Gastspiel des Circus Carl Busch auf der Bürgerweide Die singende Zirkusprinzessin

Es gibt Zirkusartistinnen und es gibt Opernsängerinnen. Alexandra Gerbey ist beides. Die 31-Jährige aus der Ukraine liebt es, Dinge miteinander zu kombinieren. Wie gut das gelingt, davon können sich Besucher im Circus Carl Busch ein Bild machen.
14.07.2014, 00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Thomas Joppig

Es gibt Zirkusartistinnen und es gibt Opernsängerinnen. Alexandra Gerbey ist beides. Die 31-Jährige aus der Ukraine liebt es, Dinge miteinander zu kombinieren. So wie eben Luftakrobatik und Opernarien. Wie gut das gelingt, davon können sich Besucher im Circus Carl Busch ein Bild machen, der auf der Bürgerweide gastiert.

Dass Musik beflügeln kann, haben wohl die meisten Menschen schon einmal gespürt. Alexandra Gerbey allerdings hebt beim Singen regelrecht ab. Während sie eine komplizierte Opernarie aus Donizettis „Lucia di Lammermoor“ präsentiert, schwebt sie an seidenen Tüchern durch das Zelt des Circus Carl Busch, wickelt sich empor, verrenkt sich und schwingt kopfüber über der Manege. Die 31-Jährige liebt Herausforderungen. „Oper allein wäre mir zu langweilig“, sagt sie. Am Zirkus liebt die ausgebildete Sopranistin die Lebendigkeit und das viele Reisen. Allerdings, so glaubt sie, muss der klassische Zirkus sich wandeln, um für das Publikum attraktiv zu bleiben.

Vor vier Jahren war die gebürtige Ukrainerin mit dem Circus Flic Flac auf Tournee. Eine schrille Show, laut und wild – und sie mittendrin als zierliche Opernsängerin, die von einem miesepetrigen Rocker gemobbt wird. Skurrile Versöhnung im Finale inklusive.

Experimentierfreude

Noch heute erinnert sie sich gern daran. Wer mit Alexandra Gerbey spricht, merkt schnell: Experimentierfreude ist ihr wichtig. Sie mag Rockballaden und Mozart, schauspielert und modelt nebenbei – was sie auch gleich im mühelosen Spiel mit der Kamera unseres Fotografen unter Beweis stellt. Mit ihren lange Wimpern, den glitzernden Augenlidern und dem hautengen Artistinnenkostüm wirkt sie wie eine Zirkusprinzessin par excellence. Im Ensemble des Circus Carl Busch fühlt sich die Tochter eines Flugzeugbauers und einer Pianistin jedoch eher als Exotin: „Die meisten hier arbeiten seit Generationen in der Manege.“ So auch ihr Freund, der Jongleur Eric Munoz, den sie im Circus Carl Busch kennen und lieben gelernt hat.

Zusammen mit ihm hat sie in den vergangenen Monaten eine gemeinsame Nummer einstudiert, die ihren Gesang mit seinen Jonglagen kombiniert. Da ist sie wieder, die Experimentierfreude. Ein attraktives Zirkusprogramm, so glaubt sie, sollte über einen roten Faden verfügen – und über Darbietungen, mit denen der Zuschauer nicht rechnet. „Der Zirkus muss sich wandeln, um für das Publikum attraktiv zu bleiben“, ergänzt ihr Freund. Dazu wollen beide mit ihren Auftritten im Busch-Programm beitragen.

Gesang und Artistik faszinierten Alexandra Gerbey schon als Kind. In beidem bekam sie Unterricht. Mit 16 landete sie in ihrer Heimat einen Chart-Erfolg, ging auf Tournee und arbeitete zielstrebig an ihrer weiteren Bühnenkarriere. In Kiew ließ sich sowohl in artistischer Comedy als auch in klassischem Gesang ausbilden.

Sie mag es, Dinge miteinander zu kombinieren. Klassische Musik und Popsongs zum Beispiel – oder eben Opernarien und Luftakrobatik. „Am Anfang habe ich zu der Luftakrobatik einer anderen Artistin gesungen und mich irgendwann gefragt, ob ich nicht selbst beides miteinander verbinden könnte“, erinnert sie sich. Wichtig sei es, sich vor allem auf die artistischen Tricks zu konzentrieren. „Singen muss ich nebenbei“, sagt sie. Ihre Arie wird im großen Zelt per Funkmikrofon und Lautsprecher verstärkt.

Auf ihrem linken Handrücken hat sich Alexandra Gerbey eine Lotosblüte und den Namen der hinduistischen Gottheit Krishna tätowieren lassen. Dem Hinduismus wandte sie sich als Jugendliche zu – inspiriert durch ihren damaligen Konzertveranstalter. Die detaillierten Antworten auf die großen Fragen des Lebens geben ihr seither Halt, genauso wie die Vorstellung, sich von einer göttlichen Kraft getragen zu wissen.

Kraft aus dem Hinduismus

Ihrer Religion folgend ernährt sie sich streng vegetarisch. Mit der Tierhaltung in Zirkussen hat sie jedoch kein Problem, solange die Zirkusleute verantwortungsbewusst mit den Vierbeinern umgehen: „Wer wirklich etwas für Tiere tun will, sollte vor allem im eigenen Leben konsequent sein und kein Fleisch essen“, sagt sie. „Wenn jemand sich gegen Tiere im Zirkus ausspricht, aber daheim nicht einmal auf sein Schnitzel verzichten will, ist das für mich unglaubwürdig. Denn im Gegensatz zum Schlachthof hält ein Zirkus Tiere, um mit ihnen zu arbeiten – und nicht, um sie zu töten.“

Spricht man Alexandra Gerbey auf die Lage in ihrer ukrainischen Heimat an, wird sie nachdenklich und sucht nach Worten. „Meine Eltern und mein Bruder leben in der Ukraine, und mein Bruder hat wegen der Krise erst vor kurzem seinen Job verloren“, erzählt sie. „Es ist eine unglaublich schwierige Situation. Ich wüsste nicht, wie ich damit klarkommen sollte, wenn ich jetzt in meiner Heimat wäre. Ich wünsche mir oft, dass wir auf dieser Welt positiver und friedlicher miteinander umgehen. Und ich versuche, das auch in meiner Arbeit zu zeigen.“

Der Circus Carl Busch gastiert noch bis Sonntag, 27. Juli auf der Bürgerweide. Vorstellungen täglich um 15.30 und 20.00 Uhr, sonntags um 15.00 und 18.30 Uhr, am 27. Juli nur um 15 Uhr.

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