Umsonst ist der Tod, heißt es. Doch das ist nur eine Redensart, die mit der Realität nicht viel zu tun hat – nirgendwo weiß man das besser als beim Umweltbetrieb Bremen (UBB), in dessen Zuständigkeit das städtische Krematorium angesiedelt ist. Die Anlage verursacht zunehmend finanzielle Probleme für den kommunalen Eigenbetrieb. Es gibt Handlungsbedarf und auch Vorschläge aus dem politischen Raum, bei denen man eine kontroverse Debatte erwarten darf.
Das Krematorium auf dem Huckelrieder Friedhof war 2019 neu errichtet worden, 4,3 Millionen Euro netto hatte sich der UBB das Projekt kosten lassen. Doch trotz der Modernisierungsinvestition ging es mit der Zahl der Kremierungen (Leichenverbrennungen) in den vergangenen Jahren stetig bergab. Seit 2015 von rund 5500 auf nur noch rund 3900 in 2020. Wies die Anlage bisher stets ein bescheidenes Plus in ihrem Jahresabschluss aus, so droht jetzt der Absturz in die roten Zahlen.
Dafür sind im wesentlichen zwei Gründe zu nennen. Zum einen kooperieren die Bremer Bestattungsunternehmen zunehmend mit privat betriebenen Krematorien im niedersächsischen Umland, vor allem in Verden und Diepholz. Das gilt zum Beispiel für Bremens größtes Institut GE-BE-IN. Aus internen UBB-Unterlagen, die dem WESER-KURIER vorliegen, geht hervor, dass GE-BE-IN von Januar bis Oktober 2019 an das Huckelrieder Krematorium 1650 Leichen zur Verbrennung übergab. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres waren es nur noch 1228, ein Rückgang um ein Viertel. In dem UBB-Papier wird angedeutet, dass die privaten Institute aus dem Umland den Bremer Bestattern Provisionen zahlen. Über diese Prämienmodelle gebe es jedoch keine näheren Erkenntnisse.
Provisionen? Diesen Begriff hört GE-BE-IN-Geschäftsführerin Gisela Wender nicht so gern. Sie spricht lieber von „flexiblen Gebühren“, die etwa in Verden anfielen, während das Bremer Krematorium den Bestattern fixe Kostensätze pro Kremierung in Rechnung stelle. „Da habe ich dann eine andere Erlössituation“, sagt die Unternehmerin. Sie weist auch die Vorstellung zurück, dass es sich bei der zunehmenden Beauftragung niedersächsischer Krematorien um eine Retourkutsche für eine Kontroverse aus dem Jahr 2017 handeln könnte. Damals hatte eine Arbeitsgemeinschaft Bremer Bestattungsunternehmer bei der Umweltbehörde vorgefühlt, ob man sich eine mehrheitliche Übernahme des kommunalen Krematoriums durch die private Bietergemeinschaft vorstellen könne.
Gesprächsbereitschaft signalisiert
Umweltstaatsrat Ronny Meyer winkte zwar nicht ab, machte aber darauf aufmerksam, dass ein solcher Verkauf rechtlich nicht ohne Weiteres möglich sei. Denkbar sei höchstens eine europaweite Ausschreibung. Doch bei der könnten theoretisch auch andere Interessenten zum Zuge kommen. Die Arbeitsgemeinschaft drohte daraufhin ziemlich unverblümt mit dem Bau einer eigenen Anlage im niedersächsischen Umland, womit dem Huckelrieder Krematorium die wirtschaftliche Grundlage vollends entzogen wäre. Von diesen Plänen war zuletzt allerdings nichts mehr zu hören. GE-BE-IN-Chefin Wender schlägt versöhnliche Töne gegenüber der Umweltbehörde an. „Ich habe Gesprächsbereitschaft signalisiert“, sagt sie mit Blick auf die Auslastung in Huckelriede. Auch Staatsrat Meyer deutet Entgegenkommen an: „Wir haben mit dem kommunalen Krematorium ein gutes Produkt und arbeiten daran, noch konkurrenzfähiger zu sein.“
Es sind allerdings nicht nur die privaten Bestatter, deren Geschäftspolitik das Krematorium in die Verlustzone drückt. Als ärgerlich empfindet man beim UBB seit Längerem, dass auch die Bremer Gesundheitsbehörde vorzugsweise die Dienste der privaten niedersächsischen Konkurrenz in Anspruch nimmt. Dabei geht es um jene 300 bis 400 Einäscherungsfälle pro Jahr, die auf amtliche Anordnung hin vorgenommen werden – etwa wenn keine Angehörigen greifbar sind oder diese kein Geld haben, um Verbrennung und Bestattung zu bezahlen.
Der Sprecher des Gesundheitsressorts, Lukas Fuhrmann, bestätigt den Sachverhalt. „Tatsächlich hat es finanzielle Gründe, weshalb wir die benannten Leichen nicht in Bremen kremieren lassen“, so Fuhrmann. Seiner Behörde sei durchaus daran gelegen, die Verbrennungen künftig in Huckelriede durchführen zu lassen, doch dafür bedürfe es „einer Einigung, die für beide Seiten gut umsetzbar ist“, sagt Fuhrmann. Man befinde sich zu diesem Thema „im Austausch mit der Umweltbehörde“.
Aus der Politik kommt derweil ein Vorschlag, wie sich die Auslastung des städtischen Krematoriums durch ein rechtliches Instrument stabilisieren ließe. Das Stichwort lautet Anschluss- und Benutzungszwang – ein Fachbegriff aus der Ver- und Entsorgungswirtschaft. Auf bestimmten Gebieten wie Trinkwasserversorgung, Müllabfuhr oder Fernwärme können Städte und Gemeinden aus Gründen des öffentlichen Wohls die Nutzung kommunaler Anlagen vorschreiben und damit den Wettbewerb ausschalten. Aus Sicht des SPD-Haushaltspolitikers Arno Gottschalk gehört auch eine Einrichtung wie das kommunale Krematorium zur sogenannten Daseinsvorsorge. Gottschalk hält es jedenfalls nicht für vertretbar, dass sich der UBB „in Rabattschlachten begibt oder mit Provisionen arbeitet“. Es gehe auch nicht an, dass die private Konkurrenz im Umland das Bremer Krematorium in die roten Zahlen drücke. Für den Sozialdemokraten ist deshalb klar: „Für die Bestattung in Bremen sollte ein Anschluss- und Benutzungszwang für das Bremer Krematorium geprüft werden.“