Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) will sich für die Zukunft neu aufstellen und plant unter anderem Angebote, die vom üblichen Fahrplan abweichen und stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden eingehen. In diesem Jahr soll es dazu ein Pilotprojekt mit Sammeltaxis geben, kündigt BSAG-Vorstandssprecher Hajo Müller im Interview mit dem WESER-KURIER an. Müller will von seinem Unternehmen außerdem künftig auch Güter transportieren lassen. Bei der Personenbeförderung schließt er aus, dass sich der Preis für das Einzelticket weiter erhöht, wie das in den vergangenen Jahren regelmäßig geschehen ist. Der Preis sei ausgereizt. Klare Worte auch zur Tarifstruktur im ÖPNV, sie sei viel zu kompliziert: „Das ist eine Katastrophe für die Kunden.“
Mobilität auf Anforderung sei das Stichwort, so der BSAG-Chef zum Sammeltaxi-Projekt. In Kooperation mit Dienstleistern wie Door-2-Door oder Clever-Shuttle solle ein System aufgebaut werden. „Unser Partner stellt für die Testphase sein Konzept und die Software zur Verfügung, im Zweifel auch die Fahrzeuge. Wir erledigen die Vermarktung und den Betrieb.“
Ausbaupläne von Linie 8 und 1 gestoppt
Die BSAG steht in den nächsten Jahren vor enormen Herausforderungen. Von den 119 Straßenbahnen des Unternehmens werden bis zum Jahr 2022 nach und nach 77 Bahnen durch neue Fahrzeuge ersetzt. Das kostet mitsamt der Investitionen für die Infrastruktur 263 Millionen Euro, zwei Drittel davon trägt die Stadt Bremen. Mehr oder weniger gleichzeitig soll im Tausch mit Elektrofahrzeugen ein Viertel der 219 Dieselbusse aussortiert werden. „Die Umstellung der Busse klappt nur mithilfe des Bundes. Das können wir Bremen nicht auch noch zumuten“, erklärt Müller.
Der ÖPNV-Anbieter hat einen Umsatz von 170 Millionen Euro und bekommt von Bremen zurzeit einen Zuschuss von 50 Millionen Euro im Jahr. Eigentlich sollte dieser Betrag bis zum Jahr 2020 auf 40 Millionen Euro sinken. Doch dieses Ziel wird angesichts der finanziellen Lasten in den nächsten 25 Jahren, wenn das Unternehmen allein für die Anschaffung der Straßenbahnen fünf Millionen Euro pro Jahr stemmen muss, klar verfehlt. „Das ist nicht mehr realistisch“, sagt Müller. Es gebe deshalb mit Bremen Verhandlungen über einen neuen Vertrag, der ab dem Jahr 2019 gelten soll.
Gestoppt sind die Ausbaupläne für die Straßenbahnlinien 1 und 8 über Huchting hinaus in die niedersächsischen Nachbargemeinden Stuhr und Weyhe. Vorgesehen war, beide Linien gemeinsam zu entwickeln, doch das ist vorerst nicht möglich, nachdem das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entschieden hatte, dass die Fortführung der Linie 8 falsch geplant wurde. Das Gesamtprojekt ist mit 100 Millionen Euro veranschlagt. Im September hatte es der Bremer Senat mit einem Sperrvermerk versehen. Die BSAG gibt die Hoffnung trotzdem nicht auf. Müller kann sich vorstellen, zunächst mit der Linie 1 anzufangen.
Umstellung auf andere Gruppen
Die BSAG versteht sich als Dienstleister für Bremen und Niedersachsen. Das zeigt sich mit der geplanten Anbindung von Stuhr und Weyhe, genauso aber auch mit dem Ausbau der Linie 4 nach Lilienthal, der vor dreieinhalb Jahren vollendet wurde. Ziel ist unter anderem, die Berufspendler vom Auto in die Bahn zu holen. Nach Zahlen der Bremer Arbeitnehmerkammer fahren mehr als 80 Prozent der rund 110.000 Pendler mit dem eigenen Auto.
Die Attraktivität des ÖPNV steigern will die BSAG nicht allein mit einem erweiterten Streckennetz. Mehr und mehr wolle sich sein Unternehmen, sagt Müller, mit den geplanten Sammeltaxis auch auf eine andere Gruppe einstellen – solche Kunden, die selbst bestimmen möchten, zu welcher Zeit sie losfahren und ankommen. Sie unterscheiden sich von den klassischen Pendlern, die etwa 70 Prozent der BSAG-Kunden ausmachen und die Müller so umschreibt: „Hier und da mal ein bisschen auf Bus oder Bahn zu warten, gehört für sie zum Alltag.“
Eine andere Form des Carsharings betreibt in Bremen das Unternehmen Cambio. Und es hat Erfolg damit. Nach jetzt veröffentlichten Zahlen ist das Geschäft im vergangenen Jahr um 15 Prozent gewachsen. 14 100 Kunden leihen sich bei Bedarf eines der insgesamt 310 Fahrzeuge aus, darunter seit März auch vier Elektroautos. „Es geht kontinuierlich nach oben“, erklärt Jutta Kirsch, Prokuristin bei Cambio, dem WESER-KURIER. Ihr Unternehmen unterhält mittlerweile 88 Stellflächen für die Autos, 84 in der Stadt Bremen, zwei in Bremen-Nord und zwei in Bremerhaven.