Bundesweit laufen die Vorbereitungen, um eine mögliche zweite Infektionswelle mit dem Coronavirus frühzeitig erkennen und eindämmen zu können. Eine große Rolle spielen präventive Tests auf das neuartige Virus. Bremen will dabei auf eine gezielte Überwachung des Infektionsgeschehens an potenziellen Hotspots setzen. Solche möglichen Infektionsschwerpunkte seien Schulen und Kitas. „Mit Blick auf den Herbst ist es absolut vernünftig, in diese Einrichtungen hineinzuschauen. Nach den Sommerferien wird ein wissenschaftlich begleitetes Projekt mit Reihentests starten“, sagt der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Lukas Fuhrmann.
Der Deutsche Lehrerverband hatte in der vergangenen Woche in einem Zehn-Punkte-Papier unter anderem wöchentliche freiwillige Testungen von Lehrkräften und Schülern gefordert. In Nordrhein-Westfalen können sich Mitarbeiter in Kitas und Schulen vom 3. August bis 9. Oktober kostenfrei und freiwillig auf das Virus testen zu lassen.
Ähnliche Angebote macht auch Bremen: „Es bestehen seit Mitte Juni anlass- oder symptombezogene Testmöglichkeiten für alle Beschäftigten der Schulen der Stadt. Für Beschäftigte in der Kindertagesbetreuung und der Kindertagespflege besteht die Möglichkeit, sich bis Ende September symptomfrei und präventiv testen zu lassen“, sagt Annette Kemp, Sprecherin des Bildungsressorts. Die Beschäftigten könnten sich bei den Trägern melden, wenn sie sich testen lassen wollen. Diese leiten die Meldungen an das Gesundheitsamt weiter, das wiederum an die Beschäftigten eine Einladung für den Test in der Corona-Ambulanz an der Messe verschickt. Die Resonanz ist laut Behördensprecher Fuhrmann bislang überschaubar: Seit Montag dieser Woche hätten sich 33 Kita-Beschäftige für einen Test gemeldet.
Massentests zeigen immer eine Momentaufnahme
Vor den Sommerferien seien zudem an zwei Grundschulen 200 Personen präventiv getestet worden, alle mit negativem Ergebnis, wie sich herausstellte. Fuhrmann dazu: „Massentests an allen Schulen oder Kitas sind eine schwierige Sache, weil sie immer eine Momentaufnahme zeigen. Damit es nicht beim bloßen Ergebnis für die Getesteten bleibt, müssen die Tests in eine Strategie zur fortlaufenden Überwachung des Infektionsgeschehens eingebettet sein. Auch, um die Testkapazitäten gezielt und effektiv einzusetzen.“ Angebote für Momentaufnahmen seien derzeit nur deshalb möglich, weil sich die Infektionszahlen in Bremen auf einem niedrigen Niveau bewegten.
Die Strategie für eine längerfristige Überwachung will Bremen mit wissenschaftlich begleiteten Testreihen an Schulen und Kitas in der Zeit nach den Sommerferien starten. Den Auftrag dafür haben das Bildungs- und Gesundheitsressort gemeinsam erteilt. Federführend ist demnach das Gesundheitsamt, die wissenschaftliche Begleitung übernimmt das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS. „An einzelnen Einrichtungen wird es stichprobenartige, präventive Testungen von Beschäftigten und Schülern auf freiwilliger Basis geben“, sagt Hajo Zeeb, Uni-Professor und Abteilungsleiter am BIPS. „Die Frage dabei ist: Gibt es verdeckte Infektionsfälle? Wir wollen das gesamte Geschehen verstehen.“ An welchen Schulen die Reihentestungen stattfinden sollen, sei noch nicht klar. Zeeb: „Wir sind gerade dabei, das Konzept zu erarbeiten.“
Massentests an Schulen oder Kitas, wie sie Nordrhein-Westfalen plane oder der Lehrerverband fordere, sind auch für den Gesundheitsforscher eine Frage der Kapazitäten. „Wenn man sich das zusätzlich leisten kann, ist das sicher eine gute Ergänzung“, so Zeeb. Im Vordergrund müssten aber Erkenntnisse über das gesamte Infektionsgeschehen statt Momentaufnahmen stehen. Um diese zu bekommen, sollten die stichprobenartigen Testungen im Abstand von acht Wochen wiederholt werden. Die Präsidentin der Bremer Ärztekammer, Heidrun Gitter, lehnt Massentests als Momentaufnahmen ebenfalls ab. „Ein Test heute sagt nichts über Erkrankungen morgen.“
Die Medizinerin unterstützt die Strategie, über Stichproben-Testungen Erkenntnisse über möglicherweise unerkannte Infektionsschwerpunkte zu gewinnen; etwa an Schulen. „Eine andere Alternative, die wir vor allem auf Initiative der Kinder- und Jugendärzte mit der Behörde diskutiert haben, wäre die flächendeckende Benennung von Surveillance-Praxen.“ Surveillance bedeutet Überwachung. Dieses Konzept werde bereits bei der Grippe praktiziert. Gitter: „Die beteiligten Praxen testen in Stichproben Patienten, die zu ihnen kommen. So bekommt man gute Hinweise auf das Erkrankungsgeschehen in den Regionen sowie den Stadtteilen und könnte dann hier gezielt präventive Maßnahmen ergreifen.“ Dazu gehörten Aufklärung, erweiterte Stichprobentests an Schulen, in bestimmten Betrieben, Gemeinschaftseinrichtungen oder Pflegeheimen.