SPD, Grüne und Linke wollen die direkte Demokratie auf Landes- und Stadtebene stärken. In einer gemeinsamen Initiative fordern die Landesvorstände der drei Koalitionsparteien, dass die Mindestanzahl von Unterschriften für sogenannte Bürgeranträge „mindestens halbiert“ wird.
Durch einen Bürgerantrag kann das Parlament gezwungen werden, sich mit einem bestimmten Sachverhalt zu befassen. Voraussetzung ist bisher, dass die Initiatoren – wenn es um landespolitische Themen geht – 5000 gültige Unterschriften zusammenbringen. Bei kommunalen Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Stadtbürgerschaft fallen, reichen 4000. Das Instrument des Bürgerantrags war im Jahr 1994 vom Landesgesetzgeber beschlossen worden. Obwohl die Unterschriften seit einiger Zeit auch digital gesammelt werden können, ist die Schwelle von 5000 beziehungsweise 4000 notwendigen Unterstützern nach Ansicht der Koalitionäre aktuell noch zu hoch.
Mehr direkter politischer Austausch
Mit der vorgeschlagenen Absenkung soll „mehr Menschen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Anliegen in das Parlament einzubringen und in den direkten politischen Austausch einzutreten“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Landesvorstände von Rot-Grün-Rot. Man begrüße es ausdrücklich, wenn die Stimme der Bürger „nicht nur an Wahltagen Gehör findet, sondern auch in der Zeit dazwischen“. In Zeiten, in denen die demokratischen Institutionen vermehrt infrage gestellt würden, sei eine stärkere Verbindung zwischen Bürgern und Parlament von großer Bedeutung. An die Opposition richten SPD, Grüne und Linke den Aufruf, eine Änderung der Landesverfassung mitzutragen, mit der die Absenkung des Quorums möglich würde.

Bessere Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger sind Ziele eines Bürgerantrags der Initiative "Platz da!", die im November 2018 gestartet worden war. Im November vergangenen Jahres überreichten die Initiatoren 4000 gültige Unterschriften an den Bürgerschaftspräsidenten. Damit war die Befassung der Stadtbürgerschaft mit dem Thema gesichert.
Als Initiator des Vorstoßes gilt der Grünen-Abgeordnete Ralph Saxe. Er hatte das Thema erstmals vor anderthalb Jahren in seiner Partei angestoßen. Wenn durch die Senkung des Unterschriften-Minimums künftig mehr Bürgeranträge im Parlament behandelt werden müssten, wäre das aus seiner Sicht keine Schwächung der repräsentativen Demokratie. "Als Parlamentarier sind wir ja frei zu sagen: Wir wollen nicht, was die Antragsteller verlangen. Aber dann haben wir uns mit dem Thema wenigstens auseinandergesetzt", argumentiert Saxe. Mit dem niedrigeren Quorum hätte Bremen nach seinen Worten "das fortschrittlichste Instrument für Bürgeranträge unter allen Bundesländern". SPD-Landeschefin Sascha Aulepp ist ebenfalls dafür: „Wenn Bürgerinnen und Bürger sich einmischen, kann das – zugegeben – auch mal nerven, aber das ist gut für unsere Demokratie. Das wollen wir erleichtern."
Seit der Verankerung des Instruments in der Landesverfassung vor 26 Jahren hat es ein gutes Dutzend Bürgeranträge ins Parlament geschafft. Der erste richtete sich gegen die Privatisierung der Wohnungsgesellschaften Gewoba und Bremische. Dreimal versuchten Tierschützer zwischen 1997 und 2001, durch Bürgeranträge die Beendigung der Tierversuche mit Affen an der Universität zu erreichen, jedoch stets ohne Erfolg. Aktuell befindet sich ein Antrag der Bürgerinitiative „Platz da!“ in der Schwebe. Die Gruppe möchte, dass die Kommune mehr in den Ausbau von Fuß- und Radwegen investiert und der Parkraum im gesamten Stadtgebiet gebührenpflichtig wird. Damit konnte sich indes die SPD nicht anfreunden. Das Thema wurde von der Bürgerschaft in die Verkehrsdeputation verwiesen.
Verein „Mehr Demokratie“ begrüßt den Vorstoß
Was denkt der Verein „Mehr Demokratie“, der sich die Stärkung der Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben hat, über den Vorstoß von Rot-Grün-Rot? Sprecherin Katrin Tober sagt: „Wir finden das auf jeden Fall gut.“ Erfahrungsgemäß sei es insbesondere auf kommunaler Ebene, wo bisher 4000 Unterstützer für eine Befassung der Stadtbürgerschaft erforderlich sind, schwierig, die notwendige Zahl von Unterschriften zusammenzubringen. „Jedenfalls dann, wenn man keine schlagkräftige Organisation hinter sich hat“, findet die Politologin.
Katrin Tober wünscht sich, dass es die Bremer Koalitionsparteien nicht bei der Senkung des Quorums für Bürgeranträge belassen. Sie sieht auch bei Volksbegehren Handlungsbedarf. Zulassungsanträge auf Landesebene benötigen derzeit 5000 Unterschriften, die anschließend von der Innenbehörde geprüft werden. „Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, auch hier zu einer Halbierung zu kommen“, lautet Tobers Empfehlung.
Instrumente direkter Demokratie
Bürgerantrag und Volksbegehren sind zwei Verfahren, mit denen die Bevölkerung ihren politischen Willen zum Ausdruck bringen kann. Während es beim Bürgerantrag nur darum geht, ein Anliegen auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen, lassen sich über das Volksbegehren mit anschließendem Volksentscheid politische Ziele auch erzwingen. Zuletzt war das 2019 der Fall, als ein Volksentscheid die Pläne des Senats für die Rennbahn stoppte.