Viviane Scherenberg von der Apollon Hochschule erklärt Qualitätskriterien von Gesundheits-Apps „Das Körperbewusstsein darf nicht leiden“

Altstadt. „Was drin ist in den Apps, sehen Sie leider immer erst dann, wenn Sie sie downgeloaded haben“, beschreibt Viviane Scherenberg, die Dekanin des Fachbereichs Prävention und Gesundheitsförderung an der Apollon Hochschule in Bremen, ein Problem von Apps zum Thema Gesundheit. In ihrem Vortrag „Gesundheits-Apps – Sinnvolle Begleiter mit Risiken und Nebenwirkungen?“ in der Reihe „Wissen um 11“ im Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4-5, sprach die Professorin über Möglichkeiten und Grenzen solcher Apps.
20.03.2017, 00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Matthias Holthaus

Altstadt. „Was drin ist in den Apps, sehen Sie leider immer erst dann, wenn Sie sie downgeloaded haben“, beschreibt Viviane Scherenberg, die Dekanin des Fachbereichs Prävention und Gesundheitsförderung an der Apollon Hochschule in Bremen, ein Problem von Apps zum Thema Gesundheit. In ihrem Vortrag „Gesundheits-Apps – Sinnvolle Begleiter mit Risiken und Nebenwirkungen?“ in der Reihe „Wissen um 11“ im Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4-5, sprach die Professorin über Möglichkeiten und Grenzen solcher Apps.

Gesundheits-Apps sind unterteilt in Präventions-Apps und Medizin-Apps. Präventions-Apps sind dazu da, Risikofaktoren zu minimieren und Krankheiten vorzubeugen. Häufig gibt es Apps zu den Themen Bewegung, Stress, Sucht und Vorbeugung. Medizin-Apps fallen unter das Medizinproduktegesetz und müssen einer Prüfung unterzogen werden. Da viele Anbieter jedoch den Aufwand dieser Prüfung umgehen möchten, gibt es deshalb noch einen weiteren Bereich – einen Grauzonenbereich: „Das ist dann der Fall, wenn Apps mit Empfehlungen statt einer medizinischen Diagnose arbeiten. Das ist aber relativ gefährlich“, sagt Viviane Scherenberg.

Trefferquote extrem unterschiedlich

Es gibt zum Beispiel Diagnose-Apps zu Themen wie Sehen, Hören oder auch Hautkrebs. „Es wurden vier Hautkrebs-Apps untersucht mit Muttermalen, wo man wusste, dass eine Krankheit vorliegt. Dabei ist herausgekommen, dass die Erkrankten zwischen 6,8 bis 98 Prozent identifiziert wurden. Sie sehen, die Trefferquote ist extrem unterschiedlich“, sagt Viviane Scherenberg. Denn das Ergebnis hängt von den Sichtverhältnissen, vom Abstand zum fotografierten Muttermal und anderen Faktoren ab. „Unzuverlässig waren die Apps, die mit Bilderkennungssoftware arbeiten, zuverlässig waren jene, wo man fotografiert und das Bild zu einem Dermatologen geschickt hat“, berichtet die Wissenschaftlerin, „der Arzt ist also nicht zu ersetzen.“

Deshalb seien Diagnose-Apps, die nicht unter das Medizindiagnosegesetz fallen und nicht die CE-Kennzeichnung haben, immer mit äußerster Vorsicht zu betrachten: „Also: Vorsicht vor Diagnose-Apps, sie können zu einer Scheinsicherheit führen und die Nutzer unnötig beunruhigen!“

30 Prozent der Bevölkerung nutzen Gesundheits-Apps, davon sind 43 Prozent Sportlerinnen und Sportler, „also sowieso schon die, die gesundheitlich gut drauf sind“. Übergewichtige und chronisch Kranke machen seltener Gebrauch von Gesundheits-Apps: „In der Wissenschaft nennen wir so etwas Präventionsdilemma, weil wir mit unseren Maßnahmen nicht die erreichen, die wir eigentlich erreichen möchten“, sagt Scherenberg. „Tracking-Apps“, die persönliche Daten wie beispielsweise über Gewicht, Schrittanzahl oder Schlaf sammeln, werden mehrheitlich von Männern genutzt, „da Männer sich eher von Technik begeistern lassen“. Motive zur Nutzung solcher Apps können die Verbesserung der Fitness und der Gesundheit, Trainingsmotivation, Motivation zum besseren Essen und Trinken oder die Verbesserung des Schlafes sein.

Worauf bei den angebotenen Apps zu achten ist, erläutert Viviane Scherenberg: „Medizin-Apps müssen eine CE-Kennzeichnung haben. Leider gibt es keine Datenbank, wo ich schauen kann, ob eine App überhaupt geprüft wurde. Bei Präventions-Apps gibt es keine Informationspflicht, nur Empfehlungen unterschiedlicher Institutionen.“ Zudem kann eine Gesundheits-App von jedem, auch ohne jegliche Qualifikationen und medizinische Kompetenzen, entwickelt werden. Die App wird anschließend in den Stores nur auf Viren geprüft, nicht auf den Inhalt. „Schauen Sie daher, wer der Anbieter ist, welche ökonomischen Interessen er hat und wie seriös er ist“, rät Scherenberg. Außerdem sollten Apps von mehreren Experten entwickelt werden: „Nicht nur von Technikern, sondern auch von Medizinern, Gesundheitswissenschaftlern oder Psychologen. Viele Studien haben aber herausgefunden, dass dies oft nicht der Fall ist.“ Die Apps sollten sich zudem an bereits von wichtigen Institutionen des Gesundheitswesens herausgegebenen Leitlinien orientieren. Bewertungen auf Internetportalen sind mit Vorsicht zu genießen, da sie manipuliert sein könnten.

Was muss eine App haben?

Weitere Qualitätskriterien sind Hinweise zu Produkt- und Werbefreiheit der Inhalte, die Nennung eines fachlich kompetenten Ansprechpartners als Kontakt sowie die Nennung der Autoren und die fachliche Richtigkeit. Die Aktualität und die Relevanz der verwendeten Quellen sollten eindeutig sein, die App sollte ein Impressum, Hinweise zu Daten- bund Verbraucherschutz sowie eine Offenlegung der Finanzierung beinhalten.

Abschließend gibt Viviane Scherenberg noch einen wertvollen Hinweis: „Dominiert die App, oder dominiert Ihre Intuition? Ich glaube, dass wir vieles wissen und gar keine technischen Hilfsmittel brauchen. Und wenn, dann sollte es ein technisches Hilfsmittel bleiben. Das eigene Körperbewusstsein darf nicht leiden!“

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