Wenn eine Erkrankung einen Krankenhausaufenthalt erfordert, wähnen sich Patienten erst einmal in besten Händen. Fühlen sich kranke Menschen darüber hinaus im Klinikalltag bestens versorgt, fördert auch das den Genesungsprozess. Aber manchmal läuft es nicht wie gewünscht. Man ist unzufrieden mit dem Essen oder Verhaltensweisen vom Pflegepersonal. Für solche Sorgen, Nöte und Beschwerden gibt es ehrenamtliche Patientenfürsprecher in den Krankenhäusern. Sie haben dafür ein offenes Ohr, nehmen sich Zeit für Gespräche und bieten Patienten und Angehörigen kostenlos Hilfe an.
„Wir sind auf der Seite des Patienten, unabhängig und nicht weisungsgebunden“, sagt Rainer Drognitz. „Wir nehmen seine Sorgen ernst, wiegeln nicht ab und tun etwas“, so der Patientenfürsprecher am Klinikum Bremen-Nord. Allerdings ist zu beachten: Patientenfürsprecher unterliegen der Schweigepflicht. Patienten müssen erst ihre Einwilligung erteilen, damit die Ehrenamtlichen in ihrem Sinne tätig werden und mit den entscheidenden Stellen im Krankenhaus Kontakt aufnehmen können.
Zumeist würden sich die Beschwerden auf Umgangsformen der Ärzte oder des Pflegepersonals, die Organisation, zum Beispiel lange Wartezeiten auf Untersuchungen, die Verpflegung oder Krankheitsverläufe beziehen, berichtet Sonja Schenk, Patientenfürsprecherin an der Roland-Klinik. Einmal ist ihr eine Beschwerde übers Zimmer zu Ohren gekommen, weil es keine Aussicht auf den Werdersee hatte. Als tatsächlicher Grund für die Unzufriedenheit hat sich herausgestellt: „Der Patient war einfach nur zermürbt wegen der starken Schmerzen“.
Solche Anliegen nimmt die Patientenvertreterin ebenso ernst wie Beschwerden über die medizinische oder pflegerische Behandlung. Nicht immer sei jemand zu Schaden gekommen, berichtet sie. Vielfach gebe es indes Kommunikationsfehler. Von medizinischen Fehlern Betroffene verweist sie an die Ärztekammer oder Krankenkasse. Sonja Schenk versteht sich als Vermittlerin, Moderatorin und unbürokratische Helferin.
Relativ regelmäßig erlebt sie in ihrer Sprechstunde, dass sich Patienten vor einem Eingriff an sie wenden. „Sie haben noch Fragen nach dem Aufklärungsgespräch“, berichtet Schenk. Auch nach dem Aufenthalt wird sie kontaktiert, was die Patientenfürsprecherin auf die durchschnittliche Liegedauer von drei Tagen in der Roland-Klinik zurückführt. Dann versucht sie, die offenen Fragen zu klären und die Patienten zu stärken, „weil es wichtig ist fürs Vertrauen.“
Und Vertrauen ist ein zentrales Anliegen der Patientenfürsprecher und inzwischen auch der Kliniken, die wegen dieser Rückmeldungen Abläufe optimieren können. „Der Patient fühlt sich ernst genommen und ist zufrieden“ stellt Rainer Drognitz aus seiner ehrenamtlichen Sprechstundenpraxis fest. Obgleich manches nicht mehr zu ändern und der Ist- ein anderer als der Wunschzustand sei. In Notfällen gestaltet sich der Beistand schwieriger, berichtet der Lesumer.
Von 2013 bis 2019 wurden nach seiner Auskunft 1500 Beschwerden an die Bremer Patientenfürsprecher herangetragen, wobei die Psychiatrie wegen längerer Aufenthaltszeiten ausgeklammert ist. „50 Prozent sind von Patienten, 50 Prozent von Angehörigen“, sagt Drognitz. Diese Zahl stammt aus der Statistik der Arbeitsgemeinschaft (AG) der Patientenfürsprecher in Bremen. Aktuell gehören ihr 24 Freiwillige aus 15 Kliniken an, die sich alle zwei Monate bei Treffen austauschen. Sie wurden auf Vorschlag der Klinken für vier Jahre in dieses Amt berufen und sind direkt der Gesundheitssenatorin unterstellt.
Die AG ist 2012 gegründet worden, um verbindlich zu regeln, wie die ehrenamtlichen Anwälte der Patienten in Klinikabläufe eingebunden werden müssen, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, zum Beispiel ein Raum für Sprechstunden mit abschließbarem Schrank und Zugang zu Telefon und Computer. Oder auch die einheitliche Aufwandsentschädigung. Anfangs lief es nicht mit allen Klinikleitungen einvernehmlich, blickt Rainer Drognitz zurück. Der promovierte Mediziner, der bis zu seiner Pensionierung 2011 am Klinikum Bremen-Nord praktiziert hat, ist seit 2017 Sprecher der AG. Er hat dieses Amt von der Gesundheitsökonomin Sonja Schenk übernommen.
Wie die Patientenfürsprecher ihre Aufgabe in den Kliniken ausfüllen, sei nicht einheitlich umzusetzen, berichtet Sonja Schenk. Sie bietet jetzt in der Corona-Zeit aufgrund weniger Anfragen einmal in der Woche eine Sprechstunde an, vorher waren es zwei. Rainer Drognitz handhabt es genauso. In diesen beiden Krankenhäusern liegen zudem Flyer über diese Dienstleistung zum Nulltarif aus. Das ist aber nicht in allen Bremer Kliniken der Fall. Auch nicht, dass jeder Patient bei der Aufnahme auf diese Unterstützungsmöglichkeit hingewiesen wird.
Da der Klinikalltag heutzutage so verdichtet ist, hält Sonja Schenk das bewusste Zuhören können für eine wesentliche Voraussetzung für dieses Ehrenamt. Die Patienten seien aufgewühlt und schilderten in ihrer subjektiven Sicht ein Problem, sagt sie. Aufgrund dessen seien Einfühlungsvermögen und Moderationsfähigkeit vonnöten, „um ihnen eine Spiegelfläche zu bieten, unterschiedliche Blickwinkel aufzuzeigen und sie zu befähigen, auch diese einmal einzunehmen.“ Aus ihren Sprechstunden hat die Bremerin den Eindruck gewonnen, „dass durch die Zeit, die man in der Klinik plötzlich hat, auch hochkommt, was sonst im Alltag verdrängt wird.“ Vielen bringt nach ihrer Erfahrung schon das Erzählen Erleichterung.
Durchsetzungsvermögen und Konfliktbereitschaft zählt Rainer Drognitz als hilfreiche Fähigkeiten auf. Beides bringt er aus 35-jähriger Tätigkeit am Klinikum Bremen-Nord mit, wo er zuletzt Leitender Oberarzt der Unfallchirurgie gewesen ist. Natürlich kommen ihm persönlich noch seine medizinischen Kenntnisse zugute. Solches Vorwissen bringt auch Sonja Schenk mit, die während ihres Studiums der Gesundheitswissenschaft an der Apollon Hochschule auf das Patientenfürsprecher-Amt angesprochen worden war und seit 2012 ausübt.
Das sei nicht zwingend nötig, ist Sonja Schenk überzeugt. „Es ist auch nicht notwendig, das Krankenhaus zu kennen.“ Jedoch sollte man für dieses besondere Ehrenamt bereit sein, sich in die Klinikabläufe einzuarbeiten, Patientenrechte und grundlegende Strukturen im Gesundheitswesen kennen. „Aktuell gibt es drei offene Vertreterstellen“, sagt Rainer Drognitz und spricht von einem Zeitaufwand von zwischen drei bis sechs Stunden pro Woche.
Weitere Informationen
Wer sich ehrenamtlich als Patientenfürsprecherin oder -sprecher engagieren und mehr über die Aufgaben erfahren möchte, kann sich per E-Mail an rainer.drognitz@hotmail.de und margarete-neudeck@web.de wenden.