Einen Spitzenkandidaten hat die Bremer CDU schon seit fast einem Jahr, seit Donnerstagabend hat sie auch ein Programm. Auf einem Landesparteitag im Atlantic-Hotel am Rennbahngelände beschlossen die Delegierten mit großer Mehrheit die politischen Aussagen, mit denen sich ihre Partei bei der Bürgerschaftswahl am 26. Mai dem Wählervotum stellen soll.
Die Grundlagen für das Wahlprogramm waren in den vergangenen Monaten gelegt worden. Im Januar hatte der Landesvorstand einen rund 60 Seiten starken Entwurf vorgelegt, im Februar bezogen die Christdemokraten bei vier sogenannten Programm-Lounges zu den Themenblöcken Bildung, Digitalisierung, Mobilität und Bremerhaven auch die interessierte Öffentlichkeit in den Diskussionsprozess ein. Als Kernpunkte des Programms kristallisierten sich zwischenzeitlich eine deutliche Verstärkung der Ressourcen im Bildungsbereich und eine digitale Offensive heraus, für die eigens ein Senatsressort geschaffen werden soll.
Eine einzige Resterampe
Dem Parteitag lagen nun am Donnerstagabend rund 40 Änderungsanträge aus den Parteigliederungen vor. Bevor die gut 150 Christdemokraten aus Bremen und Bremerhaven in die Beratung eintraten, teilte der Landesvorsitzende Jörg Kastendiek ordentlich gegen den politischen Hauptkonkurrenten SPD aus. Im „Supermarkt der SPD“ gebe es „nur Konserven“, urteilte Kastendiek, ihr Programm sei eine einzige Resterampe.
Besonders entschieden wies Kastendiek die Behauptung der Sozialdemokraten zurück, der rot-grüne Senat habe in den vergangenen Jahren Tausende neuer Jobs geschaffen. „Das war nicht die SPD, das waren die Unternehmer, die Selbstständigen, die Mutigen“, so der CDU-Landeschef. Bürgermeisterkandidat Carsten Meyer-Heder bekräftigte den Anspruch der Christdemokraten, nach der Wahl am 26. Mai die Regierung zu führen. Er wolle dafür sorgen, dass Bremen im bundesweiten Vergleich auch mal Ranglisten anführt, statt Schlusslicht zu sein.
Das gelte insbesondere für die Bildung, die künftig den höchsten Stellenwert genießen müsse. Wenn Bremer Neuntklässler derzeit in Deutsch so weit seien wie sächsische Kinder in Klasse sechs, „dann ist das nicht nur eine Sache des Rankings“, sagte Meyer-Heder. Durch solche Missstände würden ganz konkret die Zukunftschancen Bremer Jugendlicher geschmälert.
Meyer-Heder warf dem Senat auch vor, durch eine verfehlte Baupolitik viele Familien „ins Umland vertrieben“ zu haben. Über viele Jahre sei die Landesregierung bei der Schaffung neuen Wohnraums dem Bedarf nicht hinterhergekommen. Nun, kurz vor der Wahl, wolle Rot-Grün mit Brachialgewalt Versäumtes nachholen, indem eine Bebauung der früheren Galopprennbahn durchgepeitscht werde. Das sei nicht sein Stil, sagte Meyer-Heder. Als Bürgermeister werde er „nicht von oben herab“ regieren, sondern bei Entscheidungen auf die Meinung der Menschen Rücksicht nehmen.
Die Streitlust flackerte auf
In der Finanzpolitik trat der Spitzenkandidat dem Eindruck entgegen, eine Kehrtwende vollzogen zu haben. Meyer-Heder bezog sich damit auf sein Abrücken von der bisherigen CDU-Position, Bremen müsse ab 2020 jährlich 400 Millionen Euro Altschulden tilgen. Es könne zeitweilig auch weniger sein, um wichtige Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen, sagte Meyer-Heder. Das sei keine Kehrtwende, sondern eine Flexibilisierung der bisherigen Linie.
Bei der Beratung der Änderungsanträge zum Programmentwurf des Landesvorstandes folgte die Parteibasis Meyer-Heders finanzpolitischem Schwenk. Nicht einmal Diskussionsbedarf gab es unter den 150 Delegierten – erstaunlich, hatte doch die Parteiführung den Grundsatz, ab 2020 jährlich 400 Millionen Euro zu tilgen, zwei Jahre lang eisern gegen jede Kritik aus dem rot-grünen Lager verteidigt.
Über weite Strecken blieb die Beratung des Parteiprogramms konfliktarm, nur an wenigen Stellen flackerte einmal Streitlust auf. Das war insbesondere bei der Frage der Fall, ob Bremen eine Pflegekammer braucht. Eine solche Kammer wäre eine berufsständische Vertretung der Pflegekräfte, die unter anderem deren Interessen gegenüber den Krankenkassen und der Politik vertritt.
Die Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Heike Menz, sprach sich dagegen aus. Für die Pflegekräfte gehe es vor allem um guten Lohn für gute Arbeit, und dies zu erreichen sei Sache der Sozialpartner. Eine Kammer hält Menz deshalb für überflüssig. Rainer Bensch, Gesundheitsexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, und Fraktionschef Thomas Röwekamp widersprachen. Bei wenigen Gegenstimmen sprach sich der Parteitag letztlich dafür aus, eine Kammer einzurichten, „sofern von den Pflegenden mit deutlicher Mehrheit gewünscht“.
Eine Chance hätte bei einem CDU-Wahlsieg das eigentlich zum Abriss vorgesehen Uni-Bad. Der Parteitag sprach sich dafür aus, „alle Möglichkeiten einer wirtschaftlich vertretbaren Sanierung ergebnisoffen ausloten“. Damit stellten sich die Christdemokraten gegen das Bäderkonzept des Senats, das auf Neubauten in Horn und Walle (Westbad) setzt.