Feinstaub einzuatmen ist zwar weniger schädlich als eine Zigarette zu rauchen, aber zur Gefahr kann er trotzdem werden: Die winzigen Partikel erhöhen das Krebsrisiko. Christian Weth sprach mit Dieter Ukena, Lungenfacharzt am Klinikum Bremen-Ost, über die Folgen von Feinstaub – und darüber, was Politiker, Mediziner und Patienten tun können.
Herr Ukena, nirgendwo sonst in Bremen ist die Luft so dick wie am Dobben, wo Sie wohnen. Wie geht es Ihrer Lunge?
Danke der Nachfrage. Der geht es gut. Ich muss gestehen, dass ich früher mal geraucht habe. Deshalb reagiere ich wahrscheinlich nicht mehr so sensibel auf Feinstaub wie andere Menschen.
Wie viele Menschen in Bremen haben Sie schon behandeln müssen, weil Feinstaub sie krank gemacht hat?
Das lässt sich nicht so leicht sagen. Es ist extrem schwer, den hundertprozentigen Nachweis zu erbringen, dass jemand tatsächlich durch Feinstaub krank geworden ist. Was man aber mit Sicherheit sagen kann, ist: Feinstaub sorgt für eine gesundheitliche Verschlechterung und erhöht das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.
So wie Rauchen?
Rauchen ist wesentlich schädlicher. Der EU-Grenzwert für Feinstaub liegt bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – wer an einer Zigarette zieht, inhaliert das Zehntausendfache.
Dennoch fordern Ärzte, den Grenzwert zu senken, um den Schutz zu erhöhen. Wie gefährlich ist Feinstaub denn nun?
Wer unter einer chronischen Erkrankung der Atemwege leidet, wird es bei einer hohen Feinstaubbelastung schwerer haben, gesund zu werden. Wir haben aber auch Patienten, deren Atemwege über viele Jahre unauffällig waren und die plötzlich über Probleme klagen – ohne jemals aktiv oder passiv geraucht zu haben. Möglicherweise sind ihre Beschwerden eine Folge der Feinstaubbelastung.
Was sind das für Beschwerden?
Die Atemwege sind gereizt. Manche räuspern sich oft und husten viel. Andere haben große Schwierigkeiten beim Schlucken oder klagen über akute Atemnot, die sie einfach so überkommt.
Wenn diese Menschen nicht geraucht haben: Sind sie dann Feinstaub-Erkrankte?
Der Verdacht liegt nahe. Aber wie gesagt: Der lückenlose Beweis ist schwierig.
Warum?
Weil die Ursache für die Erkrankung nicht so leicht lokalisiert werden kann. Sie kann etwas mit dem Arbeits-, aber auch mit dem Wohnumfeld des Patienten zu tun haben. Rein theoretisch sogar damit, ob er lange in China gelebt hat, wo die Feinstaubbelastung enorm hoch ist. Oder damit, wie er seine Wohnung heizt. Auch ein Kaminofen erzeugt Feinstaub.
Wie kann die Medizin helfen, und was raten Sie Patienten?
Die medizinische Behandlung hängt vom Grad der Erkrankung ab. Wer nie geraucht hat, aber trotzdem plötzlich Atemwegsprobleme hat, dem empfehlen wir in der Regel zunächst eine Luftveränderung – einen Kurzurlaub zu Testzwecken sozusagen. Damit wir sehen können, ob der Auslöser der Krankheit im Wohn- oder Arbeitsumfeld zu suchen ist.
Muss dann umziehen, wer beschwerdefrei wiederkommt?
In der Tat: Manchmal empfehlen wir auch das, wenn Behandlungsmethoden nicht helfen.
Wie viele Patienten haben Sie behandelt, die wie Sie am Dobben wohnen?
Ehrlich gesagt: Das haben wir noch nicht untersucht.
Geht es um Feinstaub, verweisen Politiker gerne auf Umweltzonen. Was nützen sie?
Der Nutzen von Umweltzonen für den Menschen ist marginal. Das liegt daran, dass mit ihnen ausschließlich auf den Autoverkehr als Verursacher von Feinstaub reagiert wird. Es gibt aber weitaus mehr Quellen, beispielsweise die Industrie. Wenn Umweltzonen denn helfen, dann im Grunde nur den Politikern: Sie können zumindest sagen, dass sie nicht tatenlos gewesen sind.
Zur Person: Dieter Ukena (59) ist seit 30 Jahren Lungenfacharzt. Am Klinikum Bremen-Ost arbeitet er seit zehn Jahren. Zuvor war er am Uni-Klinikum im Saarland. Ukena ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Wann Feinstaub sichtbar wird und wie er entsteht
Es gibt Staub, der ist so fein, dass die Haare in der Nase ihn nicht aufhalten können und er in die Lunge gelangt. Wissenschaftler sprechen dann von Feinstaub oder inhalierbarem Schwebestaub. Seine Teilchen sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Sichtbar wird Feinstaub nur bei besonderen Wetterlagen: wenn die oberen Luftschichten wärmer sind als die unteren, genau umgekehrt als üblich. Dann sieht es so aus, als bildeten die Partikel eine Dunstglocke über einer Stadt. Der Durchmesser der Teilchen wird in Mikrometern gemessen. Ein Mikrometer ist ein Millionstel Meter.
Seit Jahrzehnten gibt es Grenzwerte für Feinstaub. Er entsteht durch Kraftfahrzeuge, Heizwerke, Verbrennungsanlagen, Öfen sowie in der Tierhaltung. In Ballungszentren wird er vor allem durch den Straßenverkehr verursacht, wobei Feinstaub nicht nur aus Motoren in die Luft gelangt, sondern auch durch Bremsen- und Reifenabrieb. Die Weltgesundheitsorganisation hat errechnet, dass sich infolge von Feinstaub die Lebenszeit aller Europäer durchschnittlich um 8,6 Monate und die der Deutschen um 10,2 Monate verkürzt.
Die EU-Kommission geht von 310.000 Todesfällen in Europa aus, die jedes Jahr vorzeitig infolge der Feinstaubbelastung eintreten.
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