Umfrage zur Verkehrswende Bremer wünschen sich weniger Autos in der Stadt

Die meisten Bremer und Bremerinnen wollen eine Verkehrspolitik, die sich vom Auto abwendet – gleichzeitig nutzen sie es im Alltag weiterhin deutlich öfter als den ÖPNV. Das zeigt eine aktuelle Umfrage.
06.07.2022, 11:51 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Bremer wünschen sich weniger Autos in der Stadt
Von Felix Wendler

Die meisten Bremerinnen und Bremer wünschen sich eine Stadt, in der weniger Autos unterwegs sind. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Hamburger Umfrageinstitut GMS für die Bremer Verkehrsinitiative "Einfach Einsteigen" durchgeführt hat. Im Juni wurden demnach 1004 Bremer und Bremerinnen ab 16 Jahren zu verschiedenen Verkehrsthemen befragt. Etwa drei von vier Befragten sprachen sich dabei für eine Stärkung des Fuß-, Rad- und Nahverkehrs aus – bei gleichzeitiger Reduktion des Autoverkehrs. Dass Bremen mehr für den Autoverkehr machen müsse, befürwortet jeder fünfte Einwohner. 

Bremer nutzen im Alltag weiterhin das Auto

Gleichzeitig wird deutlich, dass das Auto im Alltag vieler Menschen weiterhin eine große Rolle spielt: Fast jeder Dritte gab an, Wege zur Arbeit, zum Einkaufen oder in der Freizeit überwiegend mit dem Auto zurückzulegen. An erster Stelle im Verkehrsmittelvergleich steht das Fahrrad – 36 Prozent der Befragten bewegen sich hauptsächlich damit durch die Stadt. Der ÖPNV schneidet mit 15 Prozent vergleichsweise schlecht ab. Etwa die Hälfte aller Bremer Autofahrer könnte sich einen Umstieg auf andere Verkehrsmittel vorstellen, wenn Fußwege, Radwege und der ÖPNV ausgebaut werden.

Der Faktor Bequemlichkeit sei bei der Autonutzung sicherlich nicht abzustreiten, sagt "Einfach-Einsteigen"-Sprecher Wolfgang Geißler. Mehr Einfluss habe allerdings die Infrastruktur, die seit Jahrzehnten darauf ausgerichtet sei, das Auto zu verwenden. Das betreffe vor allem Pendler, aber auch innerhalb der Stadt sei der ÖPNV nur in den zentralen Bereichen konkurrenzfähig. In abgelegeneren Stadtteilen sei die Anbindung gerade zu Randzeiten oft schlecht. Außerdem fehlten Querverbindungen, sagt Geißler, der auch die Zustände der Fahrrad- und Fußwege bemängelt.

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Das Verhältnis zum Auto ist offenbar auch vom Alter abhängig: Der Aussage "Die Stadtverwaltung sollte für weniger Autos sorgen" stimmten rund zwei Drittel der 16- bis 34-Jährigen zu. In den Altersgruppen über 45 Jahre sprach sich weniger als die Hälfte der Befragten dafür aus. Ob die jüngeren Studienteilnehmer tatsächlich seltener das Auto nutzen, geht aus den Ergebnissen nicht hervor.

Parken bleibt kontroverses Thema

Dass das aufgesetzte Parken auf Fußwegen reduziert werden soll, befürworten ungefähr drei von vier Bremern. Dieses Thema hat in Bremen auch politisch einen hohen Stellenwert: Im Februar hatte das Verwaltungsgericht die Verkehrsbehörde im Grundsatz dazu verpflichtet, gegen das aufgesetzte Parken auf Gehwegen einzuschreiten. Keine deutlichen Mehrheiten sind der Studie zufolge bei anderen strittigen Fragen erkennbar. Mehr Parkplätze ausschließlich Anwohnern zur Verfügung zu stellen, bewertet jeder zweite Befragte positiv. Die Umwandlung von kostenfreien in kostenpflichtige Parkplätze stößt ebenfalls auf ein geteiltes Echo – die Hälfte ist dafür, die andere dagegen.

Auch beim Thema Parken sind die Wünsche nicht zuletzt vom Alter der Befragten abhängig. Grundsätzlich mehr Parkplätze fordert rund ein Drittel der 16- bis 34-Jährigen – bei den über 45-Jährigen ist es fast jeder Zweite. Eine weitere Aufschlüsselung zeigt, dass Besserverdiener eher den Wunsch nach mehr Parkraum hegen als Geringverdiener.

Ticketloser ÖPNV findet Anklang

Der Verein "Einfach Einsteigen" setzt sich bereits seit einigen Jahren für einen ticketlosen ÖPNV ein. Die Initiative schlägt vor, den Nahverkehr über eine feste Umlage zu finanzieren, die von Einwohnern, Pendlern und Firmen gezahlt werden soll. Auch zu diesem Konzept wurden die Teilnehmer der Erhebung befragt. Zwei von drei Bremern und Bremerinnen finden das Konzept gut – genauso viele wären der Studie zufolge bereit, "monatlich 20 Euro für einen deutlich ausgebauten Nahverkehr ohne weitere Kosten zu zahlen". Im Vergleich zum Jahr 2019, als die Initiative eine erste Umfrage in Auftrag gegeben hatte, ist die Zustimmung zum ticketlosen ÖPNV gestiegen.

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"Die Menschen in Bremen wünschen sich eine Verkehrswende. Sie sind offensichtlich auch bereit, Kosten oder Einschränkungen beim Autoverkehr zu tragen, wenn sie dafür bessere Rad- und Gehwege sowie einen besseren Nahverkehr bekommen", sagt Geißler.

Wenig Vertrauen in die Politik

Wer kann diese Verkehrswende am besten umsetzen? Diese Frage ist auch mit Blick auf die Bürgerschaftswahlen im kommenden Jahr relevant, bei der verkehrspolitische Themen eine große Rolle spielen dürften – 86 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die Bereiche Verkehr und Mobilität wichtig seien. Die Studienersteller fragten außerdem: "Welcher Partei trauen Sie am meisten zu, eine Verkehrspolitik in Ihrem Sinne zu machen?" Rund ein Drittel der Bremer und Bremerinnen gab an, dies keiner Partei zuzutrauen – der größte Einzelwert. Auf den weiteren Plätzen folgen die Grünen (23 Prozent), die SPD (17 Prozent) und die CDU (13 Prozent). 

87 Prozent derjenigen, die sich für eine schnelle Verkehrswende aussprechen, sehen Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) in der Verantwortung. Er soll die Koalitionsparteien, die sich in Verkehrsfragen oft uneinig sind, zu einer Einigung bewegen. Geißler selbst fordert, dass Bovenschulte eine "konstruktive Lösung" forcieren müsse.

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