Allein schon die Diagnose einer unheilbaren Krankheit ist für Patienten und Angehörige eine Belastung. Damit prasselt gleichzeitig eine Vielzahl von Ängsten, Sorgen, aber auch Aufgaben auf sie nieder. Der Wunsch, Todkranke bis zum Ende zu Hause zu versorgen, wird zur zusätzlichen Herausforderung. „Die meisten Menschen fühlen sich mit dieser Situation allein überfordert“, weiß Elke Ehlert. Denn nach dem Übergang von der kurativen in die palliativmedizinische Behandlung müssen sie medizinische, pflegerische und organisatorische Fragen klären. Und das Angebot ist komplex und unübersichtlich.
Als erste Palliativlotsin in Bremen bietet sie schwerkranken Tumorpatienten mit begrenzter Lebenszeit und ihren Angehörigen kostenlos Hilfe an: Sie berät, unterstützt und nimmt ihnen einen Teil ihrer Probleme und Sorgen ab. Denn die gelernte Krankenschwester und Diplompädagogin in der Fachrichtung Pflegewissenschaft hat den Durchblick im Dickicht des Versorgungsalltags. „Ich komme ins Haus“, stellt Elke Ehlert im Gegensatz zur Beratung durch die Bremer Krebshilfe heraus.
„Wer sich telefonisch meldet, den rufe ich ein, zwei Tage später zurück. Spätestens eine Woche danach gibt es ein erstes Gespräch“, versichert die Palliativlotsin, die berufsbegleitend eine Ausbildung als Psychoonkologin macht. „Ich versuche dann, mit allen gemeinsam abzuklären, wo Hilfe benötigt wird“, sagt die 58-Jährige. Für das Erstgespräch plant sie mindestens zwei Stunden Zeit ein. Nach Absprache und Bedarf folgen weitere Besuche, auch regelmäßige.
Gerade zu Anfang seien bürokratische Formalien zu klären, müssten viele Dinge erstmals beantragt werden, sagt die Palliativlotsin und nennt als Beispiele Pflegegradeinstufung, Krankengeld oder medizinische Hilfsmittel. „In pflegerischen Fragen halte ich mich raus, da sind Pflegedienste oder -stützpunkte die richtigen Ansprechpartner“, stellt sie klar. Auch medizinische Fragen kann und wird sie nicht beantworten. „Dafür ist der begleitende Hausarzt zuständig“, sagt Elke Ehlert, die um dessen Bemühen und Zeitnot weiß. Gleichwohl werde sie weder vor offensichtlichen Mängeln noch erkennbar fortschreitender Erkrankung die Augen verschließen und das thematisieren.
Für die Palliativlotsin steht der Patient im Mittelpunkt. „Ich versuche immer herauszufinden, was er aktuell für Bedarfe hat“, sagt Elke Ehlert, die auch Kontakt zum ambulanten Palliativdienst (SAPV) hält und zudem zu den Palliativ- und Sozialdiensten der Krankenhäuser. Sie kann auch weitere Hilfen vermitteln, zum Beispiel Trauerbegleiter oder in konfliktreichen Situationen eine Psychologin der Bremer Krebshilfe hinzuziehen.
In der häuslichen Umgebung und Atmosphäre erkennt Elke Ehlert aufgrund ihrer Erfahrung und Empathie eher Diskrepanzen und kann sie positiv beeinflussen. Manchmal fühle sich ein Tumorpatient total erschöpft, wolle keinem mehr zur Last fallen, nennt sie als Beispiel. Gleichzeitig seien die Kräfte und Geduld der Angehörigen durch die Betreuung rund um die Uhr aufgezehrt, dennoch bemühten sie sich, dem Schwerstkranken unter Aufbietung aller Kräfte den Wunsch zu erfüllen, zu Hause sterben zu können. Da könnte eine Haushaltshilfe sinnvoll sein, überlegt sie.
„In vielen Situationen hilft es, offen zu sein“, weiß die Palliativlotsin. Sie versteht ihre Aufgabe auch darin, alle miteinander ins Gespräch zu bringen, um letztlich eine Balance zu finden. Durch die Hausbesuche genießt sie das nötige Vertrauen, erlebt die Menschen in einem sehr persönlichen Bereich. „Das ist berührender als auf Station“, sagt Elke Ehlert, die regelmäßig Supervisionen besucht. Das Projekt Palliativlotse hat der Förderverein Palliativstation am Klinikum Links der Weser initiiert. Dessen Vorsitzender Hans-Joachim Willenbrink hat bis Ende Juni dieses Jahres die gleichnamige Station als Chefarzt geleitet und dort jahrzehntelang mit Elke Ehlert zusammengearbeitet. Sie war dort als Sozialarbeiterin tätig.
„Wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass vieles zu Hause nicht umgesetzt wird, wenn Tumorpatienten aus der Klinik entlassen werden“, berichtet der Schmerztherapeut und ist überzeugt, dass diese Aussage auf fast die Hälfte der Patienten zutrifft. Weil es laut Willenbrink kaum eine Möglichkeit gibt, einmal entlassene Patienten wieder in eine Klinik aufzunehmen, sei die Idee für das deutschlandweit einmalige Projekt Palliativlotsin gereift. Es wird vom Förderverein Palliativstation am Klinikum Links der Weser und der Helmut-und-Ruth-Märtens-Stiftung finanziert, ist im Oktober 2019 gestartet und bis September 2022 befristet. Seither hat die beim Förderverein angestellte Palliativlotsin Elke Ehlert trotz Corona-Einschränkungen seit März rund 100 Patienten und Angehörige begleitet und betreut.
Weitere Informationen
Elke Ehlert hält am Donnerstag, 22. Oktober, um 18.30 Uhr im Willehad-Saal, Domsheide 15, den Vortrag „Wer braucht eigentlich eine Palliativlotsin?“. Anmeldung erforderlich unter Telefon 43 07 65 00 oder per E-Mail an foerderverein@palliativ-bremen.de. Ein Direktkontakt ist unter den Telefonnummern 43 07 93 97 oder 01 52 / 08 96 30 50 sowie per E-Mail an palliativlotse@palliativ-bremen.de möglich.