Bremen ist an diesem Tag nicht die erste Wahlkampfstation des Bundesinnenministers. Vorher hat Thomas de Maizière (CDU) schon die Festrede beim Montagsempfang auf dem Stoppelmarkt in Vechta gehalten, und auch hinterher geht‘s noch weiter auf Wahlkampftour. Aber das mache er natürlich gerne, um die Bremer CDU-Bundestagsabgeordneten Elisabeth Motschmann und Bettina Hornhues zu unterstützen, sagt de Maizière zur Begrüßung. Und versucht dann gleich mal, den Saal auf Stimmung zu bringen. „Zwei so taffe und starke Frauen mit so großem Einfluss in Berlin“, da müssten die Kreuze bei der Bundestagswahl am 24. September ganz einfach bei der CDU gesetzt werden. Doch das geht schief. Denn als er eine kunstvolle Pause für Beifall setzt, bleibt es mucksmäuschenstill im Saal. Da muss der Minister schon nachhelfen. „Da könnte man jetzt klatschen“, fordert er die Besucher auf. Der Erfolg bleibt trotzdem überschaubar.

Der Bundesminister stieß in der Union Brauerei auf kritische Zuhörer. Aber Beifall gab es auch für Thomas de Maizière.
Er hätte schon hier gewarnt sein sollen, der Bundesinnenminister. Natürlich ist der Auftritt des politischen Hochkaräters in Bremen eine Wahlkampfveranstaltung. Aber die rund 100 Gäste, die da vor ihm in der Halle der Union Brauerei sitzen, sind keine CDU-Claqueure. Es sind Mitarbeiter verschiedenster Organisationen und Einrichtungen, die die CDU unter dem Titel „Blaulichtempfang“ eingeladen hat: Feuerwehr, Polizei, THW, DRK, DLRG, Johanniter, Malteser, Freiwilligenagentur... Mit ihnen will die CDU über das Ehrenamt diskutieren. „Ich hoffe, dass es wirklich darum geht und nicht um Wahlkampf“, sagt Konrad Kreutzer von der Freiwilligenagentur Bremen vor der Veranstaltung. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir alle händeringend nach Nachwuchs suchen“, sagt Mika Oestmann von der Freiwilligen Feuerwehr. Er sei gekommen, um zu hören, was die Politik dafür tun will.
De Maizière läuft erst bei der Inneren Sicherheit warm
Doch dass es nicht allein darum gehen wird, verdeutlicht Elisabeth Motschmann in ihrer kurzen Begrüßung. Innere Sicherheit sei ein großes Thema in diesem Wahlkampf. „Das berührt, beschäftigt und besorgt die Menschen“, sagt Motschmann und gibt das Wort an Thomas de Maizière weiter. Dem kommt fortan die schwierige Aufgabe zu, Themen wie Gesichtserkennung per Videoüberwachung oder die Abschiebung von Gefährdern mit ehrenamtlichem Engagement von Jugendfeuerwehren oder Hospizhelferinnen zusammenzubringen.
Er erledigt diese Aufgabe nacheinander. Dem routinierten Loblied aufs Ehrenamt und hier vor allem dem technischen Ehrenamt („Gerade in Krisen schlägt die Stunde des Ehrenamtes“; „je ernster es wird, desto mehr kann man sich aufs Ehrenamt verlassen“), folgt eine Betrachtung zu den neuen Herausforderungen, vor denen das Ehrenamt stünde („Wie kommen wir an junge Leute, deren Freizeitverhalten anders ist als gewohnt?“; „Wie öffnen wir das Ehrenamt für Menschen mit Migrationshintergrund?“).
Doch richtig warm läuft der Bundesinnenminister erst bei seinem eigentlichen Thema, der Inneren Sicherheit. Niederschwellig beginnend mit der Beschreibung von Ruppig- und Respektlosigkeiten, denen nicht nur Polizisten, sondern zunehmend auch Rettungskräfte ausgesetzt seien. Und sich dann zu immer schwereren Kalibern steigernd: Videoüberwachung – „bin ich ein großer Befürworter, vor allem auch zur Aufklärung von Straftaten“. Gesichtserkennung per Videokameras – „die Möglichkeiten dieser modernen Technik nicht zu nutzen, wäre fahrlässig“. Gefährder – „wird jemand als gefährlich eingeschätzt, müssen die Folgen verbindlich und bundeseinheitlich standardisiert sein“.
Empörung im Publikum
Linksextremismus, Rechtsextremismus, die Ausschreitungen beim G 20-Gipfel in Hamburg, der schwierige Umgang der Gerichte mit Abschiebungen – es prasselt nur so nieder aufs Publikum. Zum Thema Abschiebung gibt‘s als Zugabe ein paar Watschen in Richtung von Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Dass ausgerechnet das Bundesland, das sich stets am schwersten getan habe mit Abschiebungen, nun, wo es schwierig werde, nach dem Bund rufe... Dann beendet Thomas de Maizière seinen Parforceritt durch die bundesdeutsche Sicherheitslage. „Noch jemand Fragen?“
Das Publikum ist allerdings zunächst geplättet oder weiß nicht, wie die Kurve zurück zum Ehrenamt kriegen oder beides. Schließlich meldet sich Landesjugendfeuerwehrwart Christian Patzelt und spricht die kontinuierlich zurückgehende Förderung der Jugendverbandsarbeit in Bremen an. Er würde hierzu gerne die Meinung der beiden taffen und starken Bundestagsabgeordneten hören. Doch das überhört de Maizière wohl, auf jeden Fall antwortet er selbst. Der Bundesinnenminister warnt vor der „Monetarisierung des Ehrenamtes“. Und für die Rekrutierung ihres Nachwuchses seien zunächst einmal die Organisationen selbst mit möglichst cleveren Ideen verantwortlich.
Insbesondere dieser Satz kommt nicht gut an im Publikum. „Frech ist das“, sagt Mika Oestmann von der Freiwilligen Feuerwehr. „Es geht hier ums Ehrenamt als solches. Da muss schon mehr kommen vom Bund als der Satz, dass wir selbst verantwortlich sind.“ Auch Claudia Fantz von der Freiwilligenagentur ist unzufrieden mit dem Vortrag. „Enttäuschend“, lautet ihr Urteil. De Maizière sei sehr undifferenziert an das Thema Ehrenamt herangegangen. Es gehe nicht um dessen Monetarisierung, sondern um Anerkennungskultur. Ihren Kollegen Konrad Kreuzer störte, dass „er so krass zu den Sicherheitsthemen abgedriftet ist“. Das sei dann eben doch Wahlkampf gewesen.

Das Ehrenamt und die Innere Sicherheit waren die Themen des Bundesministers. Moderiert wurde die Veranstaltung von Wilhelm Hinners (rechts).