Der Flüchtlingsrat Bremen und das Bündnis „Together we are Bremen“ fordern die Schließung der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Vegesack. Dort sind nach Angaben der Sozialbehörde derzeit 600 Menschen untergebracht. Den Geflüchteten-Organisationen zufolge verstößt eine solche Massenunterkunft gegen notwendige Maßnahmen zum Schutz vor dem Corona-Virus. Eine entsprechende Online-Petition unterstützen bisher mehr als 2300 Menschen.
„Die Sammelunterkünfte sind schon zu normalen Zeiten schlechte Orte“, sagt Gundula Oerter vom Bremer Flüchtlingsrat. „In diesen Zeiten umso mehr.“ 'Social Distancing' sei in einem solchen Lager, in dem alle Toiletten und den Essenssaal teilen, nicht möglich. „Gleiche Rechte werden beim Schutz vor Corona verweigert“, kritisiert Oerter. Überall in Deutschland rufen derzeit Flüchtlingsräte dazu auf, Massenunterkünfte zu schließen.
In die Landeserstaufnahmestelle (Last) in der Lindenstraße gelangen Asylbewerber kurz nach ihrer Ankunft. Wer aus einem sogenannten „sicheren Herkunftsland“ kommt, muss in der Einrichtung bis zum Vorliegen des Asylbescheids oder bis zur Abschiebung bleiben. „Es ist eine Frage der Zeit, bis es in der Lindenstraße den ersten Fall gibt“, sagt Oerter. „Wir befürchten, dass die Behörde die Menschen dann unter den unerträglichen Bedingungen mit ihren Ängsten einsperren wird.“ Es bestehe die Gefahr, dass sich Panik ausbreite.
„Schließung der Einrichtung ist keine Option“
Die Sozialbehörde von Senatorin Anja Stahmann (Grüne) rechtfertigt die weitere Öffnung der Last. „Die Schließung der Einrichtung ist keine Option und auch nicht sinnvoll“, teilt Sprecher Bernd Schneider mit. Das Land Bremen sei verpflichtet, eine Erstaufnahmeeinrichtung zu betreiben. „Die richtige Strategie ist nach derzeitiger Lage der Dinge, die Auslastung zurückzufahren und Personen mit einem erhöhten Risiko extern unterzubringen.“ Alle neu angekommenen Geflüchteten würden auf Covid-19 getestet und zunächst isoliert. Erst wenn der Test negativ sei, würden sie zu den anderen gelassen. 30 Personen mit einem erhöhten Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs im Falle einer Corona-Ansteckung seien mittlerweile woanders untergebracht worden, darunter vier Menschen über 60 Jahren.
Zudem würden alle Bewohnerinnen und Bewohner in Gesprächen und mit Handzetteln über die Lage informiert, Besuch sei in der Einrichtung verboten, Einlasskontrollen stellten dies sicher. „Die Mahlzeiten werden inzwischen als Einzelportionen ausgegeben“, erklärt Schneider. Die Menschen äßen in drei Schichten, es nähmen nie alle Bewohner die Mahlzeiten ein, die Neuankömmlinge äßen separat. Es werde öfter gereinigt.
Neben der rechtlichen Notwendigkeit gebe es weitere Gründe für den Weiterbetrieb. „In keiner anderen Einrichtung können wir eine Gesundheitsversorgung vor Ort bieten“, teilte Stahmann mit. Zweitens sei die Anwesenheit in der Landeserstaufnahme für das asylrechtliche Verfahren von Bedeutung. Asylverfahren seien nicht ausgesetzt. Drittens ließe sich „die erforderliche enge Betreuung“ bei dezentraler Unterbringung nicht organisieren, man überließe die Menschen sich selbst.
Der Flüchtlingsrat will die Argumente nicht zählen lassen. „Man schafft in Sammelunterkünften so schlechte Bedingungen, dass das Gesundheitsamt vor Ort sein muss und jetzt argumentiert man damit“, sagt Oerter. Zudem seien Abschiebungen derzeit nicht möglich, Anhörungen im Bundesamt für Flüchtlinge und Migration fänden ohnehin keine statt. „Es ist daher auch nach Behördenlogik nicht notwendig, dass die Menschen in der Last sind“, findet sie. Hostels und Hotels stünden leer. „Überall werden dieser Tage Sachen geändert, die vorher nie möglich waren“, sagt Oerter. Dass dies bei Geflüchteten nicht gemacht werde, hält sie für strukturellen Rassismus.