Jahrelang hat der durchschnittliche Internetnutzer kaum etwas von ihm gehört, doch nun sorgt der Bitcoin, die digitale Währung, wieder für Schlagzeilen.
Die Entscheidung Japans, ab April die Kryptowährung als Zahlungsmittel zu akzeptieren, hat den Wert des Bitcoins in die Höhe getrieben. 1480 Dollar kostete ein Bitcoin auf der Handelsplattform Bitstamp Anfang Mai: ein Rekordwert. Jetzt ist der Wechselkurs nochmals gestiegen, auf rund 1700 Dollar am Dienstag.
Schon im Januar hatte die digital verschlüsselte Währung mit rund 1100 Dollar die 1000-Dollar-Marke geknackt – damals ihr höchster Wert seit 2013. Danach folgte allerdings binnen weniger Minuten ein Absturz, auf unter 900 Dollar. Die Bundesbank hat kürzlich Verbraucher davor gewarnt, voreilig große Summen in Bitcoins zu investieren.
Das Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele hält sie für ein riskantes Spekulationsobjekt, „dessen Wert sich rapide verändert“. Wer sein Geld in Bitcoins anlege, könne große Verluste erleiden, sagte Thiele. Außerdem werde die Kryptowährung nicht von einer Zentralbank herausgegeben, sondern von unbekannten Akteuren.
Transfer-Protokolle und ein Netzwerk von Nutzern
„Ich sehe ihn nicht als Währung“, so der Bundesbank-Vorstand. Aber was genau sind dann Bitcoins und wie sicher ist ihr Kauf oder ihre Verwendung? „Bitcoins sind die erste Anwendung der Blockchain-Technologie“, erklärt Ingo Fiedler, Glücksspiel-Experte an der Universität Hamburg.
Ein Zahlungsmittel, das auf verschlüsselten Transfer-Protokollen und einem Netzwerk von Nutzern beruht, statt auf einer Zentralbank und staatlicher Währungsregulierung. „Die Blockchain-Technologie erlaubt es, Werte ohne einen Vermittler im Internet zu transferieren.
Das ist ihre Besonderheit: Man braucht nicht mehr eine dritte Partei, die zwischen Absender und Empfänger steht und den ganzen Prozess abwickelt, wie es bei einer Bank oder einem Geldtransferdienst der Fall wäre“, erklärt Fiedler. Dazu sei die Technologie auch verschlüsselt, also sicher.
Neuste Verschlüsselungstechnologie
„Blockchain erlaubt es, über eine Art Protokoll, so ähnlich wie bei einem normalen Online-Datenaustausch, Werte auszutauschen", so beschreibt der Wissenschaftler die Mechanismen des digitalen Zahlmittels. Das funktioniere wie eine Art "Peer-to-Peer"-Technologie, die vielen durch File-Austauschbörsen bekannt sein dürfte, kombiniert mit neuster Verschlüsselungstechnologie.
Einfach zu knacken ist die Verschlüsselung offenbar nicht, ganz im Gegenteil: Sogar die Deutsche Bank plant, die Technologie zu nutzen, und arbeitet gerade an Sicherungsmodellen. Außerdem beteiligt sie sich gerade an einem Projekt, das auf der Blockchain-Technologie basiert.
Die Schweizer Bank UBS hat das Projekt 2015 mit anderen Kreditinstituten gestartet, um eine interne digitale Währung zu schaffen, die Transaktionen unter den Banken erleichtern soll. „Anhand dieser Verschlüsselungstechnologie kann man nachweisen, dass die Transaktion korrekt ist“, sagt Fiedler.
Zu großer Aufwand für Fälschungen
Um Bitcoins zu fälschen, wäre wegen der Kryptografie ein zu großer Aufwand notwendig. Die Verschlüsselung und die fehlende Kontrolle einer Institution gebe oft auch Kriminellen das Gefühl, dass Bitcoins sicherer wären als andere Zahlmittel.
Der Fall der „Silk Road“, einer Plattform im Darknet, auf der man Drogen und Waffen mit Bitcoins kaufen konnte, hat dieses Phänomen ins Rampenlicht gerückt. „In kriminellen Kreisen denkt man oft, dass Bitcoin anonym ist“, sagt Fiedler. Deshalb habe sich anfangs ein großer Schwarzmarkt gebildet, auf dem auch Waffen und Drogen gehandelt wurden.
Inzwischen habe man verstanden, dass Bitcoin nur den Anschein von Anonymität erwecke. Denn die Strafverfolgungsbehörden können mit einem gewissen Aufwand durchaus nachverfolgen, wer dahintersteht. „Bitcoin ist nicht die beste Währung, um illegale Transaktionen zu tätigen.“
Viele verwenden sie als Wertaufbewahrungsinstrument
Natürlich werden Bitcoins auch für viele legale Zwecke genutzt. „Einige kaufen sie als Spekulationsobjekt – in der Hoffnung, dass sie morgen mehr wert sind als heute. Viele verwenden sie auch als Wertaufbewahrungsinstrument", sagt Fiedler. Dies gilt insbesondere für Länder, in denen die Währung schnell an Wert verliert, etwa Argentinien oder Venezuela.
„Sehr wichtig ist auch die Überweisungsfunktion.“ Der Nutzer könne 24 Stunden am Tag Überweisungen tätigen. Kostenfrei sind solche Transaktionen jedoch nicht. Miners, also Nutzer, die ihre Rechnerleistung für Bitcoins-Geschäfte zur Verfügung stellen und diese bestätigen, verdienen daran in variabler Höhe mit.
„Dieser finanzieller Anreiz ist der Grund, weshalb Nutzer so etwas machen, und die Existenz von Bitcoin ermöglichen“, so Fiedler. Vor allem in China befänden sich viele Minersgruppen - die mittlerweile zu großen Unternehmen gewachsen seien.
Fünf Dollar Gebühren
Wer eine Überweisung veranlasst, bezahlt mittlerweile rund fünf Dollar an Gebühren. „Das ist im Vergleich zu einer internationalen Swift-Überweisung immer noch extrem günstig“, fügt Fiedler hinzu. Innerhalb von zehn Minuten komme das Geld an.
Menschen, die Kinder oder Verwandte im Ausland hätten, nutzten die Funktion ebenso wie Gastarbeiter, die auf diese Weise ihren Familien in der Heimat günstig Geld zukommen lassen. Außerdem können Verbraucher mit Bitcoins Waren erwerben. „Von Computer-Hardware bis hin zu Immobilien wird alles ab und an in Bitcoins verkauft.“
Aber das sei noch eher Spielerei, erklärt der Forscher. Die Nische sei noch sehr klein. „Jeder, der das Protokoll benutzt, muss nach denselben festgeschriebenen Regeln spielen und nicht nach den Regeln einer Bank, die diese jederzeit ändern kann“, so erklärt Fiedler die Faszination der Kryptowährung für viele Nutzer.
Blockchain-Technologie funktioniert offenbar gut
Bitcoins erblickten 2009, nach Ausbruch der globalen Finanzkrise, das Licht der digitalen Welt. „Wir probieren gerade die Blockchain-Technologie in einem Live-Experiment aus“, so der Experte. Und die funktioniere offenbar gut. Wo liegen dann die Risiken?
„Die von der Bundesbank ausgesprochene Warnung bezieht sich auf die Tatsache, dass der Verbraucher Bitcoins als Spekulationsobjekt sieht“, sagt Fiedler. Manche Verbraucher investierten zu einem hohen Preis, um dann festzustellen, dass der Wechselkurs plötzlich gefallen sei und er vielleicht die Hälfte seines Gelds verloren habe. „Die Gefahr ist, dass man sich verspekuliert“, sagt er.
„Wenn eine Vermögensanlage nur nach oben geht, wissen wir, dass irgendwann die Blase platzt.“ Bitcoins seien kein Anlageobjekt, in dem Verbraucher große Vermögenswerte halten sollten, ohne viel davon zu wissen, warnt Fiedler. „Wer darin investiert, sollte kleine Summen nehmen und sich auch damit beschäftigen. Halbwissen ist sehr gefährlich in dieser Branche.“
Preisrisiko ist hoch
Der Wert der Bitcoins wird von Nachfrage und Angebot bestimmt. „Es gibt aber viele Währungen auf der Welt, die eine viel stärkere Schwankung haben“, so der Experte. Nichtsdestotrotz bleibe das Preisrisiko hoch. Das Sicherheitsrisiko betreffe hingegen den Zugang zum Bitcoin-System.
Fiedler vergleicht das mit einem Safe: Wer den Schlüssel liegen lässt – in diesem Fall den digitalen, kryptografischen Schlüssel des eigenen Wallets oder der Handelsbörse – öffnet Dieben die Tür. Der Wissenschaftler empfiehlt Nutzern, die Bitcoins kaufen möchten, sich an große Online-Börsen zu wenden. Diese seien verlässlicher und könnten leichter Geldwäsche verhindern.
An sie müsse der Verbraucher oder die Verbraucherin das Geld überweisen. „Nach ein paar Tagen können sie am Markt die Euro gegen Bitcoins tauschen“, erklärt er weiter. „Wenn sie eine Überweisung machen wollen, können sie dann durch die Börse eine Transaktion auslösen.“ Auch an sich selbst. „Dann müssen sie aber auf den eigenen Computer und den Schlüssel zum Online-Wallet aufpassen“, so der Experte.