Verschobene Operationen, abgesagte Behandlungen, Mehrkosten durch Schutzmaßnahmen und freigehaltene Betten für Covid-Patienten: Die Kliniken verzeichneten seit Beginn der Pandemie hohe Einnahmeverluste, und ein Ende dieser Entwicklung ist trotz aktuell sinkender Infektionszahlen offenbar nicht absehbar. Ganz im Gegenteil, warnt die Bremer Krankenhausgesellschaft (HBKG) und fordert eine wirtschaftliche Absicherung der Kliniken für das gesamte Jahr 2021. Ansonsten drohten den Kliniken finanzielle Nöte.
Im ersten Pandemiejahr seien die Häuser im Großen und Ganzen mit einem blauen Auge davon gekommen, die Einnahmeverluste seien weitestgehend durch staatliche Hilfszahlungen ausgeglichen worden, sagt der HBKG-Geschäftsführer Uwe Zimmer. „Wir befürchten aber, dass damit bald Schluss ist. Der zweite Rettungsschirm läuft Ende Februar aus. Und selbst wenn er unter den aktuell geltenden Bedingungen verlängert wird, werden die Bremer Kliniken wohl leer ausgehen.“
Der Grund dafür: Die Ausgleichszahlungen des Bundes an Krankenhäuser, die besonders viele Corona-Patienten behandeln, sind unter anderem an die Sieben-Tage-Inzidenz am Standort der jeweiligen Klinik geknüpft. Liegt sie über 70, fließt Geld vom Bund – nicht so, wenn sich der Wert unterhalb dieser Marke bewegt. Aktuell liegt der Inzidenzwert in der Stadt Bremen unter 70 Infizierten pro 100.000 Einwohner. „Die Zahlen sinken, was gut ist. Die Belastung in den Kliniken bleibt aber gleich“, so Zimmer. Nach wie vor würden deutlich und anhaltend mehr Covid-Patienten in den Krankenhäusern behandelt als im Frühjahr, Betten müssten freigehalten und aufschiebbare Operationen abgesagt werden. Dazu komme, dass seit Pandemie-Beginn Patienten aus Angst vor einer Corona-Infektion Termine absagten. Dies habe bei allen Kliniken für erhebliche Belegungseinbrüche gesorgt, im Schnitt um etwa 15 Prozent, betont der Geschäftsführer.
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2021 werde erneut ein Ausnahmejahr, trotz Impfkampagne und voraussichtlich sinkender Infektionen. Die Krankenhäuser könnten die Fallzahlen von 2019 nicht aus eigener Kraft erreichen, das sei illusorisch. Auch weiterhin würden hohe Schutzmaßnahmen in den Kliniken gelten und ausgefallene Leistungen könnten nicht in vollem Umfang nachgeholt werden. „Deshalb fordern wir eine sichere Perspektive in Form eines Ganzjahresausgleichs bezogen auf das Budget von 2019.“
Bremens größter Krankenhausbetreiber, die Gesundheit Nord (Geno), beziffert den Rückgang der Fallzahlen für das Pandemie-Jahr 2020 auf etwa 15 Prozent. Die Corona-Pandemie wirke sich natürlich auf die wirtschaftliche Lage des Klinikverbundes aus, sagt Geno-Sprecher Timo Sczuplinksi. Um die Situation abschließend bewerten zu können, sei es aber noch zu früh, die Corona-Pandemie sei zudem noch in vollem Gange. „Wir sind mit der Situation aber bisher glücklicherweise nicht allein gelassen worden und gehen davon aus, dass es auch weiterhin Unterstützung in Form von Ausgleichszahlungen oder anderen Hilfen für die Krankenhäuser geben wird.“
Gesundheitsressort: Belastungen wegen Corona dauern länger
Das Land beteilige sich bereits an Ausgleichszahlungen, „allerdings ist hier eigentlich der Bund gefordert“, betont Lukas Fuhrmann, Sprecher von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Die Belastungen der Kliniken wegen der Corona-Pandemie hielten definitiv länger an, wahrscheinlich sogar das ganze Jahr. Deshalb sei es wichtig, dass der Bund den Rettungsschirm entsprechend anpasse. Kriterien wie ein Inzidenzwert von über 70 für den aktuell noch laufenden und womöglich verlängerten Rettungsschirm seien für Bremen „nicht praktikabel“. Während der Pandemie dürfe es solche „hemmenden Maßnahmen“ für Krankenhäuser nicht geben. „Man braucht einen klaren Sicherheitsboden für die Kliniken, gerade in dieser Zeit“, sagt der Behördensprecher.
Mehr als die Hälfte der Kliniken erwarte eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage durch Corona, warnte die niedersächsische Krankenhausgesellschaft Anfang Januar. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind in dem Nachbarbundesland Tausende Operationen verschoben worden, wie aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervorging. Seit März wurden demnach mehr als 11.000 Operationen in den Kliniken des Landes abgesagt. Zahlen, wie viele dieser Eingriffe nachgeholt wurden, lagen nicht vor.
In Bremen will die Krankenhausgesellschaft in diesen Tagen bei den Kliniken konkrete Zahlen zu Belegungsrückgängen, Mehrkosten und abgesagten Behandlungen abfragen. „Es muss ab März eine vernünftige Regelung für die Krankenhäuser geben“, fordert Zimmer.