Rot-weiß leuchtet die Absperrbake in der Sporthalle. Der Boden gleicht einem Flickenteppich: An den Nahtstellen wölbt sich der Belag nach oben. Kleine Rillen, Unebenheiten und Kanten werden zu Stolperfallen. Die jungen Frauen, die an diesem Dienstag ihr Fitness-Programm in dem Gymnastikraum im Sportturm der Universität Bremen absolvieren, lassen sich davon nicht stören. Im Rhythmus der Musik strecken, dehnen und bewegen sie sich. Das trifft auch auf den Schwingungsboden der Sporthalle zu: Altersbedingt ist er defekt, er spannt, verzieht sich und bricht immer wieder zusammen. „Der Zustand ist hochkritisch“, sagt Hans-Joachim Orlok, Baudezernent der Universität Bremen. Doch das ist nicht alles. Die Mängelliste für die Sportanlagen ist lang, der Sanierungsbedarf immens und der Handlungsdruck groß. Es stellt sich die Frage, ob nicht sogar ein Neubau nötig ist.
Der Bürgerschaftsabgeordnete Mustafa Öztürk (Grüne) hatte für den Wissenschaftsausschuss der Bremischen Bürgerschaft, der an diesem Mittwoch zusammenkommt, erneut einen schriftlichen Bericht zum Zustand der Sportanlagen und -hallen und zum Sanierungsbedarf angefordert. Bereits im April war bekannt geworden, dass die Situation im Sportbereich der Uni so desolat ist, dass sogar eine Schließung droht. Daran hat sich nichts geändert: „die erheblichen Defizite (...) müssen dringend grundlegend behoben werden“, heißt es in dem Papier. Grund genug für Öztürk, sich mit den zuständigen Personen der Universität – Baudezernent Orlok und dem Leiter der Gebäudebetriebstechnik, Jürgen Schneider – zu treffen. Bei einem Rundgang zeigen die beiden die heruntergekommene Verfassung der Orte vor, wo im Monat bis zu 7000 Nutzer des Hochschulsports aktiv sind und zahlreiche Schulen trainieren.

Im Umkleidetrakt befindet sich Asbest unter dem Fliesen-Flickenteppich.
Bei Publikum zu dicke Luft
In der großen Sporthalle, die durch mit Klebeband geflickte Trennwände in kleinere Abschnitte unterteilt wird, sind die Probleme deutlich zu sehen. Auf den Spielfeldern dribbeln Hockeyspieler um Hütchen oder schmettern Volleyballer übers Netz. Über der ausfahrbaren Tribüne sichern Warnbaken eine temporäre Heizungsanlage ab. „Die Heizelemente können so heiß werden, dass Verbrennungsgefahr besteht“, sagt Orlok. Der Grund: Für das Winterhalbjahr ist wegen der ausgefallenen Lüftungsanlagen in den Hallen die provisorische Heizung als Übergangslösung eingebaut worden. Eine komplette Sanierung der Lüftung sei aus zeitlichen Gründen nicht realisiert worden, heißt es in dem Uni-Bericht. Deswegen sind die Hallen für Sportveranstaltungen gesperrt. „Die gesetzlich vorgeschriebenen Luftwechselraten können nicht eingehalten werden, wenn Publikum da ist“, erklärt Orlok. Der Hallenboden müsste übrigens für rund 600.000 Euro erneuert werden, erläutert der Baudezernent. Hinzu kämen Kosten für Änderungen an den Tribünen.
Der Weg durch die Räume, Flure und Anlagen des Sportturmes gleicht einer Schäden-Schau. Schimmel an der Decke, Risse im Boden, defekte Rohrleitungen, Wasserflecken an den Wänden. Im Umkleidetrakt droht die Schadstoffbelastung: Unter den Bodenfliesen befinde sich Asbest in den Spachtelmassen, in den Decken sind künstliche Mineralfasern (KMF) zu finden, erklärt Schneider. „Wenn hier Fliesen ausgebessert oder erneuert werden, muss der Bereich gesperrt werden“, ergänzt Orlok. Fest stehe aber auch: „Es gibt keine akute Gefahr für die Nutzer.“ Das sei alles überprüft und kontrolliert.
Hinzu kommen erhebliche Schäden an der Gebäudehülle. Immer wieder weisen Schneider und Orlok auf Schäden im Bereich der Fenster, des Daches und der Betonfassade hin. Beim Dach bereitet die Statik Sorgen. „Wenn die Last durch Schnee zu hoch wird, kann das zum Problem werden“, warnt Orlok. Auch das Anbringen zusätzlicher Sportgeräte sei dann nicht möglich. Das ärgert auch die Kickboxer, die Sandsäcke weder an der Decke noch an den Wänden anbringen dürfen, schildert ein Übungsleiter.
„Der Studiengang Sport kann mit diesem Zustand nicht starten“
Weitere Beispiele: Defizite beim Brandschutz, veraltete Technik und Sicherungen, hygienisch unzureichende Sanitär- und Lüftungsanlagen, veraltete Sportgeräte oder abgängige Sportplätze. Der Kunstrasen löst sich auf. "Über die Energetik des Gebäude brauchen wir uns erst gar nicht unterhalten", sagt Schneider. „Der Studiengang Sport kann mit diesem Zustand nicht starten“, findet Orlok.
„Die Sportinfrastruktur ist hier komplett in Gefahr“, sagt Mustafa Öztürk, sportpolitischer Sprecher der Grünen. Die Politik habe sich aber verpflichtet, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Sportstudiengang stehe für 2020 im Koalitionsvertrag und im Wissenschaftsplan 2025. Deswegen müsse das entsprechende Geld bei den Haushaltsberatungen bereit gestellt werden. „Die Universität muss schnellstmöglich mit den Planungen beginnen, was durch eine Sanierung machbar ist“, fordert Öztürk. Und bei der Diskussion dürfe selbst ein Neubau des Sportturmes nicht ausgeschlossen werden. Nach einer Berechnung der Uni müsse noch nicht neu gebaut werden, sagt Baudezernent Orlok: „Noch ist es wirtschaftlich, die Sportanlagen zu sanieren.“
28 Millionen für Sanierung benötigt
Die Universität Bremen braucht eine Finanzspritze von mehreren Millionen Euro. Allein für die Sanierung der Sporthallen des Sportturmes werden rund 14 Millionen Euro benötigt, wie aus einem Bericht für den Wissenschaftsausschuss der Bremischen Bürgerschaft an diesem Mittwoch hervorgeht. Doch damit nicht genug: Hinzu kommen rund 1,2 Millionen Euro für die Sportplätze. Insgesamt rechnet Uni-Kanzler Martin Mehrtens für die Grundsanierung des gesamten Sportturmes und der dazugehörigen Anlagen mit 28 Millionen Euro. Diese grobe Kostenschätzung hatte er erstmals im April gegenüber dem WESER-KURIER geäußert.
Die für die Sanierung gebrauchten Aufwendungen sind von den Verantwortlichen der Uni auf Grundlage einer "Bau- und Anlagenbestandsbewertung in Form einer Kostenprognose baufachlich" kalkuliert worden, heißt es. Wie aus dem Bericht hervorgeht, ist ein mit dem Wissenschaftsressort abgestimmter Sanierungsplanung für die universitären Sportanlagen erst ab 2028 angedacht. Die Prioritäten sind durch Lehre und Forschung anders gesetzt. Seit 2003 habe die Universität für die laufende Unterhaltung und für Reparaturen der Sportanlagen rund 8,3 Millionen Euro investiert. Das sind laut der Uni jährlich rund 530 000 Euro, die neben den Betriebskosten aufgewendet wurden.
Die Universität erhält mit dem Zuschuss zum Globalhaushalt jährlich für Reparaturen, Um- und Erweiterungsbauten 2,5 Millionen Euro. Diese Summe wird für den gesamten Gebäudebestand aller Lehr- und Forschungsbereiche auf rund 400 000 Quadratmeter verwendet. Der Anteil, der für die Betriebsfähigkeit der Sportanlagen gebraucht wird, ist nach dem Uni-Bericht unverhältnismäßig hoch. „Was die laufende Bauunterhaltung angeht, sind wir chronisch unterfinanziert", sagt Hans-Joachim Orlok, Baudezernent der Universität, dazu.