
Was bringt das schönste Wahlprogramm, wenn es zu lang und deshalb unverdaulich ist? Die Grünen mögen sich das gedacht haben, nachdem sie im November 2018 ihre politischen Botschaften für die Bürgerschaftswahl auf rund 100 Seiten zusammengetackert hatten. Seit Freitagabend gibt es nun eine Kurzfassung, die in den kommenden Wochen als handlicher Flyer unters Volk gebracht werden soll. „Gute Gründe, Grün zu wählen“ lautet die Überschrift über dem knappen Forderungskatalog, der von den rund 100 Teilnehmern der Landesmitgliederversammlung einstimmig gutgeheißen wurde.
Wichtige Punkte sind verstärkte Anstrengungen zum Klimaschutz, etwa durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2023, eine ökologische Verkehrspolitik mit dem Ziel einer autofreien Innenstadt zwischen Wall und Weser und das Stichwort Digitalisierung, das sowohl für eine vorausschauende Qualifizierung der Arbeitnehmer in einer sich wandelnden Wirtschaft als auch für eine bürgerfreundliche Verwaltung steht.
Der Abend im Bremer Kriminal-Theater lebte indes weniger von programmatischer Diskussion als vielmehr von den Redebeiträgen dreier Stars. In dieser Rolle traten auf: Bayerns Fraktionschefin Katharina Schulze (Stargast), Frederike Oberheim (heimlicher Star) und Bürgerschaftsspitzenkandidatin Maike Schaefer (Local hero).
Nicht von ungefähr machte Katharina Schulze den Anfang. Die Münchner Frohnatur versteht es wie kaum jemand sonst aus der Promi-Riege der Bundes-Grünen, ein Publikum innerhalb weniger Minuten für sich einzunehmen. Das war in Walle nicht anders. Sie verteilte Komplimente für die Arbeit der Bremer Grünen und deren Wahlkampf-Losung „Mehr Grün nützt allen“ und gab sich kämpferisch, als es um das Thema Frauenrechte ging. Schulze warb für eine grüne Politik, „die mit pragmatischen Lösungen das Leben jeden Tag ein kleines bisschen besser macht“.
Dagegen konnte niemand etwas haben. Oder doch? Als Gastrednerin hatte die Partei Frederike Oberheim von der Schülerbewegung „Fridays for future“ eingeladen. Und die nahm sich die Freiheit, die Veranstaltung ein wenig aufzumischen. Sie warf den – aus ihrer Sicht – allzu selbstzufriedenen Grünen vor, in zwölf Jahren Regierungszeit sei „keine einzige Maßnahme radikal genug gewesen“. Oberheim weiter: „Ihr hättet eure Arbeit richtig gemacht, wenn die drei Bremer Kohlekraftwerke längst abgeschaltet wären.“ Besonders schmerzhaft muss dieser Satz in den Ohren des Publikums geklungen haben: „Ihr hattet mal Biss.“ Präteritum, nicht Präsens.
Spitzenkandidatin Maike Schaefer mochte das so nicht stehen lassen. In einer nicht minder kämpferischen Rede wies sie den Vorwurf der Tatenlosigkeit zurück. Ohne die Grünen, so Schaefer, hätte es keinen Atomausstieg gegeben und wäre der Kohleausstieg im Bund nicht zumindest bis 2038 festgeschrieben. In Bremen, so Schaefer, werde man mehr Tempo vorlegen.