Leistungsschau, das wäre keine schlechte Bezeichnung für die Hochschultage. Aber Schaufenster trifft es doch besser: Zwei Tage lang verwandelt sich die Hochschule für Künste (HFK) in für jedermann begehbare Ateliers, Werkstätten, Laboratorien und Hörräume, in denen die Studiengänge Freie Kunst, Integriertes Design, Digitale Medien und Musik ihre Arbeiten vorstellen. „Sie werden Dinge finden, die Sie nicht gesucht haben, Sie aber überraschen werden“, formuliert es das Rektorat in seinem Grußwort. Zu viel versprochen ist das nicht. Direkter noch ist die als Baustellenschild gestaltete Einladung: „Installation begehbar, Eingang um die Ecke.“ Das ließe sich auch sinnbildlich auffassen – aber tatsächlich bewegt und verändert sich vieles an der Hochschule am Speicher XI. Nicht zuletzt die Räume.
Die Metamorphose ist Programm und beginnt gleich im Foyer. Das wird künftig regelmäßig neu gestaltet – mit dem Effekt, dass dies der letzte Hochschultag sein dürfte an dem die Doppeltür zum Auditorium als „Vulva“ beschriftet ist. Dahinter hat am Sonnabend Rektor Roland Lambrette in seiner Eröffnungsrede die HFK als „vorurteilsfreien Raum für künstlerische Experimente“ gefeiert und an ihre Entstehungsgeschichte erinnert.
Die Hochschule existiere in ihrer heutigen Form seit 30 Jahren. „Damals war Bremen ein Bildungslabor“, sagt Lambrette und erinnert an Rainer Werner Faßbinder, Claus Peymann und an Peter Zadek. Dessen erster Kinofilm, „Ich bin ein Elefant, Madame“, ist zwar noch älter, spielt aber teils im ehemaligen Alten Gymnasium, dem heutigen Musik-Standort der Hochschule an der Dechanatstraße. „Es gab einen Bremer Stil. Die Zeiten sind vorbei, aber vielleicht können wir daran anknüpfen.“ Ankündigen konnte Lambrette schon einmal „eine schwimmende Ausstellung“, die auf dem Wasserweg die Verbindung zur Innenstadt herstellen werde. „Stapellauf soll noch 2019 sein.“
Den Draht zur Innenstadt, hatte jüngst die Semesterarbeit der Klasse für erweiterte Ideen von filmischen Räumen und konzeptuelle Fotografie von Rosa Barba dokumentiert, die bis in die Kunsthalle führte. Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt griff das als Festrednerin gern auf. Sie lobte die an der HFK praktizierte „Interdisziplinarität als politische Entscheidung zur Befruchtung im künstlerischen Raum“. Rektor Lambrette sagte es so: „Alles ist das Werk von vielen“ – an der Hochschule mit 940 Studierenden.
Besucher können kreativ werden
Davon und wie klug, spannend und originell die Arbeit und ihre Ergebnisse oft sind, können sich Besucher an diesem Sonntag von 11 bis 20 Uhr selbst ein Bild machen – oder im „Familien-Trickfilmprogramm Weltraumtricks“ selbst Rollen übernehmen. Oder in der Keramikwerkstatt „Tiere und Zirkuswesen“ modellieren und bemalen.
Im "Masterstudio Mode, Mensch und Gesellschaft" beispielsweise hat sich eine Gruppe Studierender unter dem Titel "Copy & Fake" mit der Überlegung beschäftigt, "wie Fakes den Designprozess beeinflussen", sagt Livia Honus. "Hersteller kopieren sich sogar selbst", hat sie festgestellt und fragte sich: "Kopieren wir selber auch?" Mit der Bearbeitung von Hemden, die ein Recyclinghof zur Verfügung gestellt hatte, liefert die Gruppe Beispiele dafür, wie es aussehen kann, wenn "das Zufällige, das Naive und das vermeintlich Fehlerhafte" in den Designprozess einfließen, "um Neues zu erschaffen".
Neues beschäftigt auch Felix Fisgus im Atelier „Interaktion und Raum“. Allerdings sind die Elektronikgeräte, die dort ausprobiert werden können, alles andere als der technisch letzte Schrei: Unter dem Labortitel „Lowtechnofuture“ wird dort mit dem Spiel „Der heiße Draht“ oder einer Klebeschild-Buchstabenprägemaschine mit Wackelaugen-Applikation eher der „Gegenentwurf zur digitalen Präzision“ zelebriert. Viele Bauteile stammen aus dem Schrott, waren mal Computerdrucker, Laufwerke oder ein Fahrradscheinwerfer. Seine „Selfie-Maschine“, die auf Knopfdruck Miniporträts ihrer Betrachter aufnimmt und sie auf eine Kassenbonrolle druckt, war dicht umringt. Am groben Raster der Grautöne stört sich niemand. „Das ist jetzt schon eher ein Stilmittel“, sagt Felix Fisgus.
Mit dem Widerspruch zu leben, ist für Modedesignstudent Marcel W. Naumann Künstleralltag: „Ich hab es nicht so mit Sommer- und Winterkollektionen, ich komme mehr vom Tätowieren.“ Unter seinen auf einem weiß gekachelten Podest ausgestellten Bronzegüssen, ist auch ein Schlagring mit der Frakturinschrift „Frieden“.
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