Die nächste Sturmflut kommt bestimmt. Die für Deichbau und Küstenschutz zuständigen Organisationen wissen das und sorgen deshalb rechtzeitig vor. Dazu gehört auch die Suche nach geeigneten Stellen für den Abbau von Klei, der die Deiche als Deckschicht vor dem Durchweichen schützt.
Vor diesem Hintergrund fand am Montagabend in Harmenhausen ein Informationsabend zu einer vorgesehenen Kleientnahme auf der Brookseite von Hiddigwarden statt. Initiiert hatte das Treffen die SPD-Landtagsabgeordnete Karin Logemann, die, selbst in Hiddigwarden wohnend, vor Ort immer wieder mit Fragen nach dem Projekt konfrontiert worden war. Sie hatte daher den Vorsteher des I. Oldenburgischen Deichbands, Cord Hartjen, und den Leiter des Geschäftsbereichs II beim Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Brake, Kai Wienken, eingeladen, um das Vorhaben zu erläutern.
Vor rund 70 Zuhörern legte Kai Wienken zunächst Wert auf die Feststellung, dass es bisher für den Kleiabbau in Hiddigwarden keine Detailplanung gibt. Zwar wurde der Grunderwerb schon getätigt, und erste Erfassungen und Kartierungen von Flora und Fauna haben ebenfalls stattgefunden. Nach der bisherigen und grob geschätzten Terminplanung werde, so Wienken, seine Behörde den Antrag auf Kleiabbau Ende des laufenden Jahres stellen. Wenn alles planmäßig verläuft, sei 2016 mit der Genehmigung zu rechnen und mit dem Beginn des Abbaus im Jahr 2017.
Kleiboden sei eine Mangelressource, erläuterte Kai Wienken, aber der wichtigste Baustoff beim Deichbau. Er werde in bis zu 1,50 Meter mächtigen Deckschichten auf die Sandkerne der Deiche aufgebracht, weil sich die Bodenart besonders widerstandsfähig gegen das Eindringen von Wasser sei. Weil der Küstenschutz praktisch nie ende, seien Deichband und NLWKN ständig auf der Suche nach neuen Abbaumöglichkeiten und langfristig auszuschöpfenden Klei-Lagerstätten.
Um so eine handelt es sich in Hiddigwarden. Sie umfasst eine Fläche von 13 Hektar. Dort kommt der Klei in Mächtigkeiten bis zu drei Metern vor. Abgebaut werden soll der Boden zunächst bis in eine Tiefe von einem Meter und direkt abtransportiert werden. Dazu werden vorhandene Infrastrukturen, in diesem Fall die Feldmarkstraße, genutzt. Etwaige Schäden an der auf neun Tonnen Gewicht beschränkten Straße wird der Deichband reparieren lassen.
Die weiteren Schichten bis 2,25 Meter Tiefe sollen als Lagerstätten vorgehalten werden. Für die Dauer des Abbaus veranschlagt Kai Wienken bis zu zehn Jahre. Anschließend wird der See der Natur zurückgegeben. Seine Böschungen werden im Verhältnis 1:3 bis 1:10 abgeflacht. Röhrichte können sich ansiedeln. Insbesondere Wassergeflügel wird später zu den Nutznießern der großen Wasserstelle gehören, wie Kai Wienken mit Beobachtungen an anderen Seen bei Lemwerder und Brake belegte. Eine Nutzung als Angelteich oder Badesee sei nicht vorgesehen und auch nicht genehmigungsfähig.
Derzeit erhöht der I. Oldenburgische Deichband über einen Zeitraum von drei Jahren den Berner Weserdeich zwischen Bundesstraße 74 und Ohrt. Möglicherweise wird schon an dieser Stelle Kleiboden aus Hiddigwarden benötigt. Danach ist der Bereich zwischen Ohrt und Huntesperrwerk an der Reihe. Dort werde der Klei voraussichtlich eingebaut.
Im Zusammenhang mit Deichbau und Küstenschutz stellt der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Björn Thümler, die Forderung nach deutlich mehr Geld vom Land Niedersachsen. Während der II. Oldenburgische Deichband in früheren Jahren noch über fast zwölf Millionen Euro jährlich verfügen konnte, seien die Mittel unter der rot-grünen Landesregierung auf 6,5 Millionen Euro zusammengestrichen worden.
„Damit kommt man nicht weit“, sagt Thümler, sei der II. Oldenburgische Deichband doch für 142 Kilometer Deiche verantwortlich. „Das ist die längste Deichlinie aller Deichverbände in Niedersachsen.“ Zum Vergleich: Der I. Oldenburgische Deichband betreut rund 60 Kilometer Deiche, darunter 21 Kilometer Weserdeich. Die übrigen sind Schutzdeiche hinter den Sperrwerken an Hunte und Ochtum.
Björn Thümler sieht eine Ursache in der Mittelkürzung darin, dass Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) den Küstenschutz nicht mehr so weit vorn auf der Prioritätenliste führe. In einem Landkreis, in dem weite Teile unterhalb des Meeresspiegels liegen, sei das aber existenziell wichtig. „Das Land muss daher für eine auskömmliche finanzielle Ausstattung des Küstenschutzes sorgen“, fordert der Berner Landtagsabgeordnete.