Wenn das Finanzressort, die Deutsche Post und der soziale Gedanke auf einen Nenner gebracht werden müssten, könnte man sich auf Walter Spahrbier einigen, den Postboten aus der Sendung „Der große Preis“. Fast 30 Jahre lang leitete er die Ziehung der Lose der „Aktion Sorgenkind“. „Henning Lühr hat sich an Walter Spahrbier erinnert“, sagt Herbert Kubicek, der Projektkoordinator des Projekts „Herbsthelfer“, über den Staatsrat für Finanzen. Im Auftrag der Deutschen Post sei dann die Machbarkeitsstudie „Zusätzliche Postleistungen für ältere Menschen am Beispiel Bremen“ erstellt worden. Herbert Kubicek und Niels Winkler von der Finanzbehörde haben sie dem Fachausschuss Bildung und Soziales des Beirates Mitte vorgestellt.
Das Projekt „Herbsthelfer“ soll Seniorinnen und Senioren, die nur eingeschränkt mobil sind, das Leben erleichtern. Öffentliche und private Dienstleister haben sich zum „Bremer Verbund für Seniorendienste“ zusammengeschlossen. Mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), der Arbeiterwohlfahrt (Awo), der Caritas, dem Paritätischen, der AOK, der Sparkasse sowie den Johannitern bietet dieser Verbund derzeit sechs Service-Leistungen an.
Generell gebe es zu wenig Nachbarschaftshelfer, die im Haushalt helfen, einkaufen gehen, vorlesen oder anderes mehr, sagt Herbert Kubicek. Der Bedarf sei sehr hoch. „Und hier setzt das Lotsenprojekt an“, erläutert Kubicek. In diesem Projekt sollen Briefzusteller der Deutschen Post potenzielle Ehrenamtliche ansprechen, um sie zur freiwilligen Mitarbeit zu bewegen. Die Briefträger sollen Menschen, die sie als mögliche Freiwillige sehen, Karten mit Slogans wie, „Nachbarschaftshilfe zahlt sich aus“ und „Bezahltes Ehrenamt“ übergeben, um sie für das Projekt zu gewinnen. Wer sich für die Aufgabe interessiert, kann dann selbst Kontakt zum Dienstleistungszentrum aufnehmen. Für den Bereich Mitte wird ab dem 1. August das DLZ-Mitte am Alten Fundamt teilnehmen. „1000 potenzielle Ehrenamtliche sollen in den nächsten drei Monaten angesprochen werden, daraus sollen dann 100 Bewerbungsgespräche entstehen“, sagt Kubicek, der auf 25 neue Nachbarschaftshelfer hofft. In einer weiteren Kampagne sollen die Briefzusteller dann ab Sommer Senioren ansprechen und sie auf das Beratungsangebot der Dienstleistungszentren aufmerksam machen.
Mit der Service-Leistung „Post Persönlich“ bietet die Deutsche Post eine Erweiterung des bereits bestehenden Hausnotrufdienstes der Johanniter Unfallhilfe an. Der Hausnotrufdienst der Johanniter ist ein kostenpflichtiger Service: Er ermöglicht den Teilnehmern des Programms, im Falle eines Notfalls durch Drücken eines Knopfes direkt mit der Notrufzentrale verbunden zu werden. „Post Persönlich“ soll durch den persönlichen Kontakt an vereinbarten Tagen dafür sorgen, dass ältere Menschen nicht in die soziale Isolation abrutschen. Dafür klingeln die Zusteller an der Tür und erkundigen sich nach dem Befinden der betreffenden Person. Wenn die Person zur vereinbarten Zeit nicht im Hause sein sollte oder der Zusteller den Eindruck hat, dass etwas nicht in Ordnung ist, informiert er den Hausnotrufdienst der Johanniter. Der Briefzusteller betritt dabei nicht die Wohnung und übernimmt keine Leistungen in Bereich der Pflege oder der Medizin.
Der „Bargeldservice“ ist ein weiteres Angebot. Bankkunden, denen es nicht möglich ist, zur nächsten Sparkassenfiliale zu gelangen oder die Schwierigkeiten mit der Bedienung der Automaten haben, können über das Kundencenter der Sparkasse bis zu 500 Euro anfordern. Das Geld wird dann als neutrale Briefsendung vorbereitet, ist versichert und wird durch die Deutsche Post versandt.
Mit dem Mediendienst der Stadtbibliothek wird jeder der 14 Einrichtungen der Bremer Heimstiftung ein E-Book-Reader und ein Tablet zur Verfügung gestellt. Vier Herbsthelfer sollen dann einmal in der Woche die Einrichtungen aufsuchen und den Bewohnerinnen und Bewohnern nicht nur die Nutzung der Geräte erklären, sondern auch durch einen Bring- und Abholdienst den Zugang von Büchern und anderen Medien erleichtern.
Wer Formulare nicht online auszufüllen kann, kann sie ab Sommer über das Bürgertelefon unter der Nummer 115 bestellen und sie sich per Post zuschicken lassen. Ab Juli gibt es außerdem einen Ummeldeservice in nächster Nähe. Beschäftigte des Bürgeramtes kommen in ausgewählte Einrichtungen der Bremer Heimstiftung.
Karina Busch vom DLZ Mitte hofft, dass die Dienstleistungszentren bekannter werden und der Aufruf etwas bringt. „Wir haben nicht ausreichend Helfer“, sagt sie. Es gebe auch eine Aufwandspauschale von 7,15 Euro pro Stunde oder bis zu 2400 Euro pro Jahr, die steuerfrei ist.
Ortsamtsleiterin Hellena Harttung findet die Idee mit den Postkarten gut, hat aber Sorge, dass es kriminelle Trittbrettfahrer geben könnte. Mit Blick auf diese zweite Projektphase hat Reinalt Kowalewski vom Präventionszentrum der Polizei Bremen diese Bedenken geteilt. Trickbetrüger, die es auf ältere Menschen abgesehen haben, könnten sich als Postboten ausgeben. Die Polizei will zum Start des Lotsenprojekts Flugblätter mit Hinweisen verteilen: Echte Briefzusteller können sich ausweisen, wollen nicht in die Wohnung kommen und fragten nicht nach persönlichen Daten. Im Zweifel solle man den Polizeiruf 110 wählen.
„Falsche Postboten, die klingeln, gibt es fast gar nicht", sagte Niels Winkler im Ortsamt Mitte/Östliche Vorstadt, betonte aber ebenfalls: "Parallel wollen wir auch Prävention betreiben.“ Die Zusteller selbst stünden dem Projekt aufgeschlossen gegenüber, und auch Verdi sei dafür. „Denn die Frage stellt sich: Was tun mit den Menschen bei der Post, wenn es immer weniger Briefe zu verteilen gibt?“
Vertreter der Deutschen Post hatten bei anderer Gelegenheit versichert, dass ausschließlich Stammzusteller an der Kampagne mitwirken. In Horn, Walle und der Neustadt sind sie schon jetzt an dem orangefarbenen „Herbsthelfer“-Button zu erkennen.
Unter www.herbsthelfer.bremen.de sind weitere Informationen erhältlich. Interessierte können sich auch direkt an das Dienstleistungszentrum Mitte, Im Krummen Arm 13, unter dlz-mitte@drk-bremen.de und unter Telefon 69 93 01 00 wenden. Die Präventionshinweise der Polizei in Sachen Herbsthelfer sind unter https://www.finanzen.bremen.de/sixcms/media.php/13/Pr%E4venationshinweise%20Lotsenprojekt.pdf einsehbar.
Weitere Informationen
Unter www.herbsthelfer.bremen.de sind weitere Informationen erhältlich. Interessierte können sich auch direkt an das Dienstleistungszentrum Mitte, Im Krummen Arm 13, unter dlz-mitte@drk-bremen.de und unter Telefon 69 93 01 00 wenden. Die Präventionshinweise der Polizei in Sachen Herbsthelfer sind unter https://www.finanzen.bremen.de/sixcms/media.php/13/Pr%E4venationshinweise%20Lotsenprojekt.pdf einsehbar.