Keine Musik, dafür viel Farbe und sogar ein wenig Sonne: Zum coronakonformen Christopher Street Day (CSD) in Bremen sind am Freitagnachmittag viele Menschen zum Bahnhofsvorplatz gekommen, um sich mit Regenbogenfarbenflaggen und guter Laune für die Rechte von queer lebenden Menschen stark zu machen. Als queer bezeichnen sich Leute, die zweigeschlechtliche und heterosexuelle Normen infrage stellen.
Fanny Wouters weiß um ihre extravagante Erscheinung. Ein kleines Mädchen möchte unbedingt ein Foto mit ihr zusammen machen. Wouters ist einverstanden. Es ist nicht das erste Mal, dass ihr farbenfrohes Make-up, die blaue Perücke und das strasssteinbesetzte Feenkleid für Aufmerksamkeit sorgen. Die möchte die 66-Jährige auch erzielen. "Ich möchte, dass wir akzeptiert werden und dass die Anschläge auf Transmenschen aufhören", sagte sie. Wouters lebt seit 55 Jahren in Bremen und weiß, wie es sich anfühlt, fast täglich Diskriminierung zu erleben. "Oft ist das Unwissen", sagt sie.
In der Straßenbahn habe sie zum Beispiel einmal mitbekommen, dass eine Gruppe Jugendlicher über sie lästerte, dann aber sei eine Person auf sie zugekommen und habe sich mit ihr unterhalten. "Danach haben sie mir beim Aussteigen alle die Hand gegeben." Nun genießt Wouters die Atmosphäre auf dem Bahnhofsvorplatz. "Es ist so bezaubernd!"

Fanny Wouters lebt seit 55 Jahren in Bremen und setzt sich für ein tolerantes Zusammenleben ein.
"Bisexuelle Präsentation", lautet die Antwort von Eden Obonyo auf die Frage, warum sie hier ist. Sie kämpft jedoch nicht nur für die Akzeptanz, sich zu Frauen und Männern gleichzeitig hingezogen fühlen zu können, sondern auch für mehr Diversität in der Szene. "Ich setze mich für die Rechte von BPoc ein", sagt sie. BPoc ist die Abkürzung für "Black and People of Color", auf Deutsch: Schwarze und alle nicht-weißen Menschen. Ihrer Meinung nach ist das Verhältnis zwischen weißen und schwarzen Menschen, die queere Lebensweisen vorantreiben, viel zu unausgeglichen. "Weiße Menschen sind häufig privilegierter als Schwarze. Sie sehen häufig nicht die Probleme von Menschen, die von Rassismus betroffen sind", sagt Obonyo.
Häufig sei zum Beispiel der Zugang zu Hormonen für eine körperliche Geschlechtsangleichung für wohlhabendere Menschen viel einfacher als für schwarze Menschen. Obonyo ist mit dem Auftakt des CSD in Bremen sehr zufrieden. "Ich freue mich auf die bunte Bemalung auf dem Bahnhofsvorplatz, der ist sonst immer sehr ranzig. Die Farben zaubern mir jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht."

Eden Obonyo möchte das Schwarze Menschen in der Queer-Szene sichtbarer werden.
Freyia Pe von Rüden und Doro Giesche von Rüden setzen sich gemeinsam für die Rechte von transsexuellen und intersexuellen Menschen ein. Auf dem CSD Bremen sind sie mit einem kleinen Stand von ihrem Verein "Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie" vertreten. Freyia Pe von Rüden liegen insbesondere die Rechte für Transmenschen am Herzen. Diese Bezeichnung umfasst Identitäten und Lebenskonzepte, die sich geschlechtlich nicht zuordnen lassen.
Sie fordert eine Abschaffung des fast 40 Jahre alten Transsexuellengesetzes. Es gibt vor, dass Betroffene zunächst mit einem Psychologen oder einem Richter sprechen müssen, um ihren Vornamen und ihr Geschlecht offiziell ändern zu können. "Ich möchte so wie andere Menschen auch selbstbestimmt Entscheidungen treffen können", sagt von Rüden.

Freyja Pe von Rüden (l.) und Doro Giesche von Rüden fordern eine Abschaffung des Transsexuellengesetz.
Doro Giesche von Rüden ist es wichtig, dass intersexuelle Personen nicht als krank betrachtet werden. Die Körper von intersexuellen Menschen werden medizinisch nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet. Aus diesem Grund operieren viele Mediziner Säuglinge oftmals direkt nach der Geburt. "Intergeschlechtliche Kinder sind Menschen mit gleichen Rechten und gleicher Würde", sagt von Rüden. Aus diesem Grund kritisiert sie auch das kürzlich vom Bundestag beschlossene Operationsverbot. "Es gibt noch viel zu viele Schlupflöcher", sagt von Rüden. "Es werden immer neue Krankheiten definiert, die es Medizinern erlaubt, Kinder zu operieren. Wir sind normale Menschen."
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