
Bremen ist inzwischen das einzige Bundesland, in dem die SPD aus allen Wahlen seit dem Zweiten Weltkrieg als stärkste Kraft hervorgegangen ist. Das, was die Freie Hansestadt heute darstellt, haben die Senatspräsidenten, von Wilhelm Kaisen über Hans Koschnick und Henning Scherf bis zu Carsten Sieling wesentlich geprägt. Die neue Umfrage des WESER-KURIER zeigt, dass auch diese Bastion der bundesweit kriselnden SPD fallen könnte.
Der ermittelte Vorsprung der CDU beträgt nur einen Prozentpunkt, das liegt im Bereich der Fehlermarge. Aber klar ist: Es wird knapp und die Bürgerschaftswahl in knapp vier Monaten zu einem der spannendsten politischen Ereignisse der Bremer Nachkriegsgeschichte, das auch bundespolitische Bedeutung haben wird.
Der WESER-KURIER ist nicht für oder gegen die SPD und nicht für oder gegen die CDU. Diese Redaktion hat es sich bei ihrer Gründung im Jahr 1945 zum Auftrag gemacht, überparteilich und unabhängig zu berichten. Das gilt auch für die neue repräsentative Umfrage, die ein Bild der politischen Stimmung im Wahljahr zeichnet. Deswegen werden wir in den nächsten Tagen alle Daten ausführlich darstellen: nicht, weil wir Meinung machen wollen, sondern weil sie relevant sind.
Die Umfrage beschert der SPD zum Teil verheerende Rückmeldungen. Aber die Wahlen in jüngerer Zeit haben gezeigt, dass sich solche Stimmungen kurzfristig drehen können. Auch wenn Carsten Sieling beim letzten Mal nicht als Spitzenkandidat angetreten ist, sondern das Amt nach dem Rücktritt von Jens Böhrnsen übernommen hat, ist er ein erfahrener Wahlkämpfer. Er wird nicht klein beigeben. Sein Herausforderer Carsten Meyer-Heder hat keine politische Erfahrung und steht vor seinem allerersten Wahlkampf. Er wird Themen setzen müssen, die breite Wählerschichten ansprechen. Weil das Rennen so knapp ausfällt, kann sich Bremen auf einen konfrontativen Wahlkampf einstellen.
Am 26. Mai haben die Wählerinnen und Wähler das Wort. Wenn sie diese Verantwortung ernstnehmen, und das sollten sie, dann muss die Wahlbeteiligung deutlich höher ausfallen als die beschämenden 50,2 Prozent von 2015. Der WESER-KURIER wird alle Kräfte anspannen, um eine substanzielle Entscheidungsgrundlage zu bieten. Es geht schließlich um viel.