
Keine 100 Tage sind es mehr bis zur Bremer Bürgerschaftswahl am 26. Mai. Während sich die Parteien für den Wahlkampf erst noch warmlaufen, hat das kleine Team von Landeswahlleiter Andreas Cors jede Menge Arbeit. „Schon seit Beginn des Jahres hat für uns die heiße Phase begonnen“, sagt Cors. Eine Herkulesaufgabe. Schließlich kann der Wähler gleich vierfach seine Stimme abgeben: für Beirat, Bürgerschaft, Europa und den Volksentscheid Galopprennbahn. 1000 Dinge gilt es vorab zu organisieren – bis hin zum Toilettenpapier für die vielen Wahlhelfer. Folgend der „Fahrplan“ des Landeswahlleiters.
Vorspiel: Bereits vor rund einem Jahr hat für Cors und seine Leute die Arbeit begonnen. Frühzeitig kümmert sich das Wahlamt um die Wahllokale. Allein für die Stadtgemeinde Bremen gibt es 348 Wahlbezirke an 150 Standorten mit je mindestens drei Wahlkabinen. Je näher die Wahlbezirke am Stadtrand liegen, desto schwieriger wird es, geeignete Lokalitäten zu finden. Die Wahllokale sollen gut erreichbar, barrierefrei und natürlich groß genug sein. „Da müssen wir manchmal richtig kreativ sein“, sagt Evelyn Temme, die Leiterin der Geschäftsstelle des Landeswahlleiters, mit Blick etwa auf Borgfeld oder Blockland.
Ganz wichtig: Frühzeitig muss zusätzliches Personal rekrutiert werden. Rund 80 befristete Mitarbeiter und 40 Auszubildende aus verschiedenen Behörden ergänzen das Team des Landeswahlleiters, das organisatorisch im Statistischen Landesamt eingebunden ist – eine bundesweit einmalige Lösung. Noch wesentlich aufwendiger ist die Suche nach ehrenamtlichen Wahlhelfern. Allein für die Stadtgemeinde Bremen werden gegenwärtig rund 3800 Wahlhelfer gesucht.
Momentan werden auch die sogenannten Beteiligungsanzeigen bearbeitet. Elf kleine Parteien haben die Zulassung für die Bürgerschaftswahl beantragt. Cors muss nun die eingereichten Unterlagen prüfen. Zum Beispiel muss es Belege für das öffentliche Auftreten einer Gruppierung geben, auch deren Ernsthaftigkeit wird unter die Lupe genommen. Für Temme und Cors ist in diesem Zusammenhang eine Feststellung ganz wichtig: „Wir prüfen wahlrechtlich, nicht inhaltlich.“
März: Am 8. März entscheidet der Landeswahlausschuss unter Leitung von Cors, welche Parteien zur Wahl antreten dürfen. Die zugelassenen Gruppierungen müssen dann, wie übrigens auch die in der Bürgerschaft vertretenen Parteien, bis zum 18. März ihre Kandidatenlisten einreichen. Zudem müssen von jeder Kleinstpartei rund 500 sogenannte Unterstützungsunterschriften vorgelegt werden. Die können eine echte Hürde sein. Am 29. März wird dann im Wahlbereichsausschuss für die Bremer Stadtgemeinde über die Zulässigkeit der Unterschriften und der Kandidaten entschieden. Erst dann kann eine Partei sicher sein, am 26. Mai tatsächlich antreten zu dürfen.
Parallel dazu läuft der Aufbau des Auszählzentrums: Die Stimmzettel für die Wahl von Bürgerschaft und Beiräten werden im alten Postamt am Hauptbahnhof zentral ausgezählt. Rund 75 Arbeitstische, 150 Computer sowie Drucker und Telefone müssen für die 500 Helfer organisiert werden. Auch Akustiker gehen ans Werk, um den Geräuschpegel in der fabrikartigen Halle so gering wie möglich zu halten. Man glaubt es ihm, wenn Cors sagt: „Das ist eine riesige Maschinerie, die in der Wahlnacht funktionieren muss.“
April: Erst jetzt kommen die Wähler ins Spiel. Spätestens am 14. April muss das Wählerverzeichnis stehen. Dann bekommt jeder Wähler eine schriftliche Benachrichtigung nebst Stimmzetteln zugesandt. Das ist ein enormer Aufwand: In Bremen gibt es mehr als 400 000 Wahlberechtigte. Jeder Wähler kann ab Mitte des Monats beim Wahlamt die Briefwahl beantragen. Und die wird immer beliebter: Bei der Bundestagswahl 2017 hat jeder fünfte Bremer davon Gebrauch gemacht.
Mai: Die Klärung technischer Details, nicht zugestellte Wahlunterlagen, Menschen mit Krankheit oder Behinderung, die für den Wahlvorgang eine Hilfsperson brauchen, werden für viel Arbeit sorgen. Pannen sollen im Vorfeld verhindert werden. Man erinnert sich an 2015: Bei der Bürgerschaftswahl 2015 hatte die erste Hochrechnung auf sich warten lassen – der Strom war ausgefallen.
Nach dem Vorbereitungs-Marathon ist es am 26. Mai endlich soweit: Um 8 Uhr öffnen die Wahllokale. Im Auszählzentrum wird ab 14 Uhr die Arbeit aufgenommen. Wenn dann um 18 Uhr die Wahllokale schließen geht es im Alten Postamt so richtig rund: Die Briefwahl wird ausgezählt, während die Wahlurnen noch per Lastwagen oder Sprintern zur Auszählzentrale transportiert werden. „Die Leute sind erstaunt, was da für eine Dynamik im Spiel ist“, schildert Cors den Wahlabend.
Gegen 22 Uhr soll die erste Hochrechnung für die Bürgerschaftswahl vorliegen. Warum so spät? „Die Frage ist verständlich“, sagt Cors. Seine Erklärung: In Bremen habe der Wähler fünf Stimmen, da dauere die Auszählung nun einmal wesentlich länger als etwa bei der Abgabe von ein oder zwei Stimmen. Der Landeswahlleiter hält eine schnellere Auszählung angesichts von beschränkter Infrastruktur und Personallage für wenig realistisch.
So wird sich die Auszählung über Tage hinziehen. Das vorläufige Endergebnis der Bürgerschaftswahl wird erst für Mittwoch erwartet. Anschließend wird der Volksentscheid ausgezählt. Schlusslicht bilden die Beiratswahlen, die am Freitag oder Sonnabend ausgezählt sein werden.