Die sogenannte Konsumlaune der Bundesbürger ist weiterhin gut, berichtete im Sommer das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Sie hat nach Prognosen des Deutschen Handelsverband für einen neuen Rekordumsatz im Weihnachtsgeschäft gesorgt. Danach werden die Umsätze erstmals die 100-Milliarden-Euro-Marke überschritten haben, das entspräche einem Plus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Der Onlineversandhändler Amazon verbreitet ebenfalls Rekordzahlen: Im Dezember seien so viele Bestellungen wie nie getätigt worden. Auch der bremische Einzelhandel der Innenstadt äußert sich zufrieden über die Umsätze der vergangenen Wochen, so jedenfalls Jan-Peter Halves, Geschäftsführer der City-initiative, und Norbert Caesar, der die Kaufleute im Viertel vertritt.
Seit 1991 haben sich laut IW die Konsumausgaben von 857 Milliarden Euro auf 1677 Milliarden Euro 2018 beinahe verdoppelt, inklusive Ausgaben für Wohnung, Energie und Verkehr. Zu berücksichtigen sind dabei Entwicklungen bei Preisen und auf dem Arbeitsmarkt. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung stützt auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die Sparen nicht sonderlich attraktiv macht, die „Anschaffungsneigung“. Das Angebot für Konsumfreudige ist gigantisch. Das beginnt bei Dutzenden Konfitüre-Sorten im Supermarkt und endet beim Sortiment der Handelsriesen. Um die 229 Millionen Produkte, heißt es, bot allein Amazon 2016 deutschen Kunden an.
Die Natur des Menschen
Wie passt die anhaltende Konsumfreude mit dem Trend zu bewussterem Umgang mit Ressourcen zusammen? Es liege quasi in der Natur des Menschen, sich in der Theorie zwar kritisch mit dem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen, sich aber damit schwerzutun, dies in die Praxis umzusetzen und Bequemlichkeiten aufzugeben, sagt Kristina Klein. Sie ist Professorin für Marketing an der Uni Bremen, Direktorin des „Markstones Institute of Marketing, Branding & Technology“ und leitet dort die Arbeitsgruppe „Konsumentenverhalten“. Wer im Wohlstand und damit mit einer gewissen Konsumneigung aufgewachsen sei, dem falle es nicht leicht, sich einzuschränken.
Aus den Umsätzen des Weihnachtsgeschäfts seien überdies kaum Rückschlüsse auf das allgemeine Konsumverhalten zu ziehen, sagt Kristina Klein. „Das ist ein sehr spezieller Zeitraum.“ Grundsätzlich gebe es zweifellos eine „Entwicklung hin zu bewussterem Konsum“, die durch die Fridays-for-Future-Bewegung verstärkt worden sei. „Es wird weiter konsumiert, aber anders.“ So werde darauf geachtet, was man verschenke. Es werde mehr in Erlebnisse oder in Dinge investiert, durch die man Zeit miteinander verbringe. Dazu zählen beispielsweise Musical- oder Theaterkarten, Kurzurlaube oder Ähnliches. Bis sich der Trend zu nachhaltigerem Konsum ganz durchsetze, brauche es Zeit. „Aber man erkennt schon überall Entwicklungen in diese Richtung.“
Dazu zählt der sogenannte Ko-Konsum: „Mehr und mehr Menschen teilen oder tauschen Dinge, die man früher erst kaufen musste, bevor man sie nutzen konnte. Vor allem die Generation der 19- bis 34-Jährigen praktiziert den sogenannten Ko-Konsum, der meist per Internet organisiert wird“, so der Informationsdienst des IW. Augenfällig sei der Trend beim Carsharing.
Auch Frugalismus ist von bewusstem Verzicht gekennzeichnet: Insbesondere junge Menschen leben bewusst ausgesprochen sparsam, um Geld zu horten, sich größere Unabhängigkeit zu verschaffen oder auch früh in Rente gehen zu können. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete vor wenigen Tagen von einem jungen Mann, der pro Monat 160 Euro für Essen, Kleidung und Freizeitaktivitäten ausgebe. „Ich glaube, dass viele junge Menschen das Wort gönnen automatisch mit Konsum gleichsetzen“, zitierte die Zeitung den jungen Mann. Seine Sache sei das nicht.
Die Forderung nach Konsumverzicht
Wie weit die Gesellschaft von solchen Trends bereits durchdrungen ist, lässt sich kaum bemessen. Der Psychologe Hans-Georg Häusel wird in der „Welt“ folgendermaßen zitiert: „Die Forderung nach Konsumverzicht wirkt auf unser Gehirn wie Strafe. Strafe bewirkt eine Gegenreaktion, die zweimal stärker ist als Belohnung. Deshalb wird der Appell zum Konsumverzicht in der breiten Masse der Bevölkerung nur eine geringe Wirkung zeigen.“
Doch auch Jan-Peter Halves sieht, wie sich die Bremer Innenstadt verändert: „Erstmals liegt der Anteil der Vermietungen an Nicht-Textiliten höher an Textiliten. Das ist ein mächtiger Trend.“ Es gebe ein größeres Gastronomieangebot, mehr Optiker, mehr Schönheitsinstitute sowie beispielsweise auch Tattoo-Studios. „Die Menschen investieren quasi mehr in sich selbst statt in irgendwelche Artikel.“ Veränderungen zeigten sich auch am steigenden Anteil von Geld- oder Gutscheingeschenken. Offenbar werde bewusster gekauft und geschenkt. „Die Händler in der Innenstadt werden sich auf den veränderten Konsum einstellen“, sagt Halves, unter anderem durch Veränderungen im Sortiment, beispielsweise durch „regionalere, ökologischere und wertigere Produkte“. Das geschehe allerdings nicht von heute auf morgen.
Mit den Folgen bewussten Konsums befasst sich auch die Flugbranche, wie die „Wirtschaftswoche“ berichtet, vor allem, was die „Generation Z“ betrifft, heute unter 21-Jährige. Sie wird zwar als „konsumfreudig, ökologisch, technikverliebt“ und reiseaffin beschrieben, sei aber „stärker bereit, ihr Verhalten zu ändern. Das könnte die Branche härter treffen als andere.“ Denn gerade Reisen werde „kritischer als fast alle anderen Formen des Konsums gesehen.“
Die demografische Entwicklung trage ebenfalls zu veränderten Konsumgewohnheiten bei, ergänzt Norbert Caesar. „Alternde Menschen haben weniger Bedürfnisse. Wir müssen also damit rechnen, dass der Konsum mittelfristig nachlässt.“ Ausgenommen davon seien vermutlich technische Geräte und der Tourismus – Produkte, die dem Zeitvertreib dienen. Grundsätzlich stellt auch Caesar fest, dass „die Kunden kritischer geworden sind“. Darauf stelle sich der Handel ein. Wichtig sei es, den Kunden in der Stadt ein einladendes Ambiente anzubieten, um der abnehmenden Konsumneigung zu begegnen.