Die Bremer Bundestagsabgeordnete Sarah Ryglewski wird künftig im Finanzressort von Bundesminister Olaf Scholz (beide SPD) arbeiten: Sie übernimmt überraschend den Posten der parlamentarischen Staatssekretärin. Das bestätigte das Berliner Büro der Abgeordneten am Mittwoch, zuvor hatte die Nachrichtenagentur Reuters darüber berichtet. Die Bremerin folgt damit auf die SPD-Politikerin Christine Lambrecht, die bereits im Juni als neue Chefin in das Bundesjustizministerium gewechselt war. Die 36-jährige Ryglewski ist nun die jüngste unter den Staatsministern und Staatssekretären.
Die Politikerin aus Bremen hat damit eine steile Karriere hingelegt: Sie war zunächst 2015 in den Bundestag nachgerückt, als sie das Mandat des damals neuen Bremer Regierungschefs Carsten Sieling (SPD) übernahm. Bei der Bundestagswahl 2017 zog sie erneut in den Bundestag ein. Vor ihrem Schritt in die Bundespolitik war sie vier Jahre Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft und Landesvorsitzende der Jusos. Die gebürtige Kölnerin ist seit 2001 SPD-Mitglied, war unter anderem stellvertretende Bremer Landesvorsitzende ihrer Partei.
Die Diplompolitologin erklärte am Mittwoch, dass sie sich über die neue Aufgabe im Bundesfinanzministerium freue: "Finanzpolitik ist ein Kernthema der SPD und ich werde neben der Steuerpolitik auch weiterhin den Fokus auf den finanziellen Verbraucherschutz und die stärkere Regulierung des Finanzmarkts legen“, sagte Ryglewski.
Mit ihrem Karrieresprung sitzt Ryglewski künftig an der Schnittstelle zwischen den politischen Organen und der nicht-politischen Beamtenschaft. In der neuen Funktion wird sie eng mit Finanzminister Scholz zusammenarbeiten. Im Gegensatz zu den verbeamteten Staatssekretären, die als Kopf der jeweiligen Bundesverwaltung gelten, sollen die parlamentarischen Staatssekretäre den Minister in der politischen Arbeit unterstützen und Kontakte zu Ausschüssen, Bundestag und Bundesrat pflegen. Auf Ryglewskis Bundestagsmandat hat das keinen Einfluss. Parlamentarische Staatssekretäre müssen Mitglieder des Bundestags sein. Mit welcher Aufgabe Ryglewski in dieser Funktion betreut wird, ist bisher nicht klar. Nach Angaben ihres Büros soll sie "Olaf Scholz bei der Erfüllung seiner Regierungsaufgaben unterstützen". So ist sie auch befugt, Scholz bei Erklärungen vor dem Bundestag, dem Bundesrat und in Kabinettssitzungen der Regierung zu vertreten.
Kritik an "schwarzer Null"
Im Juni hatte Ryglewski, die auch im Finanzausschuss des Bundestags sitzt, mit anderen SPD-Mitgliedern in Finanzfragen auf sich aufmerksam gemacht, der wohl mit Blick auf ihren neuen Posten nicht unstrittig ist: Sie gehört zu den Autoren eines Papiers, in dem insgesamt fünf Finanz- und Haushaltspolitiker der Bundestagsfraktion die Schuldenbremse und das damit verbundene Ziel der „schwarzen Null“ hinterfragten. Beides sind zentrale Ziele der Finanzpolitik ihres Parteikollegen Olaf Scholz.
In dem Text mit dem Titel "Für eine neue Wirtschafts- und Finanzpolitik zum Wohle der Vielen" argumentieren die Autoren für ein Investitionspaket bis 2020, bei dem das Ziel des ausgeglichenen Haushalts und damit der "schwarzen Null" oder die Schuldenbremse kein Hindernis sein sollen. Ryglewski hatte die Erklärung zusammen mit den SPD-Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe, Michael Schrodi, Swen Schulz und Wiebke Esdar verfasst. Der Text erschien unter anderem in der "FAZ" und der SPD-Zeitung „Vorwärts“, für den WESER-KURIER hatte Ryglewski die darin enthaltenen Thesen in einem Gastkommentar zusammengefasst.
Ryglewski gehört zum linken Flügel in der SPD, sie sitzt auch im Vorstand der Parlamentarischen Linken. Als Bundestagsabgeordnete hat sie sich vor allem für soziale Gerechtigkeit und Verbraucherrechte eingesetzt. Seit einem Jahr ist sie verbraucherpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion. Die 36-Jährige hat sich auch frühzeitig für eine Willkommenskultur gegenüber Migranten und Flüchtlingen positioniert.
Der letzte Staatssekretär aus Bremen im Dienst der Bundesregierung war Uwe Beckmeyer (SPD). Sigmar Gabriel holte seinen Parteifreund 2013 in das Bundeswirtschaftsministerium, wo er bis 2018 blieb. Beckmeyer hat sich vor allem für die Küstenländer stark gemacht, besonders der deutschen Seeschifffahrt und der Förderung maritimer Technologien galt sein Augenmerk.
Vor Beckmeyer vertrat Bremens langjähriger CDU-Landeschef Bernd Neumann die Interessen des kleinsten Bundeslandes auf der Regierungsebene. Er war insgesamt 15 Jahre lang das Bremer Gesicht in Bonn und später in Berlin, zunächst von 1991 bis 1998 als parlamentarischer Staatssekretär in der Regierung von Helmut Kohl (CDU) und von 2005 bis 2013 Staatsminister für Kultur und Medien. Neumann holte zum Beispiel für das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven und für die Bremer Kunsthalle millionenschwere Fördergelder heraus.
Ryglewski ist nun künftig für Bremen quasi "das Ohr an der Regierung“. Das zu haben, ist besonders für ein kleines Bundesland wichtig, um frühzeitig über etwaige Finanzentwicklungen, Projekte und Gesetzesplanungen informiert zu sein. Bei der Vergabe der Staatssekretärsämter im März 2018 war Bremen leer ausgegangen – und damit das einzige aus der Reihe der alten Bundesländer, das nicht in der Regierung vertreten war. Der neue Spitzenposten für Ryglewski schließt nun diese Lücke.
+++Dieser Text wurde um 19.43 Uhr aktualisiert+++
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