Dreckig, chaotisch, sozial benachteiligt? Fällt das Stichwort „Gröpelingen“, dann glaubt anscheinend jeder, er kenne diesen Stadtteil ganz genau. Die Gröpelinger selbst natürlich sowieso. „Und die von außen führen sich zuweilen als wahre Experten auf – obwohl sie diesen Stadtteil nie betreten haben“, haben die Filmemacher Jürgen J. Köster und Liz Dinh beobachtet. Mehrere Monate lang waren der Waller und die Neustädterin regelmäßig mit der Kamera im Stadtteil unterwegs, um einen Dokumentarfilm über und mit Gröpelingern zu drehen.
Die beiden haben dabei Menschen getroffen, die es aus unterschiedlichen Gründen nach Gröpelingen zog und zieht. Unter anderem waren sie im Frisiersalon, in der Gröpelinger Stadtbibliothek-Filiale und bei den Vereinen Kultur vor Ort, Gesundheitstreffpunkt West und Vatan Sport. Sie haben Teilnehmer eines Volkshochschul-Deutschkurses interviewt und sind bei Großveranstaltungen wie dem „Gröpelinger Sommer“ und dem Internationalen Erzählfestival „Feuerspuren“ mit Menschen auf der Straße ins Gespräch gekommen.
„Wir als Filmemacher sind mit sehr viel Zurückhaltung und Respekt in dieses Projekt eingestiegen und haben unseren Begegnungen Raum und Zeit gelassen, sich vor der Kamera zu entfalten“, beschreiben die beiden Filmemacher ihre Vorgehensweise. „Uns ist und war es wichtig, eine offene Atmosphäre zu schaffen, und wir hoffen, dass wir es erreichen können, Gröpelingen in seiner Vielschichtigkeit darzustellen.“
Jetzt ist der 90-minütige Streifen fertig – und so manches negative Vorurteil löst sich darin in Luft auf. „Fast wundert man sich schon, wie schön es in Gröpelingen ist: Die Straßen sind breiter und die Häuser häufig schöner als in Walle – und es gibt mehr Grün. Die Menschen dort sind Weltbürger und sprechen oft zwei bis drei Sprachen“, sagt Köster und empfiehlt: „Die Bremer, die Gröpelingen, sagen wir mal einfach nur suspekt finden, sollten den Schritt ins Kino wagen. Nur, um mal zu gucken, was in der eigenen Stadt so alles los ist.“
Die Menschen in Gröpelingen, haben Dinh und Köster beobachtet, müssten sich auf unzählige und unterschiedliche Kulturen und Einflüsse flexibel einlassen: „Dabei erleben sie Anregendes und manchmal auch Irritierendes.“ Diese Erfahrungen, sind die Filmemacher überzeugt, erweitern den eigenen Horizont. „Und das ist wohl der Grund, dass kein anderer Bremer Stadtteil so viele Ressourcen beheimatet – zum Beispiel vielfältig mit Konflikten umzugehen, sich mehrsprachig in andere Kulturen hineinzuversetzen, eine unglaubliche kulturelle Vielfalt mit ihren Verschmelzungen zu erleben und vor allem das Miteinander zu leben. Die Stimmung ist mal rau, mal sanft, meistens wohltuend direkt. Und klar ist: Die Anrede ist immer ‚du’ – auch wenn du Polizist bist.“ Klar sei aber auch, dass nicht wenige Gröpelinger unter Armut litten, so Köster und Dinh: „Viele Menschen hier haben keine Arbeit oder werden ausgebeutet, Stichwort ‚Arbeiterstrich’. Dennoch schaffen es die Gröpelinger, sich mit einer gewissen Leichtigkeit friedlich zu organisieren, ohne dabei zu vergessen, eine weitere Verbesserung der Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten zu erreichen.“
Rund 50 Interviewpartner treten im Film in Erscheinung, und basierend auf ihren Aussagen kommen Dinh und Köster zu einer eindeutigen Einschätzung: „Wir meinen, dass Gröpelingen auch in vielen Bereichen einen Vorbildcharakter für viele Quartiere dieser Welt hat, um zum Beispiel Rassismus, Isolation, rechtsfreie Zonen oder Konflikte zwischen den Religionen zu überwinden.“
Der Diplom-Pädagoge Jürgen J. Köster macht bereits seit 1988 Filme mit und über Menschen. Unter dem Label „Radio Parkstraße“ drehte er zum Beispiel 1989 den Film „Aufgetaut“ zur Auflösung der Langzeit-Psychiatrie-Klinik Kloster Blankenburg. 2006 war Köster mit der Videokamera in Walle unterwegs und ließ in dem 75-minütigen Dokumentarfilm „Walle für alle“ der Produktionsfirma „Cine Ci“ 16 Protagonisten unkommentiert vom alltäglichen Leben rund um die Vegesacker Straße erzählen. 2010 zeigte er im 85-minütigen Spielfilm „Tanz mit dem Einhorn“ die Geschichten sieben unterschiedlicher Personen, legte dann 2013 gemeinsam mit seinem niederländischen Kollegen Ruben van den Belt die Dokumentation „Mobbing und nun … Mobbing am Arbeitsplatz“ vor und 2014 schließlich mit der „Compagnons Cooperative inklusiver Film“ den Spielfilm „Apostel & Partner“. Dabei wirkte unter anderem auch Liz Dinh als Darstellerin mit, die mittlerweile in der Produktionsleitung arbeitet.
Der Film „Gröpelingen – anders als du denkst!“ von Jürgen J. Köster (Regie, Kamera, Schnitt, Interviews) und Elizabeth Dinh (Interviews und Produktionsleitung) wird am Montag, Dienstag und Mittwoch, 25., 26. und 27. April, jeweils um 20 Uhr in der Stadtbibliothek West, Gröpelinger Bibliotheksplatz, sowie am Freitag, 29. April, um 20 Uhr im Nachbarschaftshaus Helene Kaisen (na’), Beim Ohlenhof 10, gezeigt. Weitere Vorführungen sind am 4. und 9. Mai jeweils um 20.30 Uhr sowie am 10. und 11. Mai um 18 Uhr im City 46, Birkenstraße 1. Nach jeder Vorführung gibt es die Möglichkeit, sich über Gröpelingen auszutauschen.