Neustadt. Eine Küche auf anderthalb Quadratmetern, montiert auf einem fahrbaren Gestell – das ist die äußere Gestalt von Lucies Küchenmobil. Die Idee dahinter ist die einer sozialen Skulptur, wie sie Joseph Beuys einst entwickelt hat: Dass jeder Einzelne auf die Gesellschaft einwirkt, wenn er etwas gestaltet. Auch der Prozess der Gestaltung ist bereits Teil des Kunstwerks. Das findet sich zugespitzt in der bekannten Formel von Beuys wieder, dass jeder Mensch ein Künstler sei.
Bei Lucies Küchenmobil hat der Neustädter Verein Käpt'n Kurt als Büro für freie Kulturarbeit diesen Ansatz wörtlich genommen. Denn die fahrbare Miniküche haben fünf Geflüchtete aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und aus dem Senegal gebaut, die sich bislang wohl kaum als Künstler betrachtet haben. Im Gegenteil: Kreist ihr Alltag doch vor allem um den Anspruch, wenigstens wieder als kompletter Mensch wahrgenommen zu werden, und nicht nur auf den Status des „Flüchtling“ reduziert zu sein.
„Die waren darum vom ersten Tag an sehr engagiert dabei. Die wollen selber etwas tun, nicht nur Hilfsempfänger sein, und haben sich gefreut, etwas mit einem greifbaren Ergebnis zu produzieren“, bilanziert Paula Eickmann. Die Absolventin des Masterstudiums der Kunst- und Kulturvermittlung hat nicht nur Lucies Küchenmobil initiiert, sondern auch den gesamten Verein Käpt'n Kurt als Organisationsvehikel für zahlreiche freie Kulturprojekte aus der Taufe gehoben.
Eines dieser Projekte nennt sich „Weserholz – Handwerk & Design“. Es steht noch ganz am Anfang, soll aber später mal jungen Geflüchteten den Einstieg in eine handwerkliche Ausbildung ebnen. Ausgangspunkt ist die Idee, dass sich die Probanden erst mit ihrer eigenen Kreativität und eventuell erworbenen Handwerkstechniken aus der jeweiligen Heimat einbringen können, sich also im beuysschen Sinne als freie Künstler versuchen sollen, bevor sie im eher formalen deutschen Ausbildungssystem und Arbeitsmarkt ankommen. Im Idealfall vereinen sich so nordeuropäische, arabische und afrikanische Gestaltungstechniken.
Funktionalität im Blick
Lucies Küchenmobil ist für das Projekt „Weserholz“ daher der erste Versuchsballon. Ein besonderer Designwille mit Bezug auf die Herkunft der Macher ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. „Die sind da sehr rational rangegangen und hatten vor allem die Funktionalität im Auge“, berichtet Anselm Stähling.
Der Tischler und Designer war als einziger Gestaltungsprofi beim Bau des Küchenmobils beteiligt und hat die fünf unter anderem zur Maschinennutzung angeleitet. Das bedeutete für Stähling bisweilen auch kleine Sprints durch Kalles Co-Werkstatt an der Kornstraße, wenn zum Beispiel ein Schwingschleifer außerhalb seines Blickfelds angeschmissen wurde. Denn was Arbeitssicherheit angeht, gingen die Zuwanderer zunächst eher unbefangen vor. Das tat dem Erfolg aber keinen Abbruch: In dem rund einwöchigen Workshop konnte die fahrbare Miniküche schließlich ohne Blessuren oder Unfälle fertiggestellt werden.
Premiere hatte sie am vergangenen Sonntag zur Eröffnung der Gartensaison auf dem Lucie-Flechtmann-Platz. Damit ist auch der Name des Gefährts erklärt, denn bis auf Weiteres wird dies die erste Station von Lucies Küchenmobil sein. Da sie aus wetterfestem Material hergestellt wurde, und im geschlossenen Zustand einem kompakten abschließbaren und diebstahlsicher abgestellten Anhänger gleicht, ist das problemlos möglich. Und beim Gebrauch wird der schützende Deckel zum zusätzlichen Arbeitstisch.
Ausgestattet mit zwei Gaskochern, Schneid- und Arbeitsfläche sowie einer kleinen Spüle auf ihrem Mobil versorgten die Erbauer auf dem kleinen Gartenfest die Besucher gleich mit warmen Mahlzeiten. Es gab mit der Bitte um eine kleine Spende für die Arbeit von Käpt'n Kurt und „Weserholz“ wahlweise frittierte afrikanische Teigtaschen oder einen afghanischen Eintopf.
Als größere Förderer hatten sich zuvor schon die Senatorin für Soziales und die Bremer Bürgerstiftung engagiert, damit der Workshop mit den fünf Geflüchteten, die derzeit alle im Übergangswohnheim der Inneren Mission in der Grünenstraße in unmittelbarer Nachbarschaft des Lucie-Flechtmann-Platzes leben, überhaupt veranstaltet werden konnte.