebot, um damit auch verstärkt Business-Flieger anzusprechen. Auf jeden Fall benötigt man einen längeren Atem, um im Bereich Business-Flieger stärker zu werden.
Gerade im Bereich Business-Flieger gab es am Bremer Airport im vergangenen Jahr einen herben Rückschlag.
Dass die Verbindungen Brüssel und Toulouse eingestellt worden, obwohl sie unseres Erachtens gut ausgelastet waren, ist für uns extrem ärgerlich.
Wird es dafür Ersatz geben?
Der Flughafen arbeitet daran und ist hofft, dass er für diese Verbindungen wieder eine Airline gewinnen kann.
Welche Stellschrauben hat ein Flughafen, um Airlines an einen Standort zu bekommen?
Der Markt hat sich total verändert. Wir haben heute einen Markt, der von den Airlines bestimmt wird und nicht mehr von den Destinationen. Airlines geben im Grunde genommen die Rahmenbedingungen vor. Ein Beispiel: Uns ist es gelungen, dass der bisherige Bodenverkehrsdienst durch Umstrukturierung des Gesellschaftervertrags auch weiterhin – nun als Tochtergesellschaft des Flughafens - am Airport tätig ist. Wir wollten die Arbeitsverhältnisse hier am Flughafen behalten. Das bedeutete intensive Verhandlungen, insbesondere mit der Lufthansa als größtem Kunden. Am Ende hat der Airport einen langfristigen Vertag ausgehandelt, aber die Lufthansa sagt schon relativ genau, was sie sich vorstellen. Und ansonsten bringen die eben die Partner mit, mit denen die ihre wirtschaftlichen Vorstellungen realisieren können. In diesem Fall wären am Flughafen viele Arbeitsplätze verloren gegangen.
Betrifft das nicht auch wieder alle Flughäfen?
Ja, im Prinzip schon. Aber bei der zunehmenden Marktkonzentration wird es gerade für mittelgroße Flughäfen schwieriger, die eigenen Interessen durchzusetzen. Man muss deshalb insgesamt noch attraktiver werden für die Airlines.
Was bedeutet attraktiv? Gehört ein günstiger Preis auch dazu?
Nicht allein – außerdem müssen Gebühren auf jeden Fall kostendeckend gestaltet werden, das regelt das EU-Recht. Es muss zum Beispiel die Abfertigung zuverlässig funktionieren. Das hatte im vergangenen Jahr nicht immer geklappt, da wurde aber nachgebessert. Es geht auch darum, aufzuzeigen, dass Bremen ein starker Wirtschaftsstandort ist, bei dem es sich lohnt, bestimmte Destinationen anzubieten.
Was hat hauptsächlich zu den Passagierrückgängen geführt?
Was uns eindeutig schwer zu schaffen gemacht hat, ist der Türkei-Verkehr. Der kam nahezu zum Erliegen. Wir sehen jetzt allerdings, dass die Buchungen wieder anziehen. Davon sollte auch Bremen profitieren. Und da geht es nicht nur um die Touristik-Flieger. Auch Turkish Airlines hatte seine Flugverbindungen nach Istanbul auf zehn Flüge pro Woche reduziert. Die sollen allerdings im Sommerflugplan wieder auf 14 Flüge in der Woche erhöht werden. Und bei einem Flughafen in der Größenordnung Bremens wirkt sich das proportional stärker aus als bei größeren Flughäfen.
Aber von vergleichbaren Flughäfen wie Leipzig, Nürnberg und mit Abstrichen auch Hannover gibt es doch auch Türkeiverkehre – dort sind die Passagierzahlen aber gestiegen?
Hannover hat klare Vorteile im Vergleich zu Bremen. Das eine ist, es gibt dort kein Nachtflugverbot. Das andere ist, Hannover ist „Home of Tui“ – davon profitiert der Flughafen ganz besonders.
Das Nachtflugverbot in Bremen gab es aber auch schon im Rekordjahr 2014. Die Rahmenbedingungen sind ja also nicht schlechter geworden.
Das ist richtig, aber in den vergangenen Jahren hat sich auch bei der Airlines der Blick auf die Kostenseite verschärft. Und Nachflugzeiten sind die deutlich günstigeren Abflug- oder Ankunftszeiten.
Welche Pläne gibt es generell für die Zukunft?
Wir wollen auf jeden Fall auch für weitere Low-Cost-Carrier attraktiver werden. Diese Airlines sind darauf angewiesen, dass es ein sogenanntes Walk-Boarding möglich ist, also dass das Flugzeug ohne Bustransfer oder den Finger erreicht wird. An einem solchen Konzept arbeiten wir, ohne den zentralen Abflugbereich dabei zu vernachlässigen.
Also kommt Easyjet bald nach Bremen?
Ich kann nicht sagen, ob das Easyjet sein wird. Vielleicht auch andere Airlines.
Aber Easyjet wäre doch prädestiniert, nachdem die Airline ihr Engagement in Hamburg wegen der Vielzahl an Billigfliegern stark zurückgefahren haben?
Easyjet stellt sich insgesamt neu auf. Durch den Brexit sortieren sie ihre ganzen Marktbeziehungen neu. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn Easyjet käme. Aber es gibt auch noch weitere Low-Cost-Carrier.
Wie dicht muss oder kann man als Flughafen in diesem Zusammenhang dran sein? Und inwiefern ist es momentan schädlich, dass der Bremer Airport derzeit nur kommissarisch geleitet wird?
Eine Übergangslösung ist immer nur die zweitbeste Lösung – egal in welchem Unternehmen. Deshalb bemühen wir uns, schnellstmöglich eine Nachfolge zu finden. Dabei werden wir von einem externen Personaldienstleister unterstützt. Ich möchte aber deutlich machen, dass Frau Höfers (Petra Höfers ist kommissarische Flughafenchefin, Anm. d. Red.) und ihr Team in der aktuellen Situation aus meiner Sicht einen sehr guten Job machen.
Wann ist der Posten wieder besetzt?
Das hängt auch von der Auswahl der Kandidaten ab. Mein Wunschtermin ist 1. Juli oder 1. August. Wir sind aber auch jetzt handlungsfähig. Dennoch ist es wichtig, diesen Posten wieder zu besetzen, weil der Kontakt zu den verschiedenen Airlines auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Und das ist in voller Besetzung auf jeden Fall besser.
Halten Sie an dem Ziel fest, mittelfristig drei Millionen Passagiere zu bekommen?
Es ist immer gut, ehrgeizige Ziele zu haben.
Ist das ein zu ehrgeiziges Ziel?
Na ja, aufgrund der Tatsache, dass die Passagierzahlen in den vergangenen drei Jahren zurückgegangen sind, muss man jetzt zunächst wieder in Richtung Wachstum kommen. Unrealistisch ist das aber dennoch nicht, nur glaube ich, dass wir dafür einige Jahre benötigen.
Gibt es in diesem Jahr Wachstum?
Es ist schwierig, in diesem Markt Prognosen abzugeben. Es muss nur ein wichtiges Urlaubsland wegbrechen, und das war’s dann mit der Prognose. So wie es momentan aussieht, gehe ich aber davon aus, dass die Kurve in diesem Jahr wieder nach oben geht, und das sollte sich auch 2019 fortsetzen. Germania verstärkt das Engagement in Bremen – das ist schon ein guter Anfang.
Das Gespräch führte Peter Hanuschke.
Ekkehart Siering ist seit 2015 Staatsrat im Wirtschaftsressort und damit Vertreter von Senator Martin Günthner (SPD). Der Jurist, Jahrgang 1965, ist außerdem Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen GmbH.
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